Achim Achilles – Der Vollzeitmann – Endlich das eigene Leben zurückerobern

Mann sein, bedeutet heutzutage definitiv nicht mehr, den Macho heraushängen zu lassen, im Stehen zu pinkeln oder nach einem 9-to-5-Job ganz locker die Füße hochzulegen. Das Gesellschaftsbild hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten derart rapide verändert, die Emanzipation der Frau ist derweil so stark fortgeschritten, dass man sich anno 2010 mit voller Berechtigung fragen muss: Wann ist der Mann ein Mann?

Der Mann darf alles, zumindest auf dem Papier; vor allem aber darf er parieren und einem Idealbild gerecht werden, welches voller weiblicher Attribute steckt und bei weitem nicht mehr der Fassung entspricht, die unsere Väter und Großväter in ihrer Position genießen, ja, wirklich genießen durften. Der Mann steckt in der Krise, das hat auch Achim Achilles alias Hajo Schumacher erkannt, der sich dieses pikanten Gesellschaftswandels in seinem neuen Werk „Der Vollzeitmann“ angenommen hat.

Und Schuhmacher, bekannt für seine Kolumnen bei |Spiegel Online|, nimmt von der ersten Seite an kein Blatt vor den Mund und vergleicht sein persönliches Idealbild mit dem, in seinen Augen, traurigen Erscheinungsbild, welches heute die Realität darstellt. Männer sind Tellerwäscher, wechseln Windeln, kümmern sich um den Haushalt, nehmen Vaterschaftsurlaub und agieren als Babysitter, statt sich mit Dreck und Motorenöl herumzuschlagen. Sinnbildlich führt der Autor unter dem Pseudonym Achilles einige Beispiele vor, in denen sich das maskuline Geschlecht aufopferungsvoll um den Erhalt seiner Werte bemüht – vom Tempo des Zeitgeschehens aber ebenso eingeholt wird wie von der rasanten Entwicklung der emanzipatorischen Fraktion.

Dabei ist der Mann jederzeit ein simpel gestricktes, durchschaubares Wesen geblieben, suggeriert der Mann hinter „Der Vollzeitmann“. Die weiterführenden Konflikte mit dem angeblich stärkeren Geschlecht rühren in erster Linie aus den hohen Ansprüchen, die nicht nur der Zeitgeist mit sich bringt, sondern vor allem die stetig komplexer werdenden Gemüter und Wünsche der Frauen, die in ihrem Bemühen, in jedes Schema hineinzupassen, auch dem Mann eine zusätzliche Last werden und ihm sein Verlangen nach Bodenständigkeit kaum mehr erfüllen können.

Im Prinzip beschreibt Schumacher sogar den Rollentausch, der sich aus diesem sich beinahe täglich wandelnden Wechselspiel ergeben hat. Galt der Mann seinerzeit als Lenker und Denker, als Vorzeigemodell und Prototyp, ist er nun lediglich derjenige, der sich anpassen muss. Aus dem Macho ist der Pol der Unruhe und Unsicherheit geworden, aus dem selbstbewussten Kerl partiell sogar das Häufchen Elend, das ihn zuvor noch belustigen konnte, und wo Muskeln und Masse in anderen Dekaden die halbe Miete waren, sind sie heute weder Status-Symbol noch Wahrzeichen, sondern vorrangig entmutigende Äußerlichkeiten, die das Mann-sein gewissermaßen sogar peinlich machen.

Diesen Umstand, man möge ihn auch Missstand nennen, greift Achilles/Schumacher mit einer Spitzfindigkeit auf, die zwischen Humor, erschreckender Plausibilität, risikofreudiger Bissigkeit und einer anständigen Portion Selbstironie hin und her schwenkt. Die Beispiele sind dabei verzückend und größtenteils auch Anlass für ein breites Schmunzeln, dann aber gleichzeitig wieder so authentisch und realitätsnah, dass sich gerade dasjenige Geschlecht, welches in „Der Vollzeitmann“ analysiert und persifliert wird, oftmals die Haare raufen wird, weil man sich in vielen Kapiteln auch mehr oder weniger persönlich angegriffen fühlen wird – und daraufhin feststellt, dass dieses ironische Selbstbild doch so treffend ist, dass man eigentlich nur kopfschüttelnd hinnehmen kann, wie die Praxis hier theoretisch und passend nachgestellt wird.

_Ist „Der Vollzeitmann“_ deshalb ein Affront oder gar ein Weckruf? Ist es eine humorvolle Philosophiestudie des maskulinen Zeitwandels? Oder ist es schlichtweg ein unterhaltsames Werk eines begabten Kolumnisten, der es themenspezifisch mal wieder geschafft hat, den Nagel auf den Kopf zu treffen? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen und ist ähnlich skurril wie erheiternd. Außerdem ist das Ganze auch nicht auf ein bestimmtes Zielpublikum zugeschnitten. Die Damen der Schöpfung suchen und finden Bestätigung, die Kontraparts wiederum lernen, über sich selbst und ihre permanente Unbeholfenheit zu lachen – und was beiden gemeinsam ist: Sie werden froh darüber zu sein, diese fantastische Abhandlung gelesen und verschlungen zu haben, da der Entertainment-Faktor eines solchen Werkes kaum größer sein könnte als in diesem ebenso bissigen wie absolut kaufenswerten Buch!

Gebunden: 299 Seiten
ISBN-13: 978-3-517-08531-9
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