Ilona Andrews – Magische Begegnung (Land der Schatten 1)

_Land der Schatten_:
Band 1: _Magische Begegnung_

Nach „Stadt der Finsternis“ veröffentlicht das Autorenduo Ilona Andrews eine weitere Serie mit dem Namen „Land der Schatten“. In „Magische Begegnung“, dem ersten Band, stellen sie eine sehr interessante Fantasywelt vor, die mit der unseren nur wenig zu tun hat.

In der Geschichte gibt es zwei verschiedene Welten. Das Weird ist eine Welt, in der Magie und Adel vorherrschen, das Broken hingegen entspricht dem heutigen Amerika mit Fast Food Restaurants und riesigen Shopping Malls. Zwischen diesen beiden Welt liegt das Edge, eine Art Zwischenwelt, in der die Bewohner zwar etwas Magie beherrschen, aber ansonsten nicht vom Leben verwöhnt sind. Die meisten gehen einem Job im Broken nach, da sie dorthin ohne Probleme wechseln können. Dort haben sie allerdings den Status von Illegalen, was für ihre Situation nicht unbedingt förderlich ist.

Rose Drayton muss nach dem Tod ihrer Mutter und dem Verschwinden ihres Vaters sich und ihre beiden jüngeren Brüder durchbringen. Das ist nicht einfach, wenn man bloß eine Anstellung als Putzfrau findet und einen gewissen Ruf hat. Hinzu kommt, dass Rose, wie jeder Bewohner des Edge, eine besondere Fähigkeit hat. Sie kann weiße Blitze schleudern – allerdings sind Blitze in dieser Reinform ein Privileg der Adeligen im Weird. Da ist es kein Wunder, dass immer wieder Leute aus dem Weird anklopfen und sie zur Frau nehmen möchten.

Eines Tages ist es mal wieder soweit. Der blonde, gutaussehende Declan, ein Adliger aus dem Weird, klopft bei ihr an und macht ihr unverfroren einen Antrag. Sie weist ihn natürlich zurück, doch die Dinge ändern sich im Edge. Merkwürdige Kreaturen greifen die Bewohner an und können durch deren Magie kaum besiegt werden. Declan scheint der einzige zu sein, der mit den Monstern umgehen kann, aber ihn um Hilfe bitten? Diesen arroganten Adligen aus dem Weird?

Mit „Magische Begegnung“ hat das Autorenduo Ilona Andrews eine Serie angefangen, die sich sehr stark von ihrer vorherigen unterscheidet. „Land der Schatten“ spielt in einer ganz anderen Welt, die gut ausgedacht und umgesetzt wurde. Die Idee mit den drei Parallelwelten ist originell. Es fällt zwar bisweilen schwer, sich ein richtiges Bild davon zu machen, aber je weiter man liest, umso besser kann man sich das Edge oder das Weird vorstellen. Die Autoren verquicken dabei Urban Fantasy mit einem Schuss High Fantasy, die beide im Edge aufeinandertreffen. Diese Mischung ist erst etwas gewöhnungsbedürftig, entfaltet aber mit der Zeit seinen Reiz. Besonders gelungen ist der alltägliche Kampf der Edger, der aus ihrer besonderen Situation resultiert.

Gerade Rose hat es da besonders schwer. Im Broken ist der einzige Ort, an dem sie das Geld verdienen kann, mit dem sie anschließend in der selben Welt die Lebensmittel für sich und ihre Brüder kaufen muss. Allerdings hat sie natürlich keine entsprechenden Papiere, wie auch die meisten anderen Edger. Sie ist eine Illegale, die auf die Gunst ihres Arbeitgebers angewiesen ist. Gleichzeitig passt sie auch nicht so richtig ins Edge mit ihrer herausragenden Begabung und dem sehr schlechten Ruf ihrer Familie. Diese Umstände haben sie zu einer knallharten, misstrauischen, gegenüber ihren Brüdern aber auch mal nachgiebige Frau gemacht.

Beim Aufeinandertreffen mit dem arroganten, machohaften Declan sprühen da natürlich die Funken. Die beiden liefern sich amüsante Wortgefechte, die letztendlich in das Unvermeidbare münden: sie verlieben sich. Dies und einiges anderes erinnert stark an Kate aus „Stadt der Finsternis“. Einziger Unterschied ist die Erzählperspektive. Während Kate stets in der ersten Person spricht, erzählt Rose aus der dritten. Den Autoren gelingt es trotzdem, dem Leser ihre Persönlichkeit zugänglich zu machen.

Ebenfalls sehr gelungen sind die Charaktere von Jack und George, Roses Brüdern. Ersterer ist ein Werluchs, der zweite ein Nekromant. Die Autoren schaffen es vorbildlich, die übersinnlichen Begabungen der beiden in ihren Alltag zu integrieren und sie dabei aber noch wie authentische Kinder darzustellen, die mit ihren Gaben noch nicht richtig umgehen können.

Doch die lebendigen Personen und die gut konstruierte Welt können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Handlung sich auf ausgetretenen Pfaden bewegt. Die obligatorische Liebesgeschichte kann kaum Akzente setzen und die Bedrohung durch die Monster entpuppt sich als etwas blutleere Posse eines Machthungrigen. Finten, Überraschungen oder zumindest ein paar schwer zu durchschauende Intrigen sucht man vergebens.

Auch der Schreibstil fällt etwas weniger schwungvoll aus als in der „Stadt der Finsternis“-Serie. „Magische Begegnung“ fehlt es an dem Witz und Esprit, den Erzählerin Kate in der anderen Reihe verbreitet. Dieses Buch ist wesentlich braver, weshalb ihm ab und zu die Höhepunkte fehlen. Etwas mehr Humor, mehr Sprachspielereien hätten ihm gut getan. Trotzdem ist es sauber und flüssig geschrieben. Situationen sind präzise beschrieben, Längen gibt es keine.

In der Summe läuft „Magische Begegnung“ allerdings nicht ganz rund. Trotz einer vielversprechenden Personenkonstellation und einer interessanten Welt fehlt es an richtigen Höhepunkten, sowohl handlungstechnisch als auch vom Schreibstil her.

Broschiert: 432 Seiten
Originaltitel: On the Edge
Deutsch von Ralf Schmitz
ISBN-13: 978-3802583452
http://www.egmont-lyx.de

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