Ange (Autoren) / Alary (Zeichner) – Belladonna 1: Marie

Das Autorenpaar Ange gehört mittlerweile zu den meist angesehenen Vertretern des frankobelgischen Comic-Stils. Hierzulande konnten sie sich vor allem mit den beiden |Splitter|-Serien „Das verlorene Paradies“ und „Die Legende der Drachenritter“ einen Namen machen, welche verdientermaßen mit großartiger Resonanz bedacht wurden (siehe unsere Rezensioen dazu). „Belladonna“ soll nun den nächsten Paukenschlag markieren, und das schon in absehbarer Zeit. Ungewohntermaßen setzen Ange nämlich in diesem Fall ’nur‘ auf einen Dreiteiler!

_Story:_

Paris im Jahr 1680: Am Hofe des Sonnenkönigs werden geheime Intrigen gesponnen und insgeheim bereits die gewaltsame Entmachtung des Throninsassen vorbereitet. Nur mit viel Glück und der Voraussicht der begabten Degenkämpferin Marie, die sich in Gestalt einer Nonne in den Festsaal geschlichen hat, gelingt es, ein Attentat auf Ludwig XIV. zu vereiteln. Der Attentäter, ein ebenfalls begabter Fechter italienischer Herkunft, kann entkommen, bleibt Marie jedoch im Gedächtnis.

Derweil rüstet sich die Geheime Kammer, eine Agentenorganisation, der neben Marie auch der gediegene Maxim angehört, für den angekündigten nächsten Anschlag und bereitet sich unter Aufsicht von Minister Louvois auf einen Gegenschlag vor. Und während Marie all ihre Beziehungen spielen lässt, um mehr über die Hintergründe des Attentats und auch über ihre Vergangenheit zu erfahren, ziehen die nächsten düsteren Nebel über den Königspalast. In Versailles kommt es zum Wiedersehen mit dem kompromisslosen Italiener – und dieses Mal geht er nicht mehr so zimperlich mit seinem Degen um …

_Persönlicher Eindruck:_

Keine Frage: Ein Setting in der Umgebung des Sonnenkönigs ist durchaus gewagt, da der Sektor mit vergleichbaren Beiträgen schon mehrfach überschwemmt wurde. Und nicht nur der Comic-Markt ist reich an thematischen Überschneidungen, auch sein audiovisuelles Pendant, die Anime-Sektion, hat sich zuletzt relativ erfolgreich an Interpretationen versucht, man denke nur an die grandiose TV-Serie „Le Chevalier D’Eon“.

Weniger übersinnlich, dafür aber mindestens ebenso eigenwillig geht es nun in „Belladonna“ zu. Natürlich werden hier wieder einige Klischees aufgegriffen, und gewohntermaßen gibt es auch die berüchtigten Intrigen am Hof des Königs, dargestellt in einem Mordkomplott und seltsamen Verwicklungen im Rücken des Throninsassen. Doch statt ausschließlich auf das majestätische Flair zu setzen, haben sich die Autoren für einen leichteren, näher liegenden Weg entschieden, nämlich eine Figur abseits des Throns zu etablieren, ihr die Hauptrolle zu verpassen und das Geschehen, natürlich um viele fiktive Ergänzungen erweitert, aus einer anderen Perspektive zu beleuchten – und siehe da: Das Projekt schlägt ein!

Dabei ist „Belladonna“ sicherlich eine typische Mantel- und Degen-Story auf der einen Seite. Die Atmosphäre gemahnt an die Dumas-Geschichten, die Action im Gefecht spielt gleichsam keine unbedeutende Rolle, und auch die Charaktere sind zum größten Teil (wenn nicht gerade anrüchig) Edelmänner mit Bezug zum Schwertkampf. Allerdings hat „Belladonna“ auch eine ganz andere Seite, und die spiegelt sich vor allem in den sehr eigensinnigen Charakterzeichnungen wider.

Marie, die Protagonistin dieser illustrierten Erzählung, ist hier als unberechenbare Figur das Prunkstück der Serie. Ungewisse Vergangenheit, mystische Aura, bezaubernd-sympathische Ausstrahlung und eine nicht näher zugeordnete Zugehörigkeit. Mit anderen Worten: Hier schlummert bereits eine Menge Potenzial. Nicht anders schaut es bei den übrigen Kompagnons; die Identitäten werden grob geformt, doch die Feinheiten müssen sich erst künftig herausformen und hinterlassen für die Autoren und auch für die Story noch eine Menge positiven Handlungsspielraum. Typisch Ange, kann man da fast sagen, und da es im Hinblick auf die Reputation der beiden Initiatoren kaum ein lobenswerteres Statement geben könnte, ist die Qualität der Reihe, ausgehend von dieser ersten Episode, bereits klar definiert!

Ein letztes Wort noch zum zeichnerischen Gesamtbild: Alary hat jahrelang für die |Disney Studios| gearbeitet und mehrere Kinofilme mit seinen Beiträgen unterstützt. Diesen Einfluss kann er selbstredend nicht ablegen, jedoch sorgt er auch dafür, dass sich das Gesamtwerk entscheidend von den übrigen Ange-Serien abhebt und auch hier ein hohes Maß an Individualität gewährleistet ist.

Unterm Strich ist also nichts zwingender als eine klare Empfehlung für Inhalt, Story und Visualisierung!

|Originaltitel: Belladone – Marie
48 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-940864-83-3|
http://www.splitter-verlag.de

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