Ange / Guinebaud – Legende der Drachenritter, Die – Band 3: Das leblose Land

Band 1: „Jaina“
Band 2: „Akanah“

_Story_

In der Umgebung des letzten zerstörten Drachens haben die Schwestern der Rache einen immensen Feuerball über das Land gejagt und große Landstriche mit einem Schlag unfruchtbar gemacht. Der ärmliche Bauerssohn Hairin und seine Nichte entdecken auf ihrer Reise die Überreste des Drachenskeletts und brechen ihre Handelsmission vorzeitig ab, um Hairins Bruder Melkarin von ihrem Fund zu berichten. Doch der ist eher entsetzt, weil nicht die erforderlichen Nahrungsmittel und Waren beschafft wurden, und treibt seine Familie gewissenlos zur weiteren Arbeit an.

Unterdessen erwirkt die Drachenritterin Mara einen Passierschein, um nach Westra zu ihrer Familie zu reisen. Dort erfährt sie von der roten Pest, die in der Kleinstadt die ersten Opfer gefordert und ihren Ursprung scheinbar im Flussdelta des Lumak, im so genannten |Teufelsschlund| hat. Mara ist fest entschlossen, sich vor Ort selber ein Bild von der neuen Infektion zu machen.

Als sie dort ankommt, befinden sich auch Hairin und seine zerstrittene Familie in der Umgebung, in der das Übel herrscht. Ein erneuter Bruderzwist, ausgelöst vom böswilligen Melkarin, fordert ein großes Opfer, und gerade als Hairin die Folgen dessen auszukosten versucht, taucht plötzlich ein weiterer Drache auf, um sein dunkles Schicksal zu besiegeln. Doch Mara kann einschreiten und das Schlimmste verhindern.

_Meine Meinung_

Ein komplett neuer Plot eröffnet den dritten Teil der Geschichte um den Bund der Drachenritterinnen, der sich aber in diesem Fall nur zeitweilig wirklich mit den tapferen Damen beschäftigt. Im Mittelpunkt von „Das leblose Land“ steht stattdessen die Geschichte um die beiden ungleichen Brüder Melkarin und Hairin, die nach dem Tod ihres Vaters auf sich alleine gestellt sind und unter Melkarins Führung für die Versorgung ihrer Familie sorgen sollen. Doch Melkarin spielt sich als grausamer Tyrann auf und schenkt seinem jüngeren Bruder lediglich Missachtung und verbale Ohrfeigen. Er duldet kein Nein und kann nicht akzeptieren, dass Hairin nicht derart funktioniert, wie er sich dies wünscht.

Somit überhöht er seine Stellung als neues Familienoberhaupt immer deutlicher und macht sich in Windeseile zum Feindbild der Leserschaft. Andererseits ist bereits relativ früh klar, dass Hairin die aufgestaute Frustration eines Tages entladen wird. Doch es widerstrebt ihm, sich gegen Melkarin zu stellen, weil er seinem Vater kurz vor dessen Tod versprochen hat, die Fürsorge der Familie mitzutragen. Also frisst er jede Anschuldigung, lässt alle Beschimpfungen über sich ergehen und wendet sich auch nicht gegen körperliche Gewalt. Bis eines Tages erwartungsgemäß das Fass überläuft.

Im Laufe dieser Beziehungsgeschichte wird im Verborgenen auch das Verhältnis zwischen Eleanor und ihrem Vater Melkarin beschrieben. Das tapfere Mädchen trägt gehörig dazu bei, dass dessen Familie regelmäßig mit Nahrungsmitteln versorgt wird, doch für ihren Erzeuger spielt dies nur eine untergeordnete Rolle. Nichts ist ihm gut genug, und daher verdient Eleanor seiner Meinung nach auch keine Beachtung. Dass sie eine ganz spezielle Beziehung zu Hairin aufbaut, ist eine logische Konsequenz, schließlich begleitet er sie bereits seit frühester Kindheit. Aber auch das sieht Melkarin nicht gerne.

Während diese seltsame Familie in Disharmonie lebt und streitet, begibt sich Mara fest entschlossen in den Teufelsschlund, um dem als Übel propagierten Virus auf die Schliche zu kommen. Ihr Weg startet dabei ohne Rücksicht auf Verluste und ist mitunter auch sehr blutig. So übt sie bereits in ihrer ersten Auseinandersetzung einige gezielte Schwerthiebe aus und schaltet die gesamte Truppe der Brückenwächter, die ihren Passierschein nicht bedingungslos akzeptieren wollen, kurzerhand aus. Aber auch im weiteren Verlauf zeigt sie sich von sämtlichen Entwicklungen unbeeindruckt. Die von den Schwestern der Rache verursachte Ödnis lässt sie ebenso kalt wie das Schicksal eines jungen Mädchens. Für sie zählt nur die endgültige Vernichtung der Drachen, und als die Kune von einer neuen Pest umgeht, weiß Mara ganz genau, woher die jüngste Bedrohung stammt. Weitere Drachen säumen das Land – und ihre Mission kann nur darin bestehen, ihre Zahl zu reduzieren bzw. sie komplett auszulöschen.

Die dritte Episode von „Die Legende der Drachenritter“ ist in atmosphärischer Hinsicht nicht ganz so dicht geschrieben wie die ersten beiden Bände. Zwar sind die beiden parallel aufeinander zulaufenden Handlungsstränge beide recht spannend (und in diesem Fall auch ziemlich finster) aufgebaut, aber aus unerfindlichen Gründen will der Funke in „Das leblose Land“ nicht gänzlich überspringen. In jedem Fall ist es bisweilen schwierig, eine Sympathie oder sogar eine unterschwellige Identifikation zu den Charakteren herzustellen, da diese sich teilweise enorm merkwürdig verhalten und ihr Handeln oft nur schwer nachzuvollziehen ist. Die eigentliche Hauptakteurin unterscheidet sich diesbezüglich indes nicht wirklich von ihren bisherigen Vorgängerinnen, ist aber nicht der zentrale Punkt der Story, was den Zugang zu ihr sicherlich erschwert. Punktuell greift sie ins Geschehen ein, doch weil die Geschichte stellenweise ziemlich sprunghaft verläuft, kann man mit ihr nicht richtig warm werden.

Hairin hingegen, der von Anfang an in die Opferrolle als der geschundene Bruder gedrängt wird, hat auch keine besonderen Eigenschaften, die man als Leser schätzen würde. Vor allem seine kurzweiligen Ausbrüche widersetzen sich jeglicher Logik, weil sie jedes Mal zeigen, wie Hairin seine aufgestaute Wut an anderen Menschen kanalisiert, ohne dass dies begründet oder vernunftmäßig erscheint, geschweige denn zu seinen eigentlichen Wesenszügen passen will. Die einzige Person, die hier glaubhaft dargestellt ist, bleibt der offensichtliche Bösewicht Melkarin, der knallhart an seiner harten Gangart festhält, sich somit auch des Hasses der Leserschaft gewiss sein kann, dafür aber zumindest konsequent handelt.

Die Story wird von diesen eher schwach eingeführten Charakteren entsprechend geprägt. Das Autorenteam Ange legt großen Wert auf eine genaue Ausprägung der Figuren, was sich innerhalb des Plots in vielen detailgetreuen Profilzeichnungen darstellt, aber nicht effizient für die Erzählung genutzt werden kann. Hier liegt womöglich auch der entscheidende Schwachpunkt, der „Das leblose Land“ im Vergleich zu den ersten beiden Storys ein wenig ins Hintertreffen geraten lässt. Es steht zwar nichtsdestotrotz außer Frage, dass die Geschichte ordentlich erzählt und toll gezeichnet ist, doch realistisch betrachtet bringt der dritte Band die Serie nur unwesentlich voran.

http://www.splitter-verlag.de/