Ange / Xavier, Philippe – verlorene Paradies, Das – Band 3: Paradies

Band 1: [„Hölle“ 3712
Band 2: [„Fegefeuer“ 3713

_Story_

Verbannt aus dem Himmel und seiner Engelswürde beraubt, kehrt Gabriel auf die Erde zurück und erblickt dort ein wahrhaft fürchterliches Szenario. Die Bürger leben in Angst und Schrecken und sind den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert, ohne dabei zu wissen, dass das drohende Ungleichgewicht, das nach dem Krieg zwischen Himmel und Hölle bevorsteht, für diese Entwicklungen verantwortlich ist. In einem kompromisslosen Rachefeldzug bricht Gabriel durch die Tore über eine Zwischenpassage erneut zu seinen alten Befehlshabern auf, um ihnen die Augen zu öffnen, vor allem aber auch seinen Schützling Julien zu schützen, den der führende Engel sich einst zunutze gemacht hat, um seine kriegerischen Absichten zu verwirklichen.

Juliens Kraft ist derweil angewachsen; der Konfrontation mit der Dämonin Anya, Gabriels Geliebter, trotzt er mit einem einzigen Handgriff und verdeutlicht damit seine Stellung als das Machtinstrument des naiven Engelsheers. Doch als Gabriel schließlich in den Himmel zurückkehrt und eine chaotische Rebellion auslöst, wird sich der Junge bewusst, dass er eventuell doch nicht der erhoffte Retter sein könnte, der das Paradies herbeiführen wird. Als schließlich die Horden der Hölle den Himmel stürmen, müssen sogar alle Engel einsehen, dass sie einem schrecklichen Irrtum erlegen sind …

_Meine Meinung_

Mit zunehmender Erzähldauer wird die Geschichte um Gabriel, Julien, Anya und die selbstgerechten Vertreter aus Himmel und Hölle immer komplexer und ausgefallener. Die Fronten verhärten sich und deuten hinter allerhand Gutgläubigkeit im Himmelsreich bereits den befürchteten Krieg an, in dem Gabriels ehemalige Verbündete sich endgültig die Verbannung der höllischen Geschöpfe erhoffen.

Die Bestie ist bereits erweckt, doch mit Juliens Hilfe soll sie endgültig vernichtet und somit die Vormachtstellung des Himmels besiegelt werden. Doch während Gabriels unfreiwilliger Rückkehr zur Erde hat der ehemalige Portalwächter zur Himmelspforte gesehen, welche Folgen die übermenschlichen Machenschaften beider Seiten haben. Die Welt wird von einem permanenten Erdbeben erschüttert, und allerorts entstehen Szenarien von Verderben und Zerstörung – Dinge, die Gabriel sich selbst in seinen schlimmsten Träumen nie ausgemalt hatte. Für ihn galt bislang immer nur die Treue und Unterwürfigkeit und somit das Pflichtbewusstsein, seine Aufgabe makellos auszuführen. Doch mit den wachsenden Selbstzweifeln und der endgültigen Enthebung seines Dienstes hat sich seine Perspektive drastisch gewandelt. Er war eingetreten, um die Bestie auszurotten und das Paradies herbeizuführen, doch als Dank für seine Dienerschaft blieb ihm nur eine Liste mit Anklagen, die ihn in die jetzige Situation brachte und den Hass auf diejenigen schürte, die sich der Realität anscheinend schon seit ewiger Zeit verschlossen haben.

Gabriel schwört Rache und unternimmt alles in seiner Macht Stehende, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Ohne Gnade kämpft er sich empor, schlachtet ehemalige Verbündete ab und stellt sich den Widersachern, die sich für unantastbar halten. Bis zur Pforte zum Paradies dringt er vor, entdeckt aber dabei die Scheinheiligkeit dieses Ortes und beschließt nun erst recht, eine Revolution der rohen Gewalt über die Engel hereinbrechen zu lassen. Der Zeitpunkt könnte kaum besser sein: Die Schergen der Hölle stehen vor dem Tor – und der lange angekündigte Krieg kann endlich beginnen.

Abseits davon beginnt Julien seine Stellung zu erforschen und erprobt seine Kräfte an der überheblichen Anya. Darauf aufbauend hofft er, die ihm auferlegte Mission souverän zu lösen und seine neuen Verbündeten zufrieden zu stellen. Aber als das Chaos über den Himmel hereinbricht, kehrt er unverhoffter Dinge auf die Erde zurück. Traum oder Realität? Als Julien auf Gott trifft, fühlt er sich endgültig seiner Orientierung, aber auch seines Glaubens beraubt. Welche Rolle spielt er nur in diesem finsteren Machtspiel?

Es ist mitunter schwer, den Gedankensprüngen des Autorengespanns im dritten Teil der Serie zu folgen. Zu konfus sind phasenweise die Ideen, zu undurchsichtig die Wendungen. Lediglich Gabriels strikter und äußerst brutal aufgearbeiteter Weg zurück in den Himmel ist linear dargestellt und beschreibt dabei auch das hohe Tempo, mit dem man sich in „Paradies“ über weite Strecken bewegt. Doch am Ende verbindet sich die hohe Geschwindigkeit erneut mit einigen sehr philosophischen Ansätzen, sodass schlussendlich viele Fragen im Raume stehen bleiben, die man gerne schon hier beantwortet hätte – was aber natürlich nicht geschieht.

Unklar ist vor allem die Stellung Juliens und Anyas. Immer wieder säumen sie das Bild, und bei jedem Auftreten verrät ihre Ausstrahlung etwas komplett anderes über ihre allgemeine Rolle. Selbst der kleine Junge, der einst quasi als Opfer in die Sache hineingerutscht ist, schwankt zwischen den Parteien und wird damit zu einem entscheidenden Teil der Entwicklung zu einer noch komplexeren Handlungsstruktur. Dieser Schritt ist an sich zwar gar nicht zu kritisieren, doch wünscht man sich an gewissen Stellen schon ein bisschen mehr Transparenz, um der Story auch mit vollem Verständnis folgen zu können. Und dieser Aspekt ist in manchen Passagen dieses dritten Bandes einfach nicht gegeben.

Dennoch bleibt der Gesamteindruck letztendlich ein durchaus positiver, weil die beklemmende Atmosphäre des Plots sich einerseits noch verdichtet und die Wendungen, die die Geschichte nimmt, trotz der aufgezählten Schwierigkeiten, sehr interessant sind. Die Spannung ist mittlerweile auch auf einem Level angelangt, bei dem eine weitere Steigerung kaum noch möglich scheint, auch wenn das überraschende Ende für die weitere Zukunft eine weitere Intensivierung suggeriert. Insofern kann man sich auch auf einen weiteren Teil einer sehr eigenwilligen, wenn auch mit leichten Einschränkungen in der fehlenden Linearität der Story packenden Serie freuen, mit der die beiden Autoren einmal mehr ihre Sonderstellung als extravagante Künstler im Comic-Bereich unter Beweis gestellt haben. „Paradies“ führt die Reihe ansprechend und überzeugend fort und macht definitiv Lust auf mehr.

http://www.splitter-verlag.de

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