Johann August Apel – Der Freischütz (Gruselkabinett 15)

Nur aus Liebe? Teufelspakt im Geisterwald

Gruselkabinett (15): Eine kürfürstliche Gegend um 1800: Der junge Amtschreiber Wilhelm liebt des Försters Tochter Käthchen. Die einzige Möglichkeit, den Vater dazu zu bewegen, ihm die Hand der Geliebten zu gewähren, besteht für Wilhelm darin, sich als sein würdiger Nachfolger in der Erbförsterei zu erweisen. Leider ist er alles andere als ein sicherer Schütze. Wilhelm ist jedoch jedes Mittel recht, das kurfürstliche Probeschießen zu bestehen – sogar ein Pakt mit dem Teufel …

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.

Der Autor

Johann August Apels (1771-1816) Erzählung ist die Vorlage zu Carl Maria von Webers berühmter, gleichnamiger Oper. Ein literarischer Schatz aus der Zeit der schwarzen Romantik, der nun erstmals als atmosphärisches Hörspiel vertont wurde. (Verlagsinfo)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher:

Wilhelm: Marius Clarén (u. a. dt. Stimme von Tobey Maguire)
Förster Betram: Jochen Schröder (James Cromwell)
Anne, seine Frau: Dagmar von Kurmin
Käthchen, seine Tochter: Luise Helm (Scarlett Johansson)
Rudolf, Jägerbursche: Tobias Kluckert (Tyrese Gibson, Colin Farrell in „The New World“)
Stelzfuß: Jürgen Thormann (Michael Caine, Max von Sydow)
Hexe: Inken Sommer („Lwaxana Troi“ in „Star Trek“)
Geisterkutscher: Kammerschauspieler Heinz Ostermann
Geist der Mutter: Evelyn Maron (Kim Basinger)
Samiel: Norman Matt (Jonathan Rhys-Meyers)
Kommissarius des Kurfürsten: Uwe Büschken (Matthew Broderick, Hugh Grant)
Gefängniswärter: Jürg Löw

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand im Studio AudioCue, Rotor Musikproduktion, Scenario Studio und bei Kazuya statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

Hörprobe: http://www.titania-medien.de/gruselkabinett__15.php (ohne Gewähr)

Handlung

|PROLOG|

In seinen Albträumen hört der Försterbursche Wilhelm Schüsse. Schüsse mit drei verhexten Kugeln. Und ein teuflischer Geist lacht dazu: „Du bist mein, Wilhelm!“ Der junge Mann wälzt sich auf einem Strohlager, das man ihm in einem Einzimmerapartment bereitet hat: im Kerker. Sein Gefängniswärter ist jedoch kein Unmensch, sondern erklärt sich gegen ein kleines Entgelt bereit, dem Gefangenen Papier, Feder und Tinte zu holen. Wilhelm schreibt seine Erinnerungen nieder. Wie konnte ihn das Schicksal nur in diese missliche Lage bringen? Denn am folgenden Morgen soll er öffentlich hingerichtet werden. Vorher will er wenigstens seine Seele erleichtern.

|Binnenhandlung|

Weil Wilhelm bereits mit 17 Jahren seine Eltern verloren hat, wird sein Onkel zum Vormund bestimmt. Dieser Amtmann will aus dem Jungen einen von Seinesgleichen machen, doch als er die Lehre im Jahr 1800 abschließt, steht Wilhelm der Sinn nach etwas ganz anderem als dem Herumschubsen von Aktenbergen: Er ist bis über beide Ohren in die Tochter des Försters Bertram verliebt. Käthchen würde ihm auch allzu gerne ihre Hand geben, und ihre Mutter Anna hätte auch nichts gegen den feschen Jüngling. Doch der alte Förster sorgt sich um seine Nachfolge im Revier des Kurfürsten und will partout nur einen Förster zum Schwiergersohn.

Da kann Wilhelm nur erleichtert lachen. Bevor ihn sein Vormund in die Lehre schickte, hat er zwei Jahre lang praktische Erfahrung in der Jägerei gesammelt. Käthchen hüpft das Herz in der schönen Brust, und tatsächlich dauert es nicht lange, bis Wilhelm ihre Hand versprochen bekommt. Es gibt nur noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen. Beim Abendessen erzählt man ihm von Urahn Kuno, der der erste Förster in diesem Revier war. Missgünstige Gemüter erzählen bis heute, sein Meisterschuss sei nicht von den Engeln geleitet worden, sondern vom Teufel, also ein so genannter „Freischuss“ gewesen. Seitdem sei vor der Försterwahl immer eine Schießprüfung nötig. Der Vertreter des Kurfürsten werde sie beizeiten ansetzen.

Doch wie es manchmal so seltsam geht: Mit dem Wachsen der Liebe zu Käthchen schwindet Wilhelms Glück auf der Jagd. Er bringt immer lausigere Beute heim. Das Gewehr sei verhext, sagt sein Rivale, der Försterbursche Rudolf. Um dem abzuhelfen, soll Wilhelm nachts auf den Kreuzweg und auf Samiel warten, den Seelensammler Satans. Davon hat Wilhelm noch nie gehört. Doch bei einem weiteren Fehlschuss beschwört er Samiel und ein kleines Männlein taucht auf, das sich als Stelzfuß vorstellt. Er gibt Wilhelm eine besondere Kugel, die auch prompt den gewünschten Erfolg zeitigt: Dieser Schuss holt einen schnellen Falken vom Himmel. Stelzfuß gibt Wilhelm mehr Kugeln, und dieser hofft, damit das Probeschießen beim Kurfürsten bestehen zu können.

Doch das Schicksal scheint sich gegen ihn verschworen zu haben. Das Schießen wird verschoben, und schon nach kurzer Zeit ist der Vorrat aufgebraucht, weil der Förster mehr Wild liefern soll. Was tun? Da erzählt Förster Bertram vom Freischützen Georg Schmidt, der einmal beim Kreuzweg nachts verweilte und wahnsinnig wurde. Er wollte seine eigenen Freikugeln gießen und musste einen kleinen Fehler bitter büßen. Das Ritual ist genau vorgeschrieben: Es muss ab elf Uhr nachts genau eine Stunde dauern, der Mann muss in einem Zauberkreis stehen und darf diesen nie verlassen. Doch die Geistererscheinungen jagten Georg solches Grauen ein, dass er den Bannkreis verließ – der Teufel holte seine Seele …

Na, jetzt weiß Wilhelm ja genau Bescheid, wie er es anstellen muss, 63 Zauberkugeln zu gießen. Doch erstens gibt es jede Menge warnende Vorzeichen und zweitens wollen ihn seine Schwiegereltern in spe und Käthchen von nächtlichen Ausflügen abhalten. Nur auf den letzten Drücker gelingt es ihm, in den Wald zum Kreuzweg zu gelangen und dort das Ritual zu vollziehen …

Am nächsten Tag findet das Probeschießen auf dem kurfürstlichen Schloss statt. Seine Lügen haben Käthchen, die von bösen Vorahnungen erfüllt ist, kaum beruhigen können. Doch noch immer gilt ihr Versprechen, sie werde ihn heiraten und ihm bis zum Tode treu bleiben, sobald er die Anstellung als Förster errungen habe. Sie hält ihr Versprechen aber auf eine fürchterliche Weise, die sich Wilhelm nie und nimmer vorzustellen gewagt hätte …

Mein Eindruck

Dass ein Teufelspakt eine gefährliche Sache ist, wissen wir ja spätestens seit der Sache mit Dr. Faustus. Auch bei ihm war eine Frau im Spiel: Erst das brave Gretchen, dann sogar die schöne Helena. Wilhelm, der Försterbursche, hat nicht so hochfliegende Pläne, aber auch ihm steht der Sinn nach einer Frau. Und was tut mann nicht alles für die Liebe.

Interessant ist die Erzählung durch die Art und Weise, wie sich der Teufel präsentiert und die Seelen braver Christenmenschen holt. Da gibt es zunächst den Seelensammler Stelzfuß, der sozusagen den Werber spielt und die Leimrute der Versuchung auslegt, um den Vogel zu fangen: Wilhelm geht ihm denn auch auf den Leim, wie man so bildlich sagt, und alle seine Pläne scheitern, dem Teufel ein Schnippchen zu schlagen. Obwohl ihm das Freikugelgießen formidabel gelingt, er etliche Geister abwehrt und sogar Samiel eine Nase dreht, ist sein Schicksal besiegelt. Denn er gießt drei Kugeln, die dem Satan persönlich geweiht sind. Dafür muss er einen hohen Preis zahlen.

Die Frage ist am Schluss natürlich, ob er im Augenblick seiner Hinrichtung ein Verdammter ist oder seine Seele noch eine hauchdünne Chance auf Erlösung hat. Das ist auch genau jene Kardinalfrage, auf die Goethe in seinem „Faust II“ eine Antwort gesucht und gefunden hat. „Wer ewig strebend sich bemüht, den können wir erlösen“, singen die Stellvertreter des Himmels. Ob sich Wilhelm stets redlich bemühte, lässt sich durchaus bejahen, und auch seine schrecklichen Verbrechen beging er nur aus Liebe. Dass er obendrein auch noch Reue zeigt und schriftlich Buße ablegt, sollte ihm eigentlich auf dem himmlischen Sündenkonto einen dicken Bonus eintragen. Wie die Sache ausgeht, werde ich aber nicht verraten.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Dies ist nicht nur Kino für die Ohren, sondern auch noch Hollywoodkino. Denn hier sprechen nicht irgendwelche Sprecher, sondern die deutschen Stimmen bekannter Stars aus der amerikanischen, englischen und französischen Filmgeschichte – siehe oben. Dass diese Profis eine solide Performance abliefern, versteht sich fast von selbst, und der Hörer kann entsprechend zufrieden sein.

Einige Szenen sind für den heutigen Geschmack durchaus ansprechend gestaltet, und vor allem die Geistererscheinungen sind stilecht und wirkungsvoll aufgebaut. Allerdings ist die Story an sich bereits ziemlich melodramatisch: Es gibt jede Menge böse Omen, Fingerzeige und Vorahnungen, von Albträumen ganz zu schweigen – sie alle dienen dazu, die Spannung zu steigern. Das Finale ist natürlich entsprechend bewegend gestaltet: ein doppelte Katastrophe – und bestimmt hat dabei der Teufel seine Finger mit im Spiel. Oder?

Solche geübten und prestigeträchtigen Sprecher und Sprecherinnen einzusetzen, gehört zum Marketing von Marc Gruppe bzw. |Titania Medien|. Hinzu kommen jeweils traditionsreiche Schauergeschichten, die den nötigen emotionalen Rahmen für die Entfaltung solcher Stimmtalente liefern. Zu Anfang waren es eher unbekannte Geschichten wie etwa Launs „Totenbraut“, doch mittlerweile wagt sich Marc Gruppe an die Klassiker heran.

Nach den Weihnachtsstandards von Charles Dickens’ „Frohe Weihnachten, Mr. Scrooge“ und Burnetts „kleinem Lord“ nimmt sich der Produzent zentraler Stoffe an. „Frankenstein“ macht den Anfang, dann folgt im April 2007 „Dracula“. Wer weiß, wozu Marc Gruppe und sein Team noch fähig sind. Ich bin bereits gespannt.

Geräusche

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen sehr dicht und realistisch aufgebaut. In der eröffnenden Kerkerszene raschelt das Stroh, man hört ein Keuchen und Stöhnen: Wilhelm hat einen Albtraum. Später schreibt er seine Erinnerungen nieder, und das Papier raschelt, die Gänsefeder kratzt. Die Turmuhr schlägt zwölfe – Mitternacht. Man muss genau mitzählen, um dies zu erkennen. Wilhelm hat genau sechs Stunden für seine Beichte, danach heißt es um sechs: Kopf ab!

Musik

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder, und das klingt dann etwas anders als in Webers bekannter Oper. So beginnt etwa Wilhelms Lebensgeschichte mit einer zarten und klagenden Oboe: Die Vollwaise sucht ihre Bestimmung. Sobald sich Käthchen am Fenster zeigt, erklingt heitere Orchestermusik. Sobald Vater Bertram sein Plazet gegeben hat, ertönt sogar flotte Tanzmusik.

Diese heitere Stimmung verfliegt jedoch rasch, je mehr Misserfolge sich einstellen, und vollends düster und unheilvoll wird die Musik, als Wilhelm der dunklen Seite seiner Seele und den Einflüsterungen des Stelzfußes nachgibt. Die mahnenden Stimmen in Wilhelms Kopf sind durch Hall als solche gekennzeichnet. Der dramatische Höhe- oder vielmehr Tiefpunkt ist die Szene am Kreuzweg. Hier darf sich der Leser alle möglichen Instrumente vorstellen, die eine geisterhafte Stimmung erzeugen. Wieder ruft das allgegenwärtige Käuzchen (es war schon beim Fensterln ein unheimlicher Zeuge) und die Turmuhr zeigt das Verstreichen der Zeit an (wieder heißt es hier: mitzählen).

Der Wind tost in den Bäumen, das Feuer prasselt, als Wilhelm seine Zauberkugeln gießt. Der Spuk beginnt, um ihn aus seinem Schutzkreis zu treiben: erst eine Hexe, die ihn ziemlich knusprig findet; dann eine heranbrausende Kutsche mit Geisterpferden. Wilhelm hält stand. Doch ob er auch gegen drohend knurrende Wölfe und flatternde Fledermäuse bestehen kann? Das i-Tüpfelchen bildet das höhnische Lachen Samiels selbst.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

Das Booklet

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Unterm Strich

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Für den jungen Zeitgenossen, der sich scheut, eine so angestaubte Oper wie Webers „Der Freischütz“ anzuhören (allein schon die Arie „Wir winden dir den Jungfernkranz“ könnte mich in die Flucht schlagen), bildet das Hörspiel eine durchaus erträgliche Alternative.

Aber auch junge Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermittelt das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Koste greifen. Die Hörbücher der „Necroscope“-Serie von Brian Lumley dürften eine ausreichend starke Dosis verabreichen.

65 Minuten auf 1 CD
http://www.titania-medien.de
https://www.luebbe-audio.de

Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)