Apel, Johann August / Gruppe, Marc – Freischütz, Der (Gruselkabinett 15)

_Story_

Eine kurfürstliche Gegend um 1800: Der Amtsschreiber Wilhelm und seine Geliebte Käthchen planen insgeheim ihre baldige Vermählung, benötigen hierzu aber die Zustimmung vom Vater des jungen Mädchens. Allerdings hat dieser klare Vorstellungen, was den Bräutigam seiner Tochter anbelangt, und erwartet, dass sich Käthchen mit einem Förster vermählt. Weil Wilhelm diese Voraussetzungen nach Meinung des alten Herrn aber nicht erfüllt, kommt für ihn keine Hochzeit in Frage.

Dem Amtsschreiber gelingt es aber dennoch, Käthchens Vater Bertram durch Erzählungen von seiner zweijährigen Ausbildung zum Jäger zu überzeugen. Nun muss er nur noch die alte Familientradition aufrechterhalten und zu einem festgeschriebenen Termin das kurfürstliche Probeschießen überstehen. Doch je näher der Tag des entscheidenden Schusses rückt, desto unsicherer wird der offenkundig mäßige Schütze. Ständig geht er bei der Jagd leer aus und erhöht somit die Skepsis des Hausherren. Erst als er des Nachts auf den merkwürdigen Stelzfuß trifft und von ihm Kugeln erhält, mit denen eine absolute Treffsicherheit garantiert ist, ist er optimistisch, den Probeschuss zu bestehen. Jedoch geht sein Kontingent an so genannten Freikugeln sehr schnell zu Neige. Vor lauter Verzweiflung lässt sich Wilhelm auf eine okkulte Zeremonie ein, bei deren Gelingen ihm weitere Freikugeln zugesprochen werden sollen. Gewarnt durch Erfahrungsberichte, macht sich der Freischütz Wilhelm auf den Weg in den Wald, um dem Stelzfuß erneut zu begegnen. Doch dieses Mal soll das Aufeinandertreffen weitaus schlimmere Folgen haben als zuvor …

_Meine Meinung_

„Der Freischütz“ von Johann August Apel ist die mit Abstand untypischste Story aus dem „Gruselkabinett“ von |Titania|. Zumindest wird dieser Eindruck nach dem ersten Drittel der Erzählung geweckt. Bis dorthin entwickelt sich die Geschichte nämlich eher einem Märchen gleich als einer gruseligen, gar horrorlastigen Story. Die Dialoge sind zumeist gezeichnet von nichtssagenden Inhalten, und das ständige Gerede von der Liebe zwischen Käthchen und Wilhelm sowie die fortwährende Erwähnung des Probeschießens strapazieren das Nervenkostüm (für diese Serie) ungewöhnlich hart, so dass man bereits frühzeitig dazu geneigt ist, „Der Freischütz“, zumindest in diesem Rahmen, zu disqualifizieren. Doch da hat man die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

In der zweiten Hälfte offenbaren sich nämlich dann erst das wahre Ausmaß der Handlung und die Hintergründe für den Tod am Galgen, der der erzählenden Figur Wilhelm alias Marius Claren unmittelbar bevorsteht. Er als Protagonist erzählt die Geschehnisse aus seiner Sicht einen Tag vor seiner bevorstehenden Hinrichtung und betont dabei vorrangig das subjektive Empfinden der frustrierten, verzweifelten Hauptfigur. Es geht zunehmend mehr um seine Ängste und den sich mehrfach anbahnenden Wahn, der ihm jegliche Vernunft nimmt und ihn schließlich dahin führt, über ein satanisches Ritual seine befürchtete Bestimmung zu verändern.

Vom Zeitpunkt an, an dem man mehr über die Legende von Bertrams Urahnen Kuno, der ebenfalls angeklagt wurde, mit dem Teufel im Bunde zu sein, erfährt, steigt auch die Spannungskurve und die Relevanz des zunächst gar nicht gruseligen Inhalts. Konsequent wird der Zuhörer in die mysteriösen Geschehnisse in Wilhelms Umgebung einbezogen, bis er mit Erschrecken feststellen muss, zu welch fanatischen Aktionen der unbegabte Gewehrschütze aus reiner Liebe Käthchen gegenüber fähig ist. Als Freischütz kann der Lehrling des Försters schließlich kaum mehr vernünftige Entscheidungen treffen, ist zudem vom Grauen der finsteren Erscheinungen, die ihn bei seiner Zeremonie heimgesucht haben, verwirrt und wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich diesen einen Schuss abzufeuern, um dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Und der Schuss soll kommen, und mit ihm Dinge, die Wilhelm sich nicht einmal in seinen finstersten Nachtmahren erträumt hätte.

Nach der anfänglichen Skepsis entwickelt sich die Geschichte um den vom Schicksal geplagten Amtsschreiber schließlich doch noch zu einem atemberaubenden Hörereignis mit einer erschreckenden Tragik. Dank der ambitioniert auftretenden Sprecher und den stets rasanter werdenden Entwicklungsschritten wird die Diskrepanz zwischen beschaulicher Märchenromantik und beklemmender Dramatik letztendlich überwunden, bis dann schließlich das bitterböse Ende jegliche Zweifel ausräumt, ob „Der Freischütz“ ein würdiger Vertreter dieser prestigereichen Reihe ist – denn das ist die Geschichte, vor allem wegen der spannungsgeladenen zweiten Hälfte definitiv. Schade nur, dass die Story so erschreckend belanglos beginnt. Es mag zwar sicher so sein, dass das Original inhaltlich kaum mehr hergibt als diese ersten flachen Dialoge, doch bislang ist es für Regisseur Marc Gruppe und sein Team noch nie ein Problem gewesen, selbst solche Schwierigkeiten auszuhebeln. Sei’s drum: „Der Freischütz“ ist trotz allem ein hörenswertes Gruselerlebnis, das seinen Platz im „Gruselkabinett“ meines Erachtens auch verdient hat.

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