Die Serie nährte sich zu Beginn der Neunzigerjahre dem Ende ihrer amerikanischen Wurzeln, bald schon sollten nur noch deutsche Autoren weitere ???-Geschichten verfassen. „Das Gold der Wikinger“ gehört jedoch noch zu jenen Klassikern, in denen immer noch Alfred Hitchcock ein Wörtchen mitzureden hat. Fiktiv, versteht sich. Der große Regisseur hatte der Serie damals seinen guten, zugkräftigen Namen verliehen oder besser gesagt: verkauft. In Deutschland erschien die vorliegende Story 1989 und bekam – obwohl die Buchveröffentlichungen anderen Gesetzen gehorchen – als |EUROPA|-Hörspiel die 45 verpasst. Das allerdings nur zu rein informativen Zwecken, um sie halbwegs zeitlich einordnen zu können, denn die Romane besitzen keinerlei Nummerierung.
_Zur Story_
Im Auftrag von Bobs Vater sind die drei Jungs mit ihrem Angelboot unterwegs, um Fotos einer lokalen Festivität zu schießen. Das soll etwas Geld in die derzeit klamme Kasse des Detektivbüros spülen. Alle fünf Jahre trifft sich die angesehene Familie Ragnarson auf der noch ihr benamsten Felseninsel „Ragnarson Rock“, um ein Spektakel zu veranstalten – dabei geht’s um die Ankunft des aus Norwegen stammenden Familiengründers, welcher 1849 auf jener Insel nach einem Schiffsunglück strandete. Mit Hilfe eines dort gefundenen Indianerkanus gelang ihm die Überfahrt zum Festland, wo ein großer Teil der Familie auch heute noch in Rocky Beach wohnt. Zwar hat er sich damals nicht wirklich mit den ortsansässigen Indianern angelegt, doch Legendenbildung fußt bekanntlich nur selten auf Tatsachen.
So hat sich die Tradition entwickelt, dass sich bei dem Fest Angehörige und Freunde teils als Wikinger, teils als Chumasch-Indianer verkleiden und einen symbolischen Kampf ums Eiland führen. Hernach bleibt man auf der Insel und feiert eine Woche lang feucht-fröhlich. Doch diese Jahr läuft einiges schief. Nicht nur, dass die drei Jungs nahe der Insel auf ein herrenloses Anglerboot stoßen, wobei die vorliegenden Spuren auf einen blutigen Zwischenfall schließen lassen. Nein, auch an Land gibt es keine Atempause. Einer der Ragnarsons fordert erst mit finanziellem Anreiz, dann unverhohlen drohend die Herausgabe der Filme mit den Bildern, muss aber mit leeren Händen abziehen, als Hauptkommissar Reynolds auftaucht.
Am nächsten Tag wird Bob von einem mysteriösen Pick-up verfolgt und letztendlich in den Straßengraben abdrängt. Die beiden Insassen können die Negative zwar in ihre Finger bekommen, doch Justus hatte im Labor der drei ??? bereits Abzüge erstellt, sodass die Juniordetektive wenigstens nicht mit leeren Händen dastehen. Bei ihren Ermittlungen stoßen die drei auf einige interessante Details der Familienvergangenheit, auf einen vermeintlichen Geist und werden von den Ragnarsons offiziell engagiert, um weitere seltsame Begebenheiten auf der Insel zu untersuchen. Dort verschwinden Gegenstände, gespenstische Gestalten taumeln durch den nächtlichen Nebel und schauriges Wolfsgeheul sowie irres Gelächter haben bereits viele Partygäste zermürbt und ihnen das Fest verleidet.
_Eindrücke_
William Arden war in der Vergangenheit immer für eine interessante Geschichte gut und auch der im amerikanischen Original „[…] Wrecker’s Rock“ (sinngemäß: Schiffbruchfelsen) treffender betitelte, doch in Deutschland in „Gold der Wikinger“ umbenannte Fall ist einer der komplexeren Art, was sich auch schon in der leicht überdurchschnittlichen Seitenzahl von 142 widerspiegelt. Für gewöhnlich hat das typische Drei-Fragezeichen-Buch davon exakt 128. Es sind eine Menge unterschiedlicher Fäden gegen Ende zusammenzuweben, was auch befriedigend schlüssig gelingt. Der Plot teilt sich in mehrere Schauplätze und Stränge auf, was grundsätzlich zu begrüßen ist, und anders als im Hörspiel tragen auch Peter und Bob ihr nicht geringes Scherflein zum Gelingen bei.
Allerdings merkt man der Serie zu diesem Zeitpunkt bereits eine leichte Ideenarmut an; es finden sich eine ganze Reihe Elemente aus früheren Fällen wieder. Ganz besonders stark fühlt man sich an „Phantomsee“, „Geisterinsel“ und „Roter Pirat“ erinnert. Ganz ohne wiederkehrende Klischees aus der eigenen Serie kommt man natürlich nicht aus, damit ist auch nicht die berühmte Karte der drei ??? gemeint, welche als absolut unvermeidlicher Running Gag in jeder Geschichte vorkommt. Es sind vielmehr das Herumreiten auf Justus‘ Leibesfülle, Peters Überängstlichkeit und die fast schon legendäre Skepsis der Erwachsenen dem Trio gegenüber – diesmal ausgerechnet von Bobs ansonsten so aufgeschlossenem Vater. Das alles ist aber weniger störend. Etwas anderes nervt aber schon länger, und das sogar immer stärker, je weiter die Reihe voranschreitet.
Die Rede ist von „Alfred Hitchcock“ und „seinen“ mehr oder minder hilfreichen Zwischenkommentaren. Waren diese früher feinsinnig und -humorig, haben sie sich im Laufe der Zeit stetig zu dösigem und im Prinzip unnötigem BlaBla entwickelt. Glücklicherweise war diese Ära alsbald vorüber. Bleibt zu erwähnen, dass die Übersetzung und Bearbeitung von Urgestein Leonore Puschert für die deutsche Ausgabe, trotz der rasch heran nahenden Neunziger, solch verbreitete Begriffe wie „Trittbrettfahrer“ lieber mit dem absolut ungebräuchlichen „Hintendransteher“ übersetzt. Auch die „Seejungfrau“ dürfte mit der Titulierung „Meerjungfrau“ lieber angesprochen werden – auch wenn es sich hier lediglich um eine tätowierte Vertreterin dieser Spezies handelt. Und die Coverillustrationen von Rasch waren auch schon mal besser.
_Fazit_
Wenn man durch das eher schludrig anmutende Hörspiel vorbelastet an das Buch herangeht, erlebt man die positive Überraschung, dass die Geschichte hier wesentlich besser aufgeht – mal abgesehen davon, dass sie um einiges detailreicher und ausgeklügelter daherkommt. Das macht unterm Strich durchaus verdaulichen und unterhaltsamen Lesestoff nicht nur für Fans der Serie. Die schamlos aus anderen Episoden zusammengeborgten Versatzstücke sorgen aber bei Letztgenannten dafür, dass das „Gold der Wikinger“ sicher nicht auf höhere Ränge in der Hall of Fame der Drei-Fragezeichen-Fälle aufsteigen wird.
_Die Buchdaten auf einen Blick:_
OT:“The three Investigators in the Mystery of the Wrecker’s Rock“
William Arden nach der Idee von Robert Arthur
Ersterscheinung: 1986, Random House
Deutsche Ausgabe: Franckh-Kosmos, 1989
Übersetzung und Bearbeitung: Leonore Puschert
ISBN: 3-440-05930-8 (Erstauflage)
142 Seiten Hardcover
Cover-Illustration: Aiga Rasch
aktuelle Ausgabe:
omnibus/cbj
160 Seiten Broschur
ISBN-13: 978-3-570-21177-9
http://www.omnibus-verlag.de
http://www.dreifragezeichen.de
http://www.rocky-beach.com
Erhältlich auch in anderen Formaten und Bindungen.