Armstrong, Karen – Achsenzeit, Die : Vom Ursprung der Weltreligionen

Die englische Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong befasst sich in diesem Buch mit der kulturhistorischen Epoche der sogenannten „Achsenzeit“, in deren Verlauf sich die Wurzeln der heutigen Weltreligionen herausbildeten. Für Armstrong markiert die „Achsenzeit“ in den jeweils betreffenden Nationen den Höhepunkt der Rationalität, dessen man sich auch in der komplizierten Gegenwart des 21. Jahrhunderts erinnern sollte, wenn es darum geht, die gravierenden tagesaktuellen Probleme und Konflikte zu lösen. Die „Achsenzeit“ lässt sich grob auf die Jahre zwischen 900 und 200 v. Chr. datieren, wobei die Epoche natürlich nicht in jedem Teil der Welt zeitgleich eintrat. Als „Achsenzeit“ bezeichnet Armstrong die Zeit der Entstehung des Konfuzianismus und Daoismus in China, des Hinduismus und Buddhismus in Indien, des Monotheismus in Israel und des Rationalismus in Griechenland.

Armstrongs zentrale Intention bei diesem Buch ist es, die „Achsenzeit“ für die Gegenwart nutzbar zu machen und gleichzeitig aufzuzeigen, worin die Charakteristika jener Epoche lagen, die sie so bedeutsam machen. Es ist natürlich unstrittig, dass die besagten Epochen in ihren jeweiligen Kulturen einen bedeutenden geistesgeschichtlichen Durchbruch brachten und gewissermaßen die heutigen Weltreligionen begründeten. Die zentrale Schwäche in Armstrongs Argumentation scheint allerdings darin zu bestehen, dass sie davon ausgeht, seit der „Achsenzeit“ habe es keine wirklich neuen Ideen gegeben, die sich nicht an der „Achsenzeit“ orientierten. Gewiss ist eine neue Erkenntnis oder Theorie stets in gewisser Weise mit älteren Ideen verwoben und daher lässt sich auch theoretisch eine sehr lange chronologisch rückwärtsgerichtete Verwandtschaftskette zwischen verschiedenen Philosophien erzeugen. Dabei lässt Armstrong allerdings auf sträfliche Weise diverse geistesgeschichtliche Neuschöpfungen, wie u. a. die Ideen von Kant, Descartes, Nietzsche und Marx außer Acht, die nun wirklich nicht nur als „verwässerte“ Nachahmung der Philosophen der Achsenzeit gewertet werden können. Alles in allem wirkt Armstrongs Ansatz daher ein wenig konstruiert. Es hat den Anschein, als wolle die Autorin unbedingt ihre These belegen, wodurch sie offensichtlich die gebotene Objektivität vernachlässigt.

Trotz dieses Kritikpunktes handelt es sich bei ihrer „Achsenzeit“ um eine spannenden und kurzweilige Lektüre, die dem philosophisch und theologisch interessierten Leser sehr zu empfehlen ist. Man sollte allerdings gewahr sein, dass Armstrong in diesem Buch vor allem ihre eigene gewachsene Theorie präsentiert, ohne dabei auf etwaig anderslautende Interpretationen einzugehen. Dennoch ist dieses stilistisch ansprechend geschriebene Buch aufgrund der überaus interessanten Ausführungen der fachkundigen Autorin absolut lesenwert.

|624 Seiten, 21 Karten, 3 Stammbäume
22,7 × 15 cm|
http://www.randomhouse.de/siedler/

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