Das Leben hat Clayghton Blaisdell jr, genannt Blaze, übel mitgespielt. Mit drei Jahren verliert er seine Mutter bei einem Unfall, sein Vater ist ein Trinker, der ihn oft verprügelt. Eines Tages wirft er seinen Sohn die Treppe hinunter. Blaze überlebt nur knapp und trägt einen Hirnschaden davon, der den begabten Jungen in ein leicht zurückgebliebenes Kind verwandelt. Er kommt in ein Waisenhaus, dessen strenge Erziehungsmethoden seine Lage aber nicht verbessern. Auch die kurze Zeit bei Pflegeeltern endet mit einer Katastrophe.
Blaze wächst zu einem einfältigen, aber dafür körperlich umso stärkeren Jugendlichen heran, der sich mit kleinen Delikten über Wasser hält. In diesem Milieu trifft er auf den gerissenen Gauner George, der ihn zu seinem Partner macht. Auch wenn Blaze hin und wieder unter Georges Attacken leiden und missgelungene Coups ausbaden muss, fühlt er sich bei ihm gut aufgehoben. Kurz vor der geplanten Entführung eines Babys reicher Eltern, das den beiden zwei Millionen bringen soll, stirbt George jedoch in einer Messerstecherei.
Blaze ist wieder auf sich allein gestellt – doch er fühlt Georges Gegenwart nach wie vor in seiner Nähe. Die Stimme seines Partners sitzt in seinem Kopf und sagt ihm, er soll den großen Coup alleine durchziehen. Blaze gelingt es tatsächlich, den kleinen Joe an sich zu bringen. Von nun an wird er nicht nur von der Polizei gejagt, sondern er spürt auch eine immer größer wachsende Zuneigung zu dem Baby …
Bereits aus dem Jahre 1973 stammt dieser frühe King-Roman, der unter seinem Pseudonym Richard Bachmann, das 1985 gelüftet wurde, erscheinen sollte. Das Manuskript geriet in Vergessenheit, bis es jetzt in überarbeiteter Form veröffentlicht wurde.
|Gelungener Protagonist|
Im Mittelpunkt steht Blaze, ein geistig leicht retardierter Mann mit hünenhafter Gestalt, unverkennbar eine Hommage an die Figur des Lennie aus Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“, wie King auch im Nachwort bestätigt. Blazes Leben steht von Anfang an unter einem schlechten Stern, die Mutter stirbt, der Vater ist ein gewalttätiger Alkoholiker. Der schwere Treppensturz hinterlässt neben dem Hirnschaden eine auffallende Delle in der Stirn des Jungen, die ihn, zusätzlich zu seinem früh entwickelten Bärenkörper, von nun an wie ein Kainsmal durchs Leben begleitet. Einen kleinen Lichtblick bildet seine Freundschaft im Waisenhaus zum schmächtigen John, die jedoch durch dessen Tod jäh beendet wird. Fast zwangsläufig gleitet der unbeholfene Blaze in ein kriminelles Leben ab und fast ebenso zwangsläufig verspürt man Mitgefühl. Obwohl man ahnt, dass es kein glorreiches Happy-End geben wird, hofft man beständig darauf, dass sich Blazes Lage bessern wird. Zu keiner Zeit ist Blaze ein schlechter Mensch, doch ein ums andere Mal überschätzt er seine körperlichen Kräfte, was fatale Folgen mit sich bringt.
Besonders gelungen sind die Rückblenden, in denen Blazes Kindheit und Jugend beleuchtet wird. Blaze wehrt sich gegen die Drangsalien des Rektors, macht Bekanntschaft mit der ersten Liebe und erlebt einen aufregenden Tag mit seinem Freund John in Boston, der ihm ein paar Momente des Glücks beschert. Bei etlichen tragikkomischen Szenen fällt es schwer, sich zwischen Lachen und Weinen zu entscheiden, etwa wenn er treudoof auf gehässige Kommentare seines Partners George reagiert.
|Wenig Gewalt, kein Horror|
Der Name Stephen King steht in der Regel für Horror, oft mit übernatürlichen Elementen. Unter den Pseudonym Richard Bachmann veröffentlichte er realitätsnähere, dafür sehr harte Romane mit deprimierend-düsterer Stimmung. Mit anderen Bachmann-Werken hat „Qual“ den knappen Stil gemeinsam. Keine ausufernden Schilderungen einer typischen Kleinstadt, wie King es sonst gerne zelebriert, dafür eine direkte Sprache, die andeutet, dass er sich stilistisch an den Hardboiled-Krimis der vierziger Jahre orientierte. Todesfälle und brutale Szenen werden nur kurz erwähnt, ohne dass auf Details eingegangen würde, doch gerade dieser lakonische Stil, der Blazes hartes, schnörkelloses Leben widerspiegelt, ruft beim Leser Emotionen hervor. Für einen Hauch von Mystik sorgt die Stimme des toten George, die Blaze in seinem Kopf hört, die aber eher den Status eines imaginären Freundes besitzt als den eines Geistes. Im Gegensatz zu Werken wie „Todesmarsch“, „Menschenjagd“ oder „Der Fluch“ ist die Atmosphäre nicht bitterböse, sondern eher auf Melancholie aufgelegt. Es ist kein reiner Krimi, sondern mehr ein tragisches Melodram über einen Außenseiter, das eher bewegt als nervenaufreibend fesselt.
|Kleine Schwächen|
Die Schwäche des Romans liegt in seiner Vorhersehbarkeit. Die geradlinige Handlung, die nie lange an einem Punkt in Blazes Leben verweilt, entwickelt sich zum größten Teil genau so, wie der Leser es erwartet. An keiner Stelle taucht eine überraschende Wendung auf, worunter mit der Zeit auch die Spannung leidet. Blazes Gefühle für das Baby kommen nicht unerwartet, da man seinen Charakter bis dato ausreichend kennt. Somit bleibt nur die Frage offen, welches Schicksal er und sein „Schützling“ nehmen, die aber am Ende nur von den eigenen Vermutungen bestätigt bleibt. Ein Manko darüberhinaus ist das zu rasch eingeleitete und zu knapp abgehandelte Ende. Gerade weil der Leser schon recht früh ahnt, auf was für ein Finale der Roman hinauslaufen wird, ist der Schluss im Vergleich zum Rest etwas enttäuschend. Man wünscht sich noch einen kleinen zusätzlichen Nachhall, muss sich aber mit einem unspektakulären Ende begnügen.
Sehr unglücklich gewählt ist der Titel der deutschen Übersetzung, da man sich unter „Qual“ kaum etwas vorzustellen hat. Während das Original schlicht nach seiner Hauptfigur „Blaze“ benannt ist, besitzt das deutsche Pendant keinen Bezug zum Inhalt, wenn man davon absieht, dass Blazes Leben größtenteils eine „Qual“ ist. Als schöne Beigabe für King-Fans ist im Anschluss die Kurzgeschichte „Erinnerung“ enthalten, die den Ausgangspunkt für den neuen King-Roman, der Anfang 2008 erscheinen soll, bildete.
_Als Fazit_ bleibt ein bewegender Roman über einen Außenseiter in bester Steinbeck-Tradition. Die vordergründige Krimi-Handlung um eine Entführung rückt zugunsten der melodramatischen Elemente in den Hintergrund. Kleine Abzüge gibt es für die vorhersehbare Handlung und das zu knapp gehaltene Ende.
_Stephen King_, Jahrgang 1947, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der Welt. 1973 veröffentlichte der ehemalige Lehrer mit „Carrie“ seinen ersten Roman, der sofort ein Bestseller wurde. Alle folgenden Bücher wurden ebenfalls Welterfolge, viele davon sind von namhaften Regisseuren verfilmt wurden. Zu den bekanntesten Werken zählen unter anderem: „Es“, „Christine“, „Shining“, „Misery“, „The Stand“ und die siebenteilige Saga vom „Dunklen Turm“. Weitere Bücher erschienen unter dem Pseudonym Richard Bachmann. Mehr über ihn auf seiner Homepage http://www.stephenking.com.
|Originaltitel: Blaze
Originalverlag: Scribner
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger
Gebundenes Buch, 384 Seiten, 13,5 x 21,5 cm|
http://www.heyne.de
_Stephen King bei |Buchwurm.info|_ (Auswahl):
[„Brennen muss Salem – Illustrierte Fassung“ 3027
[„Brennen muss Salem“ 3831 (Hörbuch)
[„Briefe aus Jerusalem“ 3714 (Audio)
[„Friedhof der Kuscheltiere“ 3007 (Audio)
[„Puls“ 2383
[„Trucks“ 2327 (Audio)
[„Colorado Kid“ 2090
[„The Green Mile“ 1857 (Audio)
[„Das Leben und das Schreiben“ 1655
[„Atemtechnik“ 1618 (Audio)
[„Todesmarsch“ 908
[„Der Turm“ 822 (Der Dunkle Turm VII)
[„Der Sturm des Jahrhunderts“ 535
[„Tommyknockers – Das Monstrum “ 461
[„Achterbahn“ 460
[„Danse Macabre – Die Welt des Horrors“ 454
[„Christine“ 453
[„Der Buick“ 438
[„Atlantis“ 322
[„Das Mädchen“ 115
[„Im Kabinett des Todes“ 85
[„Duddits – Dreamcatcher“ 45