Baden, Michael / Kenney, Linda – Skalpell N° 5

Michael Baden und Linda Kenney, die Autoren von „Skalpell N° 5“, wissen, wovon sie reden: Er ist Gerichtsmediziner und sie Anwältin für Bürgerrechte – genau wie die gegensätzlichen Protagonisten des ersten gemeinsamen Krimis.

Diese sind die junge, energische Bürgerrechtsanwältin Manny mit Herz und verwöhntem Hund sowie der erfahrene, bedächtige Pathologe Dr. Jack Rosen. Manny kann Jake eigentlich nicht mehr riechen, seit er sie in einem Prozess, bei dem sie sich auf verschiedenen Seiten der Anklagebank befanden, blamiert hat. Als er sie jedoch um Hilfe bei einem verzwickten Fall bittet, hilft sie ihm nicht nur, weil ihre anwaltlichen Fähigkeiten gefragt sind. Immer wieder ertappt sie sich bei Gedanken, die mit der Verführung von Jake zusammenhängen, auch wenn ihre schlagfertigen Antworten zumeist etwas anderes zeigen.

Der Fall rückt bei der gegensätzlichen Liebelei zum Glück nicht in den Hintergrund. Dr. Pete Harrigan, der Gerichtsmediziner von Turner und Jakes ehemaliger Mentor, ruft Jake an, damit er ihm hilft, die Knochen zu identifizieren, die beim Bau eines Einkaufszentrums in Turner gefunden wurden. Es stellt sich heraus, dass die Knochen eben kein alter Indianerfriedhof, sondern relativ jung sind und zu vier verschiedenen Gerippen gehören.

Bei seinen Ermittlungen entdeckt Jake, dass einer der Toten ein ehemaliger Soldat ist, der nach dem Krieg in eine psychiatrische Anstalt kam. Er sucht die Angehörigen des Opfers auf und kann sie überzeugen, mit Mannys Hilfe Klage gegen den Staat einzureichen. Doch der Kampf für Gerechtigkeit währt nicht lange. Erst stirbt Pete Harrigan, dann wenig später seine Haushälterin, und schließlich ziehen die Angehörigen die Klage zurück. Es scheint, als ob jemand Druck auf sie ausgeübt hat, doch wer? Die Bauherren des Einkaufszentrums, die die zeitliche Verzögerung nicht unbedingt schätzen? Oder gibt es jemandem im Hintergrund, der unbedingt verhindern möchte, dass die Wahrheit über die Skelette zum Vorschein kommt? Würde dieser Jemand so weit gehen, Pete und dessen Haushälterin brutal zu ermorden?

Zugegeben, am Anfang wirkt „Skalpell N° 5“ so langweilig und zäh wie viele amerikanische Krimis. Es dauert einige Seiten, bis die Geschichte in Schwung kommt und die Figuren nicht mehr wie abgekupfert wirken. Hat man diese Durststrecke hinter sich gebracht, findet man einen sehr spannenden, wendungsreichen Kriminalroman vor, der häufig überrascht. Die Frage nach dem Mörder wird erst am Ende geklärt, wie es sich gehört, obwohl es genug Fährten in diese Richtung gibt. Die Autoren legen zusätzlich noch andere Spuren aus, so dass der Leser mit seinen Verdächtigungen zwischen den einzelnen Personen hin und her springt. Jeder scheint Dreck am Stecken oder ein Motiv zu haben. Das Autorenduo schafft es zwar nicht immer zu fesseln, aber die Handlung ist sauber und spannend konstruiert und lädt zum Weiterlesen ein. Die Schnipsel aus dem Privatleben der Autoren – hauptsächlich romantischer Natur – werden elegant eingebaut und wirken nicht störend, wie das in anderen Büchern dieser Machart der Fall ist.

Die Personen bedürfen ebenfalls einer gewissen Aufwärmzeit. Der Einstieg in das Buch gelingt Baden und Kenney nicht besonders gut. Manny wird als arrogante, luxusverliebte Zicke mit eiskaltem Mundwerk dargestellt, Jake als ruhiger, langweiliger Wissenschaftler. Damit unterscheiden sie sich nur wenig von Charakteren ähnlicher Bücher. Erst mit der Zeit durchbrechen die Autoren diese anfängliche Oberflächlichkeit und zeigen, dass die beiden Hauptpersonen eben nicht nur reine Klischees sind. Manny ist nicht so luxusverwöhnt, wie es scheint, und Jake kein vertrottelter Gerichtsmediziner. Diese Unterschiede zu den gängigen Klischees hätten ruhig ein wenig besser herausgearbeitet werden können, da sie immer noch zu schwach sind, um „Skalpell N° 5“ wirklich originell zu machen.

Der Schreibstil an und für sich ist sehr nüchtern. Dank der guten Recherche der Autoren können sie mit vielen Fachbegriffen aufwarten und erklären diese auch. Überhaupt ist die sorgfältige Ausarbeitung der Obduktionen und Jakes Wissen ein großer Pluspunkt der Geschichte. Baden schafft es tatsächlich, interessante Dinge, die dem Leser nicht unbedingt bekannt sind, einzuflechten und so das Interesse wachzuhalten. Das ist insbesondere deshalb gut, weil der Roman sehr trocken und sachlich wirkt und sprachlich kaum berührt – wenn es nicht die Dialoge und Mannys Gedanken gäbe. Die Dialoge sind spritzig und schlagfertig, Mannys Gedanken sind sarkastisch und häufig angenehm überdreht. Die quirlige junge Frau bringt dadurch eine Menge Leben in das Buch, was dieses von der anfänglichen Lethargie befreit.

Hat man den trockenen Anfang erst einmal überwunden, kann man „Skalpell N° 5“ nur schwer aus der Hand legen. Die Handlung ist wider Erwarten spannend und überraschend, während die Personen sich, wenigstens stellenweise, originell präsentieren. Vor allem Mannys Charakter und ihre Dialoge hieven das Buch über die Hürde des guten Durchschnitts und machen Hoffnung auf weitere Bände mit dem gegensätzlichen Ermittlerduo.

|Originaltitel: Remains Silent
Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Taschenbuch, 318 Seiten|
http://www.heyne.de

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