Barber, Malcolm – Templer, Die. Geschichte und Mythos

|“Die Anfänge“| (S. 8-48): Der einst mächtige und von zahlreichen Sagen umwitterte Orden der Templer entsteht bescheiden im Rahmen der Kreuzzugsbewegung, deren Beginn ins Jahr 1095 fällt: Papst Urban II. ruft die Christen auf, ihre Brüder und Schwestern in Palästina und Syrien, den biblischen „Kernlanden“ des christlichen Glaubens, vor den Attacken der heidnischen Sarazenen (Türken), Ägypter und Äthiopier zu schützen. Im Verlauf eines ersten Kreuzzugs werden die „heiligen“ Lande befreit, doch die lateinischen Eroberer müssen sich in den Städten verschanzen oder Burgen errichten, denn niemals erkennen die einheimischen Machthaber die neuen Herrscher an. So bleibt der christliche Traum vom Pilgerzug ins gelobte Land ein gefährlicher, oft tödlicher, denn die Straßen der stets im Kampf befindlichen Kreuzfahrerstaaten sind nicht sicher. Es entsteht der Plan zur Gründung einer Gemeinschaft zum Schutz besagter Pilger. Fromm sollen diese Männer sein aber auch gut bewaffnet und kriegstauglich. 1119 ist es so weit: Der Templerorden wird gegründet.

|“Das Konzept“| (S. 49-79): Die Vereinigung der Templer unterscheidet sich von Anfang an von rein monastischen Orden. Zwar sollen seine Mitglieder fromm und gehorsam, aber sie dürfen nicht arm sein, denn Ausbildung und Unterhalt einer schlagkräftigen Truppe sind kostspielig. Die Angehörigen des Ordens sind meist von Adel und vermögend, sie spenden reichlich, der Orden selbst treibt lukrative Geschäfte, er wird von päpstlicher Seite mit einträglichen Schenkungen bedacht – Grundlagen für einen unerhörten Aufstieg aber auch Ursachen für den späteren Untergang, denn der Orden wird rasch finanziell unabhängig und militärisch von entscheidender Bedeutung im Heiligen Land, was ihn selbstbewusst und nach Meinung seiner zahlreich werdender Feinde hochmütig werden lässt.

|“Der Aufstieg der Templer im Osten“| (S. 80-129): Die historische Realität gibt jedoch den Templern viele Jahre Recht – ohne ihre Schwerter, ihr Geld und ihre Kontakte geht gar nichts im Heiligen Land. Was der Papst und gläubige Herrscher in Europa zur „Befreiung“ Palästinas und Syriens beschließen, ist vor Ort nur mit den Templern zu verwirklichen. Sie haben sich Burgen und Stützpunkte geschaffen und harren aus, während die Lateiner nur „Gastspiele“ im Rahmen von Kreuzzügen geben und oft nicht einmal dann die türkischen und später die mongolischen Kräfte im Osten in Schach halten können.

|“Von Hattin bis La Forbie“| (S. 130-166): Aber die Templer sind nicht unfehlbar. Ihre bekannte Präsenz im Osten macht sie zudem angreifbar. Verlieren die Lateiner eine Schlacht gegen die Türken, beginnt rasch die Suche nach einem Sündenbock, denn Verrat muss im Spiel sein, endet ein von Gott befohlener Kreuzzug als Desaster – und das kommt zwischen den Schlachten von Hattin 1187 und La Forbie 1244 immer wieder vor, denn jeder Waffenstillstand mit den Sarazenen ist brüchig. Zu schaffen machen den Kreuzzüglern auch innere Uneinigkeit und äußere Schwäche, so dass der Christenheit Region um Region im Osten verloren geht.

|“Die letzten Jahre der Templer in Syrien und Palästina“| (S. 167-202): Dennoch bleiben die Christen auch nach 1244 dank der Templer noch fast ein halbes Jahrhundert im Osten präsent. Der Orden verschanzt sich in gewaltigen Burganlagen und trotzt den unablässig anstürmenden Türken. Aus dem Westen ist Hilfe nicht mehr zu erwarten, mehrere Kreuzzüge finden ihr fatales Ende. Es kommt der Tag, da herrschen im Heiligen Land nur noch die Templer und auch sie nur noch in ihren Burgen, bis auch diese eine nach der anderen erobert werden. Mit dem Fall von Akkon endet 1291 faktisch die christliche Herrschaft in Palästina und Syrien. Die Templer ziehen sich auf die Insel Zypern zurück.

|“Templerleben“| (S. 203-223): Viele Legenden ranken sich um den Templeralltag. Von geheimen Riten und verschwörerischen Ränken gegen Papst und Könige wird gemunkelt, sogar dem Teufel huldigt man angeblich. Außerdem sollen die Templer gewaltige Reichtümer angehäuft und so gut versteckt haben, dass ihnen bis heute niemand auf die Spur gekommen ist. Tatsächlich sind die Regeln des Ordens niemals geheim gewesen. Ihr Wortlaut ist bekannt; er spiegelt das Bild einer mönchsähnlich lebenden Gemeinschaft wider, die zumindest in ihren frühen Jahren im Dienste Gottes handelten. Ein Hüter mythologischer Mysterien ist der Templerorden niemals gewesen; dies sind Interpretationen aus späteren Jahren und Jahrhunderten.

|“Das Imperium der Templer“| (S. 224-238): Im 13. Jahrhundert bilden die Templer einen der mächtigsten geistlichen Ritterorden der mittelalterlichen Welt. 7000 Ritter, „Sergeanten“, dienende Brüder gehören ihm an. Hinzu kommt eine ungleich größere Zahl angeschlossener Mitglieder: Amtleute, Hilfskräfte, Rentenempfänger. Mindestens 870 Burgen, Komtureien und Filialen stehen in fast allen Ländern der westlichen Christenheit. Der Orden unterhält eigene Kampftruppen für die „heiligen“ Kriege in Palästina und Syrien und auf Zypern, es existiert eine eigene Mittelmeerflotte. Präsent ist der Orden außer im Osten auch in Frankreich und auf der iberischen Halbinsel, die zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend arabisch besetzt ist. Wie im Heiligen Land sollen die Ritter die Heiden bekämpfen und sie womöglich auf den afrikanischen Kontinent zurückwerfen. Ihre „Internationalität“ und das daraus erwachsende Wissen lässt die Templer zu einem ökonomischen Machtfaktor werden. Der Orden ist bemerkenswert reich und amtiert als Bank für zahlreiche Päpste, Könige und Adlige.

|“Der Untergang des Ordens“| (S. 239-277): Angeblich völlig überraschend kommt 1312 das Ende für den Templerorden: Papst Clemens V. erklärt ihn für aufgelöst, Philipp der Schöne, König von Frankreich, sorgt für die Umsetzung dieser Anordnung. Das Verhängnis hat sich indes schon lange abgezeichnet. Der Templerorden wird für den Verlust des Heiligen Landes verantwortlich gemacht. Kritik an der Selbstherrlichkeit und Verderbtheit der Templer hat es zudem immer gegeben – nun findet sie Gehör. Einige Versuche, nach 1291 im Heiligen Land wieder Fuß zu fassen, scheitern. Dem Orden, der seine eigentliche Aufgabe nicht mehr wahrnehmen kann, misslingt es, seine immensen Unterhaltskosten oder seine enormen Einkünfte aus Schenkungen und Stiftungen zu rechtfertigen. Ihm wird außerdem sein Reichtum zum Verhängnis. Der in Finanznöten gefangene französische König bemächtigt sich des Templervermögens, um seine zahlreichen Gläubiger zu befriedigen. Philipp ist womöglich außerdem davon überzeugt, dass die Templer tatsächlich zu einem Ketzerorden degeneriert sind. So fallen die einst so mächtigen Ritter den drastisch veränderten Zeitläufen zum Opfer.

|“Von Molays Fluch zum ‚Foucaultschen Pendel'“| (S. 278-292): Von einem „Fluch“ der untergegangenen Templer ist im Mittelalter selbst keine Rede. Erst in der Neuzeit wird dieser als reizvolles literarisches Thema eher spielerisch in die Welt gesetzt. Die Freimaurer berufen sich auf die Templer als glanzvolle „Vorgänger“, andere moderne „Orden“ und Vereinigungen eifern ihnen nach. Verschwörungsfetischisten komplettieren im 20. Jahrhundert die Fraktion derer, die in den Templern eine vom zeitgenössischen Establishment systematisch ausgerottete Geheimorganisation im Besitz „übernatürlichen“ Wissens sehen möchte.

Eine Gesamtdarstellung der Geschichte des Templerordens gehört zu den fachlichen Herausforderungen, der sich nur wirklich fähige Historiker mit Erfolg stellen: Wie schaffe ich es, eine unerhört komplexe Materie möglichst knapp und trotzdem verständlich, ohne entstellende Verkürzungen oder Auslassungen darzustellen? Schon über Einzelaspekte der Templerhistorie wie das genaue Gründungsdatum des Ordens sind eigene Bücher verfasst worden. Unter solchen Umständen ist die wissenschaftliche und literarische Leistung von Malcolm Barber noch höher einzuschätzen: Um zu wissen, wo er kürzen und zusammenfassen durfte, musste er den Gesamtstoff gesichtet & gewichtet haben – eine Arbeit, die ihn mehrere Jahre in Anspruch nahm und in die Archive vieler Länder führte. Das Ergebnis kann sich sehen bzw. lesen lassen: Sachlich, manchmal trocken in Worte gefasste Realität kommt mit der Intensität eines Tatsachenthrillers daher.

Gut tut die sachliche Abrechnung mit dem unerträglichen Esoterik-Quatsch, welcher der Templergeschichte vor allem seit dem 20. Jahrhundert übergestülpt wird. Die Ritter des Ordens bzw. ihrer Nachfolger sollen an einem streng geheimen Ort den heiligen Gral hüten und auch sonst diverse Mysterien im Auge behalten. Von vergrabenen Schätzen und genialen Todesfallen ist die Rede, über vom Vatikan unterdrückte Bibelsequenzen und die mögliche Einmischung von Außerirdischen wird gemunkelt – Dummgefasel der übelsten Sorte, mit dem sich indes viel Geld verdienen lässt. Mit der historischen Realität hat das nicht das Geringste zu tun und Barber lässt den Befürwortern solchen Bockmistes keine Schlupflöcher.

Dass „Die Templer“ dem Fachbuch näher stehen als dem Sachbuch, verrät u. a. der eindrucksvolle Anmerkungsapparat: Auf den Seiten 293-327 geben 754 Endnoten Auskunft über die Vielzahl der Quellen, die Verfasser Barber in jahrelanger Archivarbeit zu Rate zog. Die Liste der verwendeten Titel umfasst weitere 19 eng bedruckte Seiten (S. 328-347). Ein Personenregister unterstützt die Suche nach zentralen und Randfiguren der Templergeschichte (S. 348-354). Ebenfalls hilfreich sind eine knapp gefasste Zeittafel (S. 355/56), ein Verzeichnis der Großmeister des Templerordens (S. 356) sowie vier Karten, welche die Templerhäuser und -burgen im Westen des Abendlandes, die wichtigsten Burgen in Syrien und Palästina, die Niederlassungen des Ordens in der französischen Provence sowie seine Besitzungen im Languedoc verzeichnen (S. 357-360).

Dem Handbuchcharakter des Werks sind mögliche Abbildungsstrecken zum Opfer gefallen. Das ist verständlich, denn diese hätten den Seitenumfang vergrößert, ist aber schade, denn selbstverständlich haben die Templer bereits ihre Zeitgenossen fasziniert, die uns eine Vielzahl bemerkenswerter und wissenschaftlich aussagekräftiger Bild- und Schriftquellen hinterlassen haben (was wichtig ist, da die Unterlagen der Templer selbst nach ihrem Sturz und fast vollständig vernichtet wurden). Hinzu kommen Templerburgen, Gewandungen, Ausrüstungsgegenstände und andere Zeitzeugen des mittelalterlichen Alltags, die ihrerseits anschaulich Aufschluss geben über das Templerleben. Doch Barber hat sich entschieden und stützt sich primär auf das geschriebene Wort, was ihm andererseits dabei hilft, sein Werk geschlossen zu halten.

Malcolm Barber lehrt als Mittelalterhistoriker an der englischen Universität Reading. Er hat sich auf die Geschichte der geistlichen Orden zur Zeit der Kreuzzüge spezialisiert und viele Artikel in diversen Fachzeitschriften als auch (populär-)wissenschaftliche Bücher über damit verbundene Themen verfasst. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ihm dabei der Wind manchmal kräftig ins Gesicht bläst; Kritik erhebt sich u. a. an Barbers Interpretation der Katharerhistorie. Das vorliegende Werk wurde deutlich weniger gezaust. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass es erst mit mehr als zehnjähriger Verspätung in Deutschland erschien und sich das Geschichtsbild auch in Sachen Templer und auf der Grundlage neuer Erkenntnisse seither entwickelt hat. Barber selbst hat seinen Beitrag dazu geleistet, was freilich in erster Linie den Historiker zur Beachtung der neueren Literatur verpflichtet; der Laie kann weiterhin bedenkenlos zu diesem Werk greifen.

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