Barz, Paul – Gegenspieler, Die

Mitte des 12. Jahrhunderts: Es ist eine unruhige Zeit, die Bevölkerung lebt in Angst. Juden werden verfolgt, Zisterziensermönche bemühen sich um Schlichtung, der Kreuzzugsgedanke wird verherrlicht. Der junge Welfe Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen, und sein älterer Vetter Friedrich, Herzog von Schwaben, sind Freunde, trotz aller Gegensätze. Während Heinrich darunter leidet, dass sein Anspruch auf Bayern von König Konrad nicht anerkannt wird, glaubt Friedrich an die Einheitlich eines deutschen Reiches, im damaligen Sinne Karls des Großen. Heinrich, der als Kind dem Älteren die Treue geschworen hat, ist zu einem aufbrausenden jungen Mann geworden, der sich zuweilen am spöttischen Auftreten Friedrichs stört.

Im Jahr 1147 ruft König Konrad zu einem zweiten Kreuzzug in Jerusalem auf. Die Stadt Edessa soll von den Ungläubigen befreit werden, mehr als 20.000 Männer wollen teilnehmen. Doch statt wie Friedrich dem Zug zu folgen, kämpfen Heinrich und die Sachsen in einem parallelen Krieg gegen die Slawen zwischen Elbe und Oder und bekehren sie zum Christentum; der Kreuzzug in Jerusalem hingegen gerät zu einem Desaster. Nach seiner Rückkehr heiratet Heinrich Clementia von Zähringen, weitet mit dieser strategisch günstigen Ehe seinen Machtanspruch aus und behauptet sich gegen Angriffe Konrads, der bald darauf stirbt.

Friedrich wird zu seinem Nachfolger gewählt und zieht zur Kaiserkrönung nach Italien. Als Belohnung für seine Begleitung bekommt Heinrich von ihm endlich das lang ersehnte Bayern zugesprochen und Friedrich erhält seinen Beinamen „Barbarossa“. Noch immer unterstützen sie einander, aber sie spüren eine Entfremdung. Friedrich fürchtet, dass das neue Herzogtum die Einheit seines Reiches gefährdet. Heinrich beobachtet eifersüchtig, wie Erzbischof Rainald von Dassel zum engsten Vertrauten des Kaisers wird. Die spielerische Rivalität aus Jugendtagen wird immer ernster …

|Der Rotbart und der Löwe|

Es ist ein großes Unterfangen, das Autor Paul Barz sich vorgenommen hat. Mit Friedrich Barbarossa und Heinrich dem Löwen hat er sich zweier der schillerndsten und populärsten Gestalten des Mittelalters angenommen, von denen jeder ein eigenes Epos verdient hätte. Beiden Figuren wird etwa gleich viel Aufmerksamkeit gewidmet, was zwangsläufig dazu führt, dass ihre Darstellung etwas oberflächlich ausfallen muss. Unterm Strich ist es Heinrich der Löwe, der dem Leser deutlicher vor Augen erscheint.

Schon in der Jugend zeichnet sich ab, dass er der düstere Charakter von beiden ist. Zwar hat auch er seine unbeschwerten Momente, doch oft verfällt er in tiefes Grübeln. An ihm nagt der Schmerz, dass er viele Jahre kämpfen muss, ehe er endlich das lang ersehnte Bayern als Herzogtum anerkannt bekommt. Aber auch damit ist er nicht glücklich. Die Interessen des neuen Kaisers Barbarossa überschneiden sich immer weniger mit den seinen. Erschwerend kommen Augenblicke hinzu, in denen er die blutjunge Frau von Friedrich, Beatrix, begehrt.

Friedrich dagegen ist ein Träumer, humorvoller und jungenhafter, obgleich er der Ältere von beiden ist. Die Freundschaft zu Heinrich ist ihm wichtig, doch ebenso sind es seine Interessen als Kaiser, die er wahren und verteidigen muss. Heinrichs trotziges Verhalten führt schließlich zu einer Eskalation, welche die Ächtung als Folge mit sich bringt.

Immer wieder kreuzen sich die politischen und privaten Wege der beiden, die selbst im gesetzten Alter noch an ihre Jugendfreundschaft zurückdenken und trotz aller Widrigkeiten diese Zeit nicht vergessen haben.

|Buntes Mittelalterbild|

Deutschland steht im Mittelpunkt der Schauplätze, doch auch Italien, das Barbarossa so sehr liebt, wird mehrfach besucht. Dem geächteten Heinrich folgt der Leser nach England, an den Hof von Heinrich II., wo man unter anderem dem jungen Richard Löwenherz begegnet. In kurzen Szenen tauchen prominente Zeitgenossen wie Königin Eleonor von Aquitanien und der Zisterzienserprediger Bernhard von Clairvaux auf. Man erlebt Beratungsszenen, private Momente, aber auch blutige Schlachten, Folterungen und wüste Feiern.

Das Mittelalter wird in all seiner Derbheit präsentiert, vom einfachen Bauern bis zum hochangesehenen Adligen benutzen die Personen bisweilen eine primitive Sprache und lassen ihren sexuellen Gelüsten ungehemmt freien Lauf. Das mag manchen Leser irritieren und ist tatsächlich eine Spur zu dick aufgetragen, trägt aber auch zur Authentizität der Epoche bei. Ebenso wird bei den Schlachten nichts beschönigt; es kommen zwar keine ausführlichen Details zum Tragen, aber es wird gequält, verhöhnt, es werden Glieder ausgerissen und Kinder geschändet.

Es ist kein edles Bild, das hier vom Mittelalter gezeichnet wird, es ist finster, unverblümt, ausgelassen und auch das Denken und Handeln der beiden Hauptfiguren verzichtet auf idealisierte Züge. Hin und wieder wird die Atmosphäre durch kleine humorvolle Einlagen aufgelockert, etwa wenn die Figuren untereinander Scherze treiben und damit ein freundliches Licht in die angespannten Situationen bringen.

|Viele Karten und Zeittafeln, aber auch Ungenauigkeiten|

Bei der historischen Genauigkeit gibt es Licht und Schatten. Auf der einen Seite folgt jedem Abschnitt eine Zeittafel, die im Schnelldurchlauf die wichtigsten vorangegangenen Ereignisse in kürzester Form zusammenfasst, sodass man nicht Gefahr läuft, bei all den verschiedenen Schlachten und Schauplätzen den Überblick zu verlieren. Im Anhang befindet sich ein hilfreiches Register, das die vorkommenden Namen aufführt und die Seitenzahlen, auf denen sie auftauchen. Es gibt mehrere Karten, die die Aufteilungen des Reiches demonstrieren und Stammbäume der Welfen und der Staufer.

Das alles lässt auf pingelige Genauigkeit schließen. Dennoch weicht der Autor bei der Darstellung einer Nebenfigur, Heinrichs Onkel Welf VI., von den populären Ansichten ab. Im Roman wird Welf als Todfeind präsentiert. Selbst in seiner Hochzeitsnacht hängt Heinrich dunklen Gedanken über ihn nach, er wird als „schlimmster Feind von allen“ bezeichnet und betont, dass Heinrich ihn nie gemocht hat. In der einschlägigen Literatur wird jedoch darauf hingewiesen, dass Welf sich durchaus für die Rückgabe Bayerns an Heinrich einsetzte und von einer immerwährenden Feindschaft nicht die Rede sein kann. Eventuell wurde das Verhältnis aus dramaturgischen Gründen schlechter dargestellt als nötig, was ungünstig ist für Leser, die kein Hintergrundwissen besitzen.

An anderer Stelle wiederum wird es mit der historischen Korrektheit zu Ungunsten der Spannung übertrieben. Gleich mehrfach wird bei diversen Charakteren ihr Schicksal bereits vorausgenommen. Bei Friedrichs erstem Sohn etwa wird auf der Zwischen-Zeittafel nicht nur seine Geburt, sondern auch sein früher Tod in den kommenden Jahren vermerkt und der Handlung vorweggenommen. Auch bei Heinrichs erster Frau Clementia wird kurz nach der Scheidung verraten, dass sie danach nur noch wenige Jahre zu leben hatte. So geschieht es mit mehreren Figuren, was in einem rein informativen Sachbuch angebracht wäre, nicht aber in einem Roman.

_Als Fazit_ bleibt ein anschaulicher und nicht zu komplizierter historischer Roman über zwei bedeutende Figuren des Mittelalters und ihr spannungsgeladenes Verhältnis zueinander. Viele Schaubilder und Zeittafeln untermauern das Geschehen, allerdings ersetzt der Roman kein Sachbuch, da nicht alle Details bis ins Letzte stimmig sind. Als alleiniges Informationswerk über Friedrich Barbarossa und Heinrich den Löwen zu oberflächlich, für Mittelalterinteressierte aber eine unterhaltsame Ergänzung.

_Der Autor_ Paul Barz, Jahrgang 1943, arbeitete nach dem Abitur als Redakteur, seit 1981 auch als freier Schriftsteller. Zunächst veröffentlichte er Sachbücher und Biographien, später wurde auch als Bühnen- und Romanautor aktiv. Werke von ihm sind unter anderem: „Heinrich der Löwe“, „Christoph Columbus“, „Theodor Storm“ und „Mozart“.

Mehr über ihn auf seiner Homepage: http://www.paul-barz.de.

http://www.bastei-luebbe.de

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