Baumann, Mary K. (u. a.) – All!, Das. Unendliche Weiten

Eine Darstellung des Weltalls in acht spektakulären Großkapiteln. Eingeleitet wird sie vom Vorwort eines Mannes, der als Leitfigur der modernen Astronomie gilt: Stephen Hawking. Der fast vollständig gelähmte Forscher mit dem vom Körper quasi losgelösten Geist hat entscheidend mit zum gegenwärtigen Blick auf den Kosmos beigetragen.

– „Ursprung“ (S. 8/9): Ein Bild der Milchstraße, wie sie vom Planeten Erde gesehen werden kann, leitet dieses Buch würdig ein: „Unser“ Sonnensystem verliert sich in einer Galaxie, die aus 200 Milliarden Sternen besteht und nur eine von vermutlich 150 Milliarden Galaxien im All ist – ein Vorgeschmack der Maßstäbe, die dieses Buch in Sachen „Unendlichkeit“ setzen wird!

– „Nebel“ (S. 10-29): „Geburt“ und „Tod“ der Sterne, die wir Menschen im Weltall erkennen können, verschwimmen in gewaltigen Nebelwolken. Sie bilden die galaktische „Ursuppe“, aus der sich Sonnen bilden und „zünden“ können, und sie stellen die Asche dar, die von den Sonnen bleibt, die in rasenden Explosionen „sterben“ und deren Überreste sich im Universum verteilen, wo sie zu neuen Sternen zusammenfinden.

– „Sterne“ (S. 30-53): Sie sind gebündelte Energie – vom „Weißen Zwerg“ bis zum „Blauen Überriesen“ gibt es zahlreiche Arten von Sternen. Sie erscheinen uns Menschen bizarr und sogar bedrohlich, sind im All jedoch überall zu finden. Das Wissen um ihre Existenz verdeutlicht, wie winzig die Chance war, dass ein kleiner blauer Planet eine mittelgroße gelbe Sonne am Rand der Milchstraße umkreisen und Leben hervorbringen konnte.

– „Die Sonne“ (S. 54-75″): Dies ist umso bemerkenswerter, als besagte Sonne sich bei näherer Betrachtung als grausiger Feuerball entpuppt, der nicht nur Hitze ausstrahlt, sondern mit diversen Todesstrahlen um sich schießt. Der Blick in die atomare Superhölle der „Sonnenfabrik“ ist heute möglich. Er enthüllt bei allem Schrecken, dass uns Menschen auf der Erde ohne „unseren“ Stern nur acht Minuten von einer eisigen Ewigkeit trennen.

– „Planeten“ (S. 76-115): Sie folgen der Sonne – neun Planeten umkreisen ihr Zentralgestirn. Nur auf einem hat sich nachweislich Leben entwickelt; Nr. 1 und 2 sowie 4 bis 9 sind glühend heiß oder
knochentrocken, bestehen aus Gas oder sind ewige Eisklumpen, also insgesamt
ungastlich. Womöglich gibt es nirgendwo Leben auf ihnen, aber das lässt sie nicht weniger interessant erscheinen: Jeder Planet stellt ein Kapitel in der Entstehungsgeschichte des Universums dar und der Mensch lernt immer besser, sie zu „lesen“.

– „Monde“ (S. 116-141): Mindestens 140 kleine bis sehr große Himmelskörper gesellen sich den Planeten als Monde zu – Kugeln aus Stein und Eis, die von „ihren“ Planeten in den Bann gezwungen wurden und sie umkreisen. Darunter sind groteske Seltsamkeiten wie Phobos und Deimos, die kartoffelförmigen Winzmonde des Mars, aber auch gewaltige Welten wie die großen Jupitermonde, von denen einige trotz ihrer spezifischen Eigentümlichkeiten womöglich eigenständiges Leben hervorgebracht haben.

– „Galaxien“ (S. 142-159): Die Vorstellungskraft des Menschen beginnt zu versagen, lässt er die Grenzen des eigenen Sonnensystems oder gar der Milchstraße hinter sich. Milliarden weiterer Galaxien stehen am Firmament. Sie sind oft von einer Fremdartigkeit, die erschreckt. Die moderne Astronomie hat unerschrocken begonnen, „Ordnung“ in dieses kosmische Gewirr zu bringen; wieso dies eine Sisyphusarbeit ist, können die Fotos dieses Kapitels nachdrücklich belegen.

– „In den Weiten des Alls“ (S. 160-171): Doch damit beginnen die Rätsel eigentlich erst. Das Universum ist seit seiner Entstehung so groß geworden, dass selbst das Licht der Galaxien an seinem „Rand“ die Erde kaum erreicht hat. Was wir sehen oder sichtbar machen können, ist ein Blick in die Vergangenheit. Je weiter wir schauen, desto „älter“ ist das Licht, das uns somit die Welt nach dem „Big Band“ zeigt, mit dem alles begann. 13 Milliarden Jahre können wir inzwischen zurückblicken, womit wir uns dem Ursprung allen Seins zu nähern beginnen.

„Das All!“ ist über die Präsentation kosmischer Phänomene hinaus Bestandsaufnahme der fotografischen Technik, die es heute ermöglicht, diese Wunder zu fixieren, die dem menschlichen Auge sonst verborgen bleiben müssten. „Das Universum der Farben“ erläutert, wie die sensationellen Bilder in diesem Buch möglich wurden. Ergänzt wird dieses Kapitel durch eine kommentierte Auflistung der unerhört ausgetüftelten Teleskope, Satelliten, Raumschiffe, Sonden und Kameras, die in vier Jahrzehnten jenes Bild vom Kosmos vermitteln halfen, das in diesem Buch dokumentiert wird. Ein zweiseitiges Glossar erläutert noch einmal die wichtigsten astronomischen Fachbegriffe, an denen dieses Buch notgedrungen so reich ist. Der Index ermöglicht es abschließend, bestimmte Informationen nachzuschlagen.

Ist es möglich, auf weniger als 200 Bild- und Textseiten darzustellen, was „da draußen“ im Universum „ist“? Die Verfasser des hier vorgelegten Werkes können diese Frage geradezu Aufsehen erregend bejahen: Es funktioniert, wenn man auf ein Bildmaterial zurückgreifen kann, das die sensationellsten astronomischen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte umfasst.

Kein halbes Jahrhundert ist es her, dass kamerabestückte Sonden ins All geschossen wurden. Was sie vor Ort in Bildern festhielten, revolutionierte damals die astronomische Wissenschaft. Und doch wirken diese Fotos heute „wie mit einer Pappkamera gemacht“: so das drastische Urteil eines der Autoren dieses Buches. Was er damit meint, wird rasch klar: Die hier auf knapp 190 Seiten versammelten Abbildungen dokumentieren einen Fortschritt, dessen Ergebnisse den Menschen erschrecken können.

Gemeint sind damit weniger die Bilder von den Planeten, Monden und Asteroiden des Sonnensystems. Sie sind primär faszinierend, stellen sie uns doch in nie gekannten Details Orte vor, die wir vom Blick in den Nachthimmel kennen oder von denen wir gelesen haben: Dass es einen Uranus, einen Neptun oder einen Pluto gibt, kann sich heute (hoffentlich) selbst der naturwissenschaftliche Ignorant vorstellen.

Doch die Vorstellungskraft wird auf eine harte Probe gestellt, sobald der Blick über dieses Sonnensystem hinausschweift. „200 Milliarden Sterne“ findet man dort: Das ist ein Wert, unter dem sich der Mensch nicht wirklich etwas vorstellen kann. Dabei ist dies nur die Zahl der Sterne in der eigenen Milchstraße! Das Universum erstreckt sich vermutlich mehr als 13 Milliarden Lichtjahre in alle Richtungen und dehnt sich beständig weiter aus. Was soll man sich unter dieser Entfernung vorstellen? Hier müssen die meisten Menschen ihre geistigen Waffen strecken. „Das All!“ macht deutlich, dass trotzdem die Arbeit an der Entschlüsselung der universalen Geheimnisse wacker voranschreitet. Da draußen ist nicht nur etwas, es lässt sich auch ergründen und erklären.

Die moderne Technik unterstützt solche Forschungen. Was sich der Mensch einfallen ließ, um 13 Milliarden Jahre in die Vergangenheit zu blicken, versöhnt durchaus mit den alltäglichen Scheußlichkeiten, die sich unsere Spezies so reichlich einfallen lässt: Richtet er sich gezielt auf Ziele, richtet der menschliche Geist wahrlich Erstaunliches aus! Wer hätte noch vor zehn, fünfzehn Jahren geglaubt, dass sich theoretische Konstrukte wie „Pulsare“ oder „Schwarze Löcher“ tatsächlich fotografisch belegen lassen? Immer Neues bringt die Suche im Kosmos zu Tage. Vieles fügt sich zu dem, was man bisher in Erfahrung brachte, anderes verstört ob seiner unglaublichen Fremdartigkeit. Doch auch diese Entdeckungen werden früher oder später entschlüsselt; daran lässt die Lektüre von „Das All!“ kaum Zweifel.

Für gottesgläubige Zeitgenossen mag das erschreckend oder wenigstens ein Ärgernis sein: Gott würfelt vielleicht deshalb nicht, weil es ihn überhaupt nicht gibt. Die Autoren von „Das All!“ klammern diesen Aspekt sorgfältig aus. „Ihr“ Universum funktioniert in der Tat ohne kosmischen Steuermann. Sicherlich macht dies mit den Schrecken aus, der sich in die Faszination mischt: In diesem womöglich tatsächlich unendlichen All könnten das Sonnensystem, die Erde und die Menschen eine Laune der Natur sein – nicht mehr aber auch nicht weniger. Nicht jede/r kann es unter diesen Umständen ertragen, den Blick zum Nachthimmel zu wenden.

Wer es – zumal unterstützt durch die moderne Technik – riskiert, wird freilich belohnt. Für die in diesem Band versammelten Fotos stellt das Prädikat „eindruckvoll“ im Grunde eine Untertreibung dar. Noch erstaunlicher ist das Aufgehen eines Konzepts, das die textlichen Erläuterungen auf ein Minimum begrenzt und die Leser trotzdem umfassend informiert. Der oft beschworene „Mut zur Lücke“ wird hier belohnt, weil beim „Abschmelzen“ des jeweils möglichen Informationsblocks die relevanten Fakten zurückbleiben. Wer meint, dies sei einfach, versuche sich doch einmal an einer Definition von „coronaler Loop“ in vierzig kurzen Zeilen …

„Das All!“ ist in jeder Beziehung kein billiges Vergnügen – das Buch ist kostspielig, sein Inhalt dem Thema jederzeit gewachsen. Bestes Kunstdruckpapier optimiert eine Reise durch das Universum, die wie selten zuvor erschreckt und fasziniert.

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