Stephen Baxter – Sternenkinder (Kinder des Schicksals 2)

Langwierig und komplex: Angriff auf das Schwarze Loch

Die ferne Zukunft in 25.000 Jahren: Ein erbarmungsloser Krieg gegen die Xeelee tobt in der von den Menschen fast komplett besiedelten Galaxis. Eine Krieg ohne jede Hoffnung auf einen Sieg. Ein Krieg, der bereits tausende von Jahren dauert und das Einzige ist, was die menschliche Zivilisation noch zusammenhält. Ein Krieg, den eine Handvoll Kinder beenden muss … Bis es dem Kampfpiloten Pirius gelingt, einen Xeelee-Nachtjäger zu kapern, so dass man dieses mysteriöse Kampfgerät untersuchen kann. Pirius‘ weiterer Weg führt ihn direkt in die Festung der feindlichen Xeelee – ins Herz der Galaxis. (Verlagsinfos)


Der Autor

Der Engländer Stephen Baxter, geboren 1957, zählt zu den bedeutendsten Autoren naturwissenschaftlich-technisch orientierter Science-Fiction. Aufgewachsen in Liverpool, studierte er Mathematik und Astronomie und widmete sich danach ganz dem Schreiben. Baxter lebt und arbeitet in der englischen Grafschaft Buckinghamshire.

Seine Bücher werden häufig mit den Pionierwerken von Heinlein und Asimov verglichen. Das ist auch ganz in Ordnung, doch hegt er keine Sympathien für Heinleins militaristische und libertäre Tendenzen und dessen Neigung zu dozieren. Ich sehe ihn daher vielmehr in der Nähe zu einem anderen Superstar des Genres: zu Arthur C. Clarke. Mit dem Autor von [„2001 – Odyssee im Weltraum“ 1510 kooperierte Baxter schon mehrmals, so etwa in „Das Licht ferner Tage“. In dieser Tradition popularisiert Baxter Ideen der Science-Fiction und der Naturwissenschaft. Hierzu gehört wohl auch seine Roman-Trilogie über Mammuts und ein Roman mit dem selbsterklärenden Titel „Evolution“.

Aber Baxter war zu Beginn seiner Autorenlaufbahn auch richtig anspruchsvoll. Sein mehrbändiger XEELEE-Zyklus stellt eine eigene Future History dar, in der eine Galaxien umspannende Alienkultur, die Xeelee, mit den Menschen in Kontakt tritt. Der Zyklus umfasst die Romane:

– Das Floß
– Das Geflecht der Unendlichkeit
– Ring
– Flux
– Vakuum-Diagramme (Erzählungen)

Der Zyklus „Destiny’s Children“:

„Der Orden“ („Coalescent“) ist der Auftaktband eines Zyklus. Er wurde bereits fortgesetzt mit „Sternenkinder“ („Exultant“, 08/2005) und mit „Transzendenz“ (10/2006) sowie „Resplendent“ (2007, unübersetzt). Mit „Sternenkinder“ gelingt es Baxter, den Zyklus „Destiny’s Children“ mit seinem Xeelee-Zyklus zu verknüpfen. Raffiniert.

|Stephen Baxter auf Buchwurm.info:|

[Imperator 3516 (Die Zeit-Verschwörung 1)
[Eroberer 4333 (Die Zeit-Verschwörung 2)
[Der Orden 1040 (Kinder des Schicksals 1)
[Sternenkinder 1591 (Kinder des Schicksals 2)
[Transzendenz 3193 (Kinder des Schicksals 3)
[Zeit 389 (Das Multiversum 1)
[Evolution 282
[Die Zeit-Odyssee 1496
[Anti-Eis 1504
[Zeitschiffe 3084
[Vakuum-Diagramme 304
[Das Licht ferner Tage 1503

Handlung

In 25.000 Jahren befindet sich die Menschheit seit über zehntausend Jahren im Krieg mit den feindlichen Xeelee. Die Menschen haben von der Erde ausgehend in drei Expansionswellen die Milchstraße besiedelt, bis sie in 25.000 Lichtjahren Entfernung auch zum Kern der Galaxis gelangten. Dort ist der Nachthimmel nie dunkel, sondern erfüllt von Sonnen. Dort tobt der Krieg seit 3000 Jahren. Aber wieso werden die Xeelee nicht besiegt?

Pirius ist ein junger Fliegeroffizier, der auf einer Basis im Kern stationiert ist. Die Basis beherbergt zehntausende von Soldaten. Eines Tages bekämpft Pirius mit seinem überlichtschnellen Schiff feindliche Schiffe der Xeelee. Nur durch einen Verstoß gegen die Kampfdoktrin gelingt es ihm, den Gegner zu besiegen und unbeschädigt zu kapern. Statt nun aber mit Orden überhäuft zu werden, wird Pirius mitsamt seiner Mannschaft getadelt und bestraft, denn schließlich ist die Doktrin heilig.

Es gibt nun, bedingt durch die Paradoxien des Überlichtkampfes, zwei Piriusse – Blau und Rot. Pirius Rot wird vor der Vernichtung durch die Intervention eines Politikers namens Nilis bewahrt. Dieser Kommissar für geschichtliche Forschung nimmt Pirius mit zur Alten Erde, um etwas über die Ursachen des galaktischen Krieges in Erfahrung zu bringen. Eine Offizierin verdonnert Pirius‘ Gefährtin Torec dazu mitzufliegen. So will man sicherstellen, dass Pirius, immerhin ein Flieger, nicht völlig durchdreht. Das Leben an Bord eines Raumschiffes kennen die Flieger nämlich nicht.

Nilis berichtet von horrenden Verlusten im Laufe des langen Xeelee-Krieges. Jede Sekunde sterben drei Menschen, in einem Jahr sind es mehrere Milliarden – und dies seit zehntausenden von Jahren. Die Kriegswirtschaft trägt dazu bei, ganze Welten auszubeuten und abgenagt zurückzulassen. Was, wenn eines Tages alle Rohstoffressourcen der Galaxis erschöpft sein werden? Vom geistigen Stillstand der Menschheit ganz zu schweigen. Und die Xeelee sind natürlich auch in der nächsten Galaxie. Es gibt keine Hoffnung auf Änderung. Aber muss der Ewige Krieg Schicksal sein? Nilis hofft es nicht.

Pirius Blau wird mit zwei Gefährten zur Infanterie versetzt, natürlich in einem anderen Sternencluster des Kerns, um Verwechslungen zu vermeiden. Die Versetzung kommt einer Degradierung gleich. Bei den Fußsoldaten herrschen ganz andere Sitten als bei der Kriegsmarine. Und es gibt hier Ketzer, denen die Doktrinen von Hama Druz gegen den Strich gehen. Pirius muss sich gründlich umstellen, hat aber Gelegenheit, zahlreiche Entdeckungen zu machen.

|Die Erde|

Nilis fliegt mit Pirius Rot und dessen langjähriger Freundin und Kopilotin Torec zur Erde, fast 50.000 Lichtjahre weit. Als sie dort endlich ankommen, erfährt Pirius, dass sein gekaperter Xeelee-Nachtjäger auf dem Mond untersucht wird. Wozu? Na, um die Geheimnisse der Xeelee herauszufinden, aber auch, um den Xeelee-Nachtjäger so umzubauen, dass man damit zurück ins Zentrum des Xeelee-Widerstands, ins Galaktische Zentrum, nach Chandra, fliegen könne. Was soll das heißen, will Pirius von Nilis wissen. Ganz einfach: Er, Pirius, werde mit dem Xeelee-Nachtjäger als Xeelee getarnt einen Angriff auf Chandra, die Festung des Feindes, fliegen – alles klar? Nix ist klar, aber Pirius muss damit zurechtkommen. Die politische und finanzielle Unterstützung hat sich Nilis rechtzeitig gesichert. Denkt er.

Während sich Pirius zum Piloten des Xeelee-Nachtjägers ausbilden lässt, arbeitet seine Freundin Torec an der Konstruktion eines verbesserten Modells. Und wie Nilis ihr klipp und klar zu verstehen gibt, ist dieser Flieger ihr einziges Ticket, um wieder in ihre Heimat zu gelangen. Sonst landet sie nämlich in den Gruben des heißen Merkur, auf Nimmerwiedersehen!

Wie sich herausstellt, brauchen Pirius & Co. drei Dinge, um ihren Flieger so auszustatten, dass er a) jedem Xeelee-Nachtjäger entkommen und b) Chandra angreifen kann: 1) einen Steuerungsprozessor, dessen Logik ihn viel schneller reagieren lässt als einen menschlichen Piloten; 2) einen Gravitationsschirm, mit dem sich der Flieger vor den Xeelee verbergen lässt; und 3) braucht er natürlich eine potente Waffe.

Da es sich, wie Nilis bestätigt, bei Chandra um Xeelee-Strukturen um das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße handelt, muss eine Waffe zum Einsatz kommen, die entsprechende Schwerkrafteigenschaften aufweist. Sie muss praktisch selbst kleine Schwarze Löcher abfeuern. Eine kleine Sache, wenn man weiß, dass ein Schwarzes Loch deshalb so heißt, weil es sogar Licht durch seine immense Anziehungskraft nicht entfliehen lässt.

Doch wer hat je von einer solchen Waffe gehört? Wie sich herausstellt, ein uraltes Mitglied des zentralen Kontrollrates der Regierungskommission: Luru Parz. Sie ist ein unheimliches Wesen, das Pirius eine Gänsehaut verursacht. Und es liegt nicht bloß an ihren schwarzen Zähnen und ihrem großen Alter. Vor 10.000 Jahren begann nach dem Abzug der Quax-Eroberer der Feldzug der Erde gegen die Xeelee um die Vorherrschaft über die Galaxis, und schon damals gab es Luru Parz, wenn man ihren Angaben glauben darf.

|Alles fertig?|

Nach einer Einkaufstour durchs gesamte Sonnensystem haben Nilis & Co. endlich alle drei Bauteile zusammen und können sie erproben. Als auch dies gegen alle Widerstände und trotz zahlreicher Unfälle erfolgreich verläuft, brauchen sie noch einen Fahrschein zum Zentrum der Galaxis. Aber will ihnen die Kontrollkommission diesen geben? Zunächst sieht es gar nicht so aus.

Was wäre denn, wenn dieser neuartige Jäger die Xeelee tatsächlich aus dem Zentrum der Galaxis vertreiben würde? Was, wenn der Krieg, den jeder seit zehntausenden von Jahren als Faktum kennt, plötzlich beendet wird? Was, wenn die vielen Millionen Kinder, die jeden Tag geboren oder sonstwie erzeugt werden (es gibt eine geheimgehaltene Koaleszenz unter dem Olympus Mons auf dem Mars), nicht mehr als Kanonenfutter gebraucht werden? Was soll mit ihnen geschehen? Was wird aus dem Militär, das nun keiner mehr braucht? Und wer zeigt die Ziele, die es nun anzustreben gilt? Gehört die staatliche Doktrin des Philosophen Hama Druz, wonach ein kurzes Leben hell brennt, nun auf den Schrotthaufen der Geschichte?

Nilis, Pirius und ihre Gefährten müssen vor dem Kriegsrat unerwarteterweise ihre härteste Probe bestehen…

Mein Eindruck

Nach dem ersten Band seines Zyklus „Destiny’s Children“ macht der Autor einen Riesensprung in der Zeit. Der Leser fragt sich zunächst, was aus Michael Poole, der Hauptfigur des Startbandes, geworden ist. Der taucht als Akteur erst wieder in Band drei auf. In „Sternenkinder“ stoßen Nilis & Co. immer wieder auf Pooles Spuren, ohne jedoch dessen Rolle eingehender klären zu wollen – oder zu können. Denn aus Platzgründen werden so manche Szenerien und Funde etwas kurz abgehandelt. Das erscheint angesichts eines Seitenumfangs von ziemlich genau 700 Seiten zwar etwas paradox, aber der Autor spult ja auch ein riesiges Programm ab.

Großes Programm

Der Roman ist in drei Abschnitte aufgeteilt, wobei jeder einen thematischen Schwerpunkt hat. In Teil eins steht der Ausgangspunkt und das Ziel des Unternehmens im Vordergrund, in Teil zwei verfolgen wir das Voranschreiten dieses Unternehmens mit gleichzeitiger Weiterverfolgung von Pirius‘ Zeitzwiling, Pirius Blau. In Teil drei gelangt das Unternehmen Chandra endlich zur Ausführung. Der Ablauf ist logisch und konsequent, aber wegen des Umfangs kann dieser Überblick schon mal verloren gehen. Deshalb ist es dringend angeraten, das Buch zügig durchzulesen.

Die Drehung der Schraube

Hatte der Autor im dritten Teil zu viel Platz? Kann eigentlich nicht sein, aber trotzdem erlaubt er sich eine Rekapitulation der Entstehung des Universums von den ersten Mikrosekunden bis zur Jetztzeit – d. h. in 30.000 Jahren. Diese Beschreibung wechselt mit der Schilderung der Vorbereitungen und der Ausführung des finalen Angriffs auf Chandra ab und erhöht als erzählerischer Kniff die Spannung auf der Handlungsseite. Denn auf der Universum-Seite geschieht nicht allzu viel und wenn doch, dann in riesigen Maßstäben. Nicht, dass ein Mensch ein Universum von drei Zentimetern Durchmesser riesig nennen würde, aber für die Lebewesen, die darin existieren, ist es eben, relativ gesehen, schier unermesslich groß. Sie leben nämlich im subatomaren Bereich.

Und an diesem Punkt beginnt der Autor natürlich gewisse Ansprüche an den Leser zu stellen, nämlich Kenntnisse in Quantenpysik. Man sollte also eine Ahnung haben, was unter Quarks, Strings, Baryonen (= Protonen und Neutronen) sowie den Kräften, die zwischen ihnen wirken, zu verstehen ist. Hat man dieses Wissen nicht drauf – etwa weil man die Wikipedia nicht zur Hand hat -, so dürften diese kurzen Kapitelchen ein bisschen Kopfzerbrechen bereiten oder sogar langweilig und verwirrend wirken. Man kann sie natürlich auch überspringen.

Aber dann tauchen am Schluss auf einmal die Photino-Vögel auf. Wo kommen die denn wieder her? Liest man diese kleinen Kapitel dennoch, so wird deren Existenz und Eigenart erklärt. Sie sind Lebewesen, die in der dunklen Materie leben, u. a. inmitten einer Sonne. Nicht gerade ein schattiges Plätzchen. Wer die Kurzgeschichten des Autors gelesen hat, die in dem Erzählband „Vakuum-Diagramme“ (dt. bei |Heyne|) gesammelt sind, so weiß man mit diesen und vielen anderen Viechern des Teilchenzoos, die der Autor beschreibt, wesentlich mehr anzufangen. Manchmal hatte ich den Eindruck, der Autor breite hier seine private Kosmogonie aus und führe sie in „Sternenkinder“ einem Recycling zu. Das spart sicher eine Menge Arbeit und erklärt Baxters ungeheure Produktivität, aber ein fader Beigeschmack bleibt dann doch.

Das Buch ist Gregory Benford gewidmet, einem weiteren bekannten Designer riesiger galaktischer Szenarien. Dessen sechsteiliger CONTACT-Zyklus (dt. bei |Heyne|) schildert den Kampf der Menschheit mit einer Maschinenzivilisation. Was Baxter in „Sternenkinder“ vorführt, ist also nicht so wahnsinnig neu, sondern baut auf anderen Autoren, vor allem aber auf dem eigenen mehrteiligen XEELEE-Zyklus auf.

Sense of Wonder

Der Trick, den der Autor immer wieder aufs Neue einsetzt, besteht in der Hervorrufung eines „Sense of Wonder“, eines geistigen „Aha!“ und „Wow!“ im meist jugendlichen Leser. Dafür fährt der Autor jede Menge schweres Geschütz auf: ungeheure Zeiträume, ungeheure Labyrinthe unter dem höchsten Vulkan des Sonnensystems, Unmengen von Kindersoldaten und natürlich ein gigantisches Schwarzes Loch, dem sich die kleinen Krieger todesmutig nähern.

Das Problem mit diesem Ansatz ist, dass er nur bei Lesern funktioniert, die sich noch wundern können und dies auch immer wieder erleben wollen. Man muss also ein gewisses Maß von Unbefangen- und Unwissenheit mitbringen. Dem widerspricht aber die Anforderung des Autors, über Quarks und Quantenphysik Bescheid zu wissen. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Lesergruppe, die beide Bedingungen erfüllt, relativ klein sein dürfte. Vielleicht handelt es sich um Physik- und Raumfahrtstudenten. Die dürften mit Baxters Teilchenzoo auf vertrautem Fuß stehen.

Die armen Quagmiten

Ich bin als SF-Leser eine Ausnahme, der nur eine Bedingung erfüllt: Ich kenne mich mit der Quantenphysik aus, aber auch mit der Ideengeschichte der Science-Fiction. Was also der wunderbare Teilchenzoo bewirken soll, versagt bei mir ebenso wie die anderen „Wunder des Universums“, denn: Alles schon gesehen, ätsch! Dementsprechend habe ich mich viele Male gelangweilt („gähn!“) und war froh, als es endlich vorbei war. Am interessantesten war noch Baxters Privattheorie über den Anfang unseres Universums. Das ist zwar ohne Dialoge und ohne Akteure geschildert, entbehrt aber keineswegs der Dramatik. Die armen Quagmiten! Diesen Untergang haben sie nicht verdient!

Militär am Zug

Der Sense of Wonder soll überlagern, dass es sich im Grunde bei diesem Roman in erster Linie um die Vorbereitung und Ausführung einer Militäroperation handelt. Dass nebenbei noch das künftige Sonnensystem und fremdartige Lebewesen kennengelernt werden, ist sozusagen der Zuckerguss und die besondere Zutat, die für den Sense of Wonder notwendig ist.

Was ich aber schade finde ist, dass sich die Akteure, besonders Pirius und Torec, unter diesen Begegnungen nur unwesentlich verändern. Pirius entwickelt sich von einem einfachen Piloten zu einer Art Projektleiter und General, aber man könnte nicht sagen, dass von ihm großartige Erkenntnisse über das Wesen des Universums zu erwarten sind. Diese Rolle fällt eher dem Zivilisten Nilis zu, der auch seine Erkenntnisse in Politik umsetzen kann. Am Schluss zählt jedoch die Tat, und dann sieht der furchtsame und zweifelnde Denker Nilis ziemlich alt und lächerlich aus. Das fand ich etwas unfair.

Die Übersetzung

Immer wieder ein Streitpunkt unter Übersetzern ist die Frage, ob man Dienstränge übernehmen oder mit der deutschen Entsprechung ersetzen soll. (Siehe auch John Ringos Militäropern, die Heinz Zwack übertrug.) Aber was hat sich der Leser unter einem „Ensign“ auf Seite 49 vorzustellen? Meist wird das im Wörterbuch mit „Fähnrich“ übersetzt, was wiederum ein sehr niedriger Marinedienstgrad ist.

Auf Seite 549 gibt es ein hübsches Verwirrspiel: Wer findet den Druckfehler? Da heißt es: „Quarks und Anti-Quarks, Elektronen und Positionen …“ Natürlich muss es „Positronen“ heißen, und diese finden in Asimovs Robotergehirnen ihren wichtigsten Einsatzort.

Auf Seite 601 fand ich eine dubiose Übersetzung, die aber durchaus auch einem versierten Übersetzer passieren kann. „… der schwierige und temperamentvolle Grav-Schild“. Nun sollte sich der deutsche Leser nicht ein energiereiches Dingsbums vorstellen, sondern vielmehr ein launisches. Dann ergibt auch das Attribut „schwierig“ einen Sinn. „Launisch“ heißt im Englischen „temperamental“, und das kann man, wenn man nicht genau Bescheid weiß oder schludert, mit „temperamentvoll“ falsch übersetzen.

Ein Stilbeispiel der üblen Sorte findet sich auf Seite 418. Da heißt es im letzten Absatz: „Die hiesige Biochemie [auf dem Mond Callisto] basiert auf Kohlenstoffketten und Wasser – fast wie auf der Erde, aber nicht ganz. Die Energieströme sind hier nur schwach, und die Replikation erfolgt sehr langsam, über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren hinweg. Die Kryptoendolithen selbst waren nicht besonders interessant – außer aus einem einzigen Grund.“ Man sieht also, dass die Diktion mitunter schon etwas schwergängig ist und gewisse wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzt – die von Physik-, Chemie oder Raumfahrtstudenten nämlich.

Unterm Strich

Eigentlich versuchen die Hauptfiguren dieses lang und breit ausgewalzten Garns lediglich, dem Feind einen endgültigen Schlag zu versetzen, von dem sich dieser nicht wieder erholt. Wie sich herausstellt, müssen sie zu diesem Zweck fast das Sonnensystem und die maßgeblichen Kontrollstellen umkrempeln. Sie stoßen auf Wunder und Schrecken, wodurch das Buch relativ unterhaltsam wird, wenn man es zügig durchliest.

Allerdings fand ich es dennoch unglaublich dröge durch die Art und Weise, wie die Figuren geschildert werden. Keine von ihnen – mit sehr wenigen Ausnahmen wie Nilis und Luru Parz – vermochte meine Aufmerksamkeit zu fesseln, denn sie sind allesamt nur Funktionsträger, kaum als Individuen zu erkennen. Ihnen fehlen häufig Macken und Farbe, aber der Autor bemüht sich, sie kenntlich zu machen. Schade, dass sie mich dennoch kaum zu interessieren vermochten.

Baxter hat eine eigenartige Methode, Science-Fiction zu schreiben, aber sie ist offensichtlich erfolgreich: die Wunder der Naturwissenschaft, verborgene Geheimnisse und Verbrechen der Menschheit, dazu ein spannender militärischer Auftrag – fertig ist das Kochrezept. Schwierig ist nur die Ausführung. Mich hat sie nur begrenzt unterhalten – zu den Gründen siehe oben. Wer sich für exotische Naturwissenschaft begeistern kann, der ist hier sicherlich an der richtigen Adresse. Wie begehrt solche Romane sind, belegen die hohen Preise, die für gebrauchte Ausgaben von „Flux“ und „Ring“ verlangt werden.

Originaltitel: Exultant, 2004
703 Seiten
Aus dem US-Englischen von Peter Robert
ISBN-13: 3453521013

http://www.heyne.de
http://www.stephen-baxter.com/
www.heyne.de

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