Besher, Alexander – Virtual Tattoo (Rim-Trilogie 2)

_Die |RIM|-Trilogie:_

1) „Rim“ (1994, „Satori City 2.0“, dt. 1996)
2) „Mir“ (1998, _“Virtual Tattoo“_, dt. 1999)
3) „Chi“ (1999, „Cyber Blues“, dt. 2001)

_Spielzeugland Cyberspace_

Nachdem Alexander Besher bereits mit „Satori City 2.0“ eine furiose Mischung aus Cyberspace-Opera, Thriller und Fernost-Esoterik-Trip abgeliefert hatte, bietet er mit „Virtual Tattoo“ gewissermaßen eine Fortsetzung.

Hieß das erste Buch im Original noch „RIM“ – englisch für Rand – , so heißt „Virtual Tattoo“ im Original „MIR“ – russisch für Frieden, Welt. Auch hier taucht der Held des Romans „RIM“, Frank Gobi, wieder auf. Die Hauptrolle spielt nun jedoch sein Sohn Trevor. Dass es sich bei „Virtual Tattoo“ um ein Drama handelt, macht die Einteilung des Romans in drei Akte, zwei Pausen sowie Pro- und Epilog deutlich.

_Der Autor_

Alexander Besher war Chefredakteur der Zeitschrift „Chicago Review“, bevor er eine erfolgreiche japanische Krimiserie entwickelte und Schriftsteller wurde. „Satori City 2.0“, der Startband der „RIM“-Trilogie, war sein erster Roman. Dass Besher als Sohn weißrussischer Eltern in China geboren wurde und in Japan aufwuchs, merkt man seinen Romanen auf jeder Seite an: Die Kultur, Sprache und das Verhalten des Fernen Ostens sind ihm so geläufig wie nur wenigen anderen Autoren.

Dass der Autor mit dem Fernen Osten so vertraut ist, setzt allerdings beim westlichen SF-Leser ebenfalls eine gewisse Vertrautheit voraus. Gibson leistete zwar schon Vorarbeit, aber Besher geht doch weit über die „Neuromancer“-Trilogie hinaus.

Heute lebt er in San Francisco, wo er als Journalist über Technologietrends berichtet. In den letzten zehn Jahren veröffentlichte er die Kabbala-Trilogie, die Supernatural-Horror und Thriller verknüpft, sowie zwei Bände über den Manga Man. Sein Debütroman „Satori City 2.0“ wurde für den Philip K. Dick Award nominiert.

_Handlung_

Im Jahr 2036 ist ein neuer Kalter Krieg ausgebrochen, diesmal aber im Cyberspace. Da dies aber nicht mehr nur das Internet und die dreidimensionalen „Avatars“ darin umfasst, sondern auch die Schnittstellen zum menschlichen Geist und Körper, bedrohen die Mächte, die im Cyberspace das Sagen haben, letzten Endes alle Menschen, die mit dem Cyberspace arbeiten.

Ein russischer Hacker hat über die Raumstation MIR ein außerirdisches intelligentes Software-Virus eingefangen und „veredelt“. Es wird vom Geheimdienst zur Bestrafung von Verbrechern in einem geistigen Gulag benutzt. Leider kommt es dem Abteilungsleiter, Graf Viktor Trobolski in Nizza abhanden. Zwei unbeteiligte US-Touristen kehren damit nach San Francisco zurück: Nelly und Trevor Gobi, unser alter Bekannter.

Wie sich zeigt, benutzt das Virus zur Ausbreitung Tätowierungen, die mit ihrem Träger interagieren, also halb intelligent sind. MIR 3.0 bewegt sich sehr bald schon durch den Cyberspace, und von Tattoo zu Tattoo breitet er sich auf der Erde aus. Seine erste Wirtin, Nelly, transformiert er und verhilft ihr zu höherem Bewusstsein. Ihr Freund Trevor macht sich mit Recht Sorgen um sie, wird aber abgelenkt durch eine heiße Affäre mit einer Regierungsagentin, Alex Fortuna, die illegal eingewanderte Avatars im Cyberspace bekämpft und sich auffallend für Nelly interessiert. Natürlich sind auch die russischen Hacker hinter Nelly und ihrem Virus her.

Was nun aussieht, als ob es auf eine Katastrophe zusteuert, findet doch noch ein Happy End – auf einem esoterischen Cyberspace-Woodstock-Festival. Nelly und Trevor finden wieder zueinander, und die Bösen finden ihr gerechtes Ende.

_Mein Eindruck_

Besher ist leider weit entfernt von der Innovationskraft und Kritikfähigkeit William Gibsons („Neuromancer“, „Idoru“). Vielmehr schwelgt er in der Lust an sprachlichen Spielereien, ergötzt den Leser mit einem bunten Ramschladen von Esoterik-Schnickschnack, und führt schließlich alles zu einem guten Ende. Bei ihm ist die Welt zwar gefährlich, aber am Schluss stets gerecht. So können die zwei Hauptfiguren, Nelly und Trevor, zwar wie die Traumwandler von Gefahr zu Gefahr taumeln, sie finden jedoch überall einen hilfreichen Freund, und sei es auch eine Bande Taxi fahrender tibetischer Mönche. „Lonley Planet“ lässt grüßen!

Seine Handlung würzt Besher mit zahlreichen Neben-Erzählungen und Rückblenden, die lästiger- und überflüssigerweise in Kursivschrift gesetzt sind – ebenso übrigens wie die Gedanken der Figuren. Das ist wirklich penetrant. Offenbar soll hier jedem 15-Jährigen klar werden, was gerade Sache ist. Auch die zahlreichen erotischen Szenen sprechen pubertierende Boys and Girls an, und Besher schreckt dabei vor keinem Klischee zurück. Immerhin liest sich sein Garn äußerst flüssig, wenn man es mit der Logik nicht so genau nimmt.

|Taschenbuch: 344 Seiten
Originaltitel: MIR (1998)
Aus dem US-Englischen übertragen von Michael Nagula
ISBN-13: 978-3442250110|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann

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