Binding, Tim – Fischnapping (Lesung)

Es war einmal ein sehr frustrierter Mann, der an seiner Ehefrau nichts Gutes mehr finden konnte und daher beschloss, sie eines Abends von einer Klippe in die Tiefe zu stürzen, um fortan als freier und glücklicher Mann zu leben. Und so geschah es: Nach einem heftigen Ehestreit verließ das ungeliebte Weib in einer gelben Öljacke das Haus, der Mann – nennen wir ihn einfach Al Greenwood – folgte ihr, versteckte sich an der Klippe in einem Busch und als dann eine Frau in gelber Öljacke auf der Klippe ankam, schubste er sie in die Tiefe. Glücklich und zufrieden kehrte Al nach Hause, um dort – man ahnt es bereits – seine Ehefrau, lebend und putzmunter, anzutreffen. Soweit die Geschichte des Vorgängerromans „Cliffhanger“, den ich einst mit Begeisterung gelesen habe.

In „Fischnapping“ nun kehrt Al Greenwood nach vier Jahren aus dem Gefängnis, wo er nicht etwa gesessen hat, weil er jemanden von der Klippe geschubst hat, sondern weil er im Verdacht stand, seine eigene (uneheliche) Tochter Miranda getötet zu haben. Nun aber ist Als Frau Audrey zurückgekehrt – wundersam erschlankt und glücklich mit einer Frau zusammenlebend -, um sich der Polizei zu stellen. Denn sie war es, die Als uneheliche Tochter in besagter Schicksalsnacht um die Ecke gebracht hat.

So darf Al sein altes Leben aufnehmen, doch wohnen bereits andere Leute in seinem alten Haus, der geliebte Fischteich ist zugeschüttet und seine herzallerliebsten Karpfen hatte seine verhasste Frau ja bereits im ersten Buch ermordet, sodass sie Al fortan nur noch in ausgestopfter Form – man höre und staune! – begleiten. Ein Gedanke aber lässt ihn nicht los: Wen um Himmels Willen hat er damals von den Klippen gestoßen? Denn eins ist klar: Eine Frau musste in der Nacht dran glauben und es war weder Audrey noch seine eigene Tochter oder etwa die Frau des Inspectors, wie er ebenfalls vermutet hatte. Denn die Frau des Inspectors ist inzwischen Audreys Geliebte. Diese aber hat immer noch nicht mit ihrer eigenen Ehe abgeschlossen und beschließt daher, Al zu ihrem Geliebten und Komplizen zu machen, damit dieser für sie den kostbaren und preisgekrönten Koi aus dem Teich ihres Mannes stiehlt. Und so dreht sich das Beziehungskarussell in diesem Buch immer schneller und schneller.

Außerdem erfahren wir, dass Al gar nicht so unschuldig ist, wie er immer gerne tut und einen glauben machen möchte, denn er hat nicht nur eine Frau auf dem Gewissen, sondern auch bereits den Verlobten seiner ehelichen Tochter Carol, der ihm stets ein Dorn im Auge war, weil dieser besser Scrabble spielen konnte als er selbst. Für diese Tat möchte seine Tochter ihn immer noch hinter Gittern bringen – man darf also gespannt sein, wie sich Al Greenwood aus etlichen brenzligen Situationen befreit …

_Der mit dem Blub_

Tim Binding ist mir dank „Cliffhanger“ als Autor mit wunderbar schwarzem britischem Humor im Gedächtnis geblieben, der schräge Charaktere zeichnet und ziemlich bitterböse Geschichten schreiben, einen gleichzeitig zum Lachen bringen kann. Eine wunderbare Mischung, die mich natürlich auch zu „Fischnapping“ hat greifen lassen – dieses Mal in Form einer Lesung durch Bernd Stephan.

Genau diese Tradition setzt Binding auch in „Fischnapping“ fort: Die Geschichte ist wieder einmal kurios: Während Al vier Jahre „unschuldig“ im Gefängnis gesessen hat, hat seine Frau Audrey den Sport für sich entdeckt und auch die gleichgeschlechtliche Liebe. Doch eines Nachts plagt ein Albtraum sie, sodass sie beschließt, ihren Teil der Schuld zu tragen und sich der Polizei zu stellen. Das wiederum macht den Weg für Al frei, der seine Freiheit natürlich gleich dazu nutzt, um neues Chaos zu stiften. Er gedenkt seines ersten Todesopfers, nämlich des Verlobten seiner eigenen Tochter, den er – was Wunder! – ebenfalls von einer Klippe gestoßen hat. Neue Verwicklungen sind vorprogrammiert, als er ein Auge auf Audreys Geliebte wirft, mit ihr im Bett landet und sich von ihr dazu anstiften lässt, einen wertvollen Koi zu stehlen. Denn natürlich soll alles darauf hinauslaufen, dass Al für diese Tat geradestehen muss.

Doch wieder einmal gelingt es Al Greenwood in zahlreichen Szenen, seinen Kopf im allerletzten Moment aus der Schlinge zu ziehen. Viel Glück gehört dazu, aber vor allem auch eine Portion Kreativität, denn er ist definitiv nie um eine Ausrede verlegen. Und so wendet sich für ihn alles zum Guten – egal, wie viel Mist er eigentlich baut. Das mag den Gerechtigkeitssinn so manchen Lesers stören, aber Tim Binding neigt ja grundsätzlich zu Überspitzungen und dazu, durch allerlei Übertreibungen besondere Charakteristika noch stärker in den Vordergrund zu stellen. Wäre Al bereits für den ersten Mord hinter Gitter gekommen, hätte Binding immerhin nicht an seinem Beispiel aufzeigen können, zu welch schrägen Szenen und verzweifelten Taten kommen kann, wenn ein frustriertes Ehepaar nicht in der Lage ist, über Probleme offen zu sprechen, sondern direkt beschließt, allerletzte Konsequenzen zu ziehen. Denn Bindings Werke sind zwar vordergründig einfach nur zum Lachen, doch wenn man genauer hinsieht, stimmt einen das doch nachdenklich.

Dieses Mal legt Binding vielleicht eine kleine Schippe zu viel auf, manchmal dreht die Geschichte ein wenig zu sehr ab, aber irgendwie bekommt Binding dann doch immer wieder den richtigen Dreh und fängt seine Leser (bzw. in diesem Fall Zuhörer) wieder ein. Die Geschichte überzeugte mich zwar nicht auf ganzer Linie wie Cliffhanger, ist aber dennoch so schräg, unterhaltsam und einfach nur komisch, dass man dennoch unbedingt dazu greifen sollte.

_Phlegma_

Vorgetragen wird Bindings Geschichte von Bernd Stephan, dessen Name mir zwar nichts sagte, der aber bekannt ist als Synchronstimme von John Cleese. Beim Zuhören ist mir das ehrlich gesagt aber nicht aufgefallen, ich habe die Stimme nicht wieder erkannt. Stephan trägt mir sehr ruhiger Stimme vor, betont nie zu sehr und versucht auch gar nicht erst, verschiedenen Charakteren unterschiedliche Stimmen zu verleihen, wie es beispielsweise Rufus Beck oder gar Harry Rowohlt machen. Im Prinzip klingen alle Personen gleich, ob nun Frau oder Mann. Einzig Al Greenwood, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt ist, kommt noch etwas phlegmatischer rüber als alle anderen Figuren. Spricht Bernd Stephan Gedanken oder Sätze von Al Greenwood aus, so tut er sich fast ohne jede Betonung, manchmal verwaschen dadurch die Wörter sogar. Sicher gehört das zu Stephans Interpretation der Figur Al Greendwoods und es mag auch tatsächlich passen, mir persönlich war Stephans Tonfall allerdings zu fad. Manch ein Gag geht so fast verloren. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass viele Hörer von dieser Lesung begeistert sein werden, ich persönlich hätte mir dennoch ein klein bisschen mehr Enthusiasmus vom Sprecher gewünscht, daher ein kleines Manko. Eventuell sollte man bei „Fischnapping“ also eher zum Buch greifen.

_Fisch sucht Karpfen_

„Fischnapping“ hat mich ausgesprochen gut unterhalten. Tim Bindung spielt hier in puncto Charakterzeichnung und Wortwitz wieder all seine Trümpfe gekonnt aus. Vielleicht bleibt die Geschichte ein klein wenig hinter dem Vorgängerroman zurück, aber verstecken muss sich dieses Buch ganz sicher nicht. Vom Sprecher war ich nicht ganz so begeistert, da Bernd Stephan ein bisschen zu wenig mit seiner Stimme spielt. Unter dem Strich ist das Hörbuch aber definitiv sehr hörens- und empfehlenswert!

|Download-Version mit 6:12 h Spieldauer|
[www.audible.de]http://www.audible.de

auch erschienen als:

|5 Audio-CDs mit 372 Minuten Spieldauer
Sprecher: Bernd Stephan
ISBN-13: 978-3-8337-2750-4|
[www.jumboverlag.de/Verlag]http://www.jumboverlag.de/Verlag

_Tim Binding bei |Buchwurm.info|:_
[„Inselwahn“ 1648
[„Cliffhanger“ 5200

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