Bishop, Anne – Finsternis (Die Schwarzen Juwelen 5)

Band 1: [„Dunkelheit“ 3375
Band 2: [„Dämmerung“ 3437
Band 3: [„Schatten“ 3446
Band 4: [„Zwielicht“ 3514

Neun Jahre lang wurde Jared als Lustsklave benutzt. Dann hielt er es nicht mehr aus und brachte die Königin, der er gehörte, um! Jetzt gilt er als Königinnenmörder, als unberechenbar und gefährlich. Das bedeutet, dass er demnächst in den Salzminen von Pruul landen wird. Doch dann geschieht etwas völlig Unerwartetes: Er wird gekauft. Von der Grauen Lady.

Jared ist davon kaum begeistert. Denn die Graue Lady hat einen Ruf, der ihn keineswegs zum Optimismus berechtigt. Ihr Verhalten ist jedoch mehr als sonderbar, ja regelrecht widersprüchlich! Auf dem Weg in ihr Territorium Dena Nehele gibt sie Jared einiges zu denken. Bis er schließlich durch puren Zufall hinter ihr Geheimnis kommt und sich damit alles verändert …

_“Finsternis“_ spielt tatsächlich in einer Zeit vor dem ersten Band des Zyklus, als Prequel kann man ihn aber nicht wirklich bezeichnen, da er nicht die unmittelbare Vorgeschichte zu den Ereignissen um Jaenelle erzählt. Die einzigen beiden Personen aus dem eigentlichen Zyklus, die in diesem Band vorkommen, sind Dorothea SaDiablo und Daemon Sadi, wobei Letzterer lediglich eine Nebenrolle einnimmt.

Das Hauptaugenmerk liegt auf Jared, einem Krieger mit rotem Juwel. Bei weitem nicht so aggressiv wie Daemon oder gar Lucivar, steht er seinem Aggressionspotenzial dennoch äußerst skeptisch gegenüber. Den Mord an seiner früheren Besitzerin bereut er nicht, aber er misstraut der Wildheit und Wut in seinem Innern und muss erst lernen, sie als Teil seines kriegerischen Selbst zu akzeptieren. Man könnte es fast ein wenig als Erwachsenwerden bezeichnen.

Lady Arabella Ardelia, seine neue Besitzerin, dagegen scheint keine Probleme mit ihrem Potenzial zu haben, und auch nicht mit ihrer Entschlusskraft. Gelegentlich schlägt sie mit ihrer Spontaneität geradezu über die Stränge. Für eine alte Dame hat sie erstaunlich viel Temperament und auch erstaunlich viel Energie. Und sie ist – wie offenbar nahezu alle Hexen – geradezu unerträglich stur!

Die Gegenspielerin, Dorothea SaDiablo, agiert auf gewohnte Weise: Sie will die Graue Lady loswerden, die ihr mit ziemlichem Erfolg Widerstand leistet, und beauftragt deshalb ihren neuen Hauptmann der Wache, sich der Sache anzunehmen. Natürlich versehen mit einer höchst effektiven Drohung …

Krelis, der Hauptmann, macht sich also daran, der Grauen Lady eine Falle zu stellen. Zunächst scheint er hauptsächlich ehrgeizig zu sein, was ja nicht unbedingt ein Fehler sein muss, und er hat Angst vor Dorothea, zu Recht natürlich. Schon bald stellt sich allerdings heraus, dass sein Ehrgeiz hauptsächlich aus Feigheit resultiert, und dass er aus dieser Feigheit heraus bereit ist, nahezu alles zu verraten, alles zu tun …

Abgesehen von den Hauptpersonen sind auch die Nebenfiguren sehr gut gezeichnet. Sie alle scheinen ihre kleinen Geheimnisse zu haben. Vor allem Thera und Blaed stellen dadurch zusätzlich zur Grauen Lady einen unbekannten Faktor dar, der Krelis ziemlich ins Stolpern bringt. Andererseits haben sie aber auch ein Problem: Sie haben einen Spion in ihren Reihen. Und sie können ihn nicht finden!

_So wird aus der Reise_ nach Dena Nehele schon vom ersten Schritt an ein mühseliges Katz-und-Maus-Spiel. Die Graue Lady schlägt sich, aufgrund einer anonymen Warnung, querfeldein, anstatt per Kutsche auf den Winden zu reisen. Diese unerwartete Reaktion verschafft ihr einen Vorsprung, dafür birgt sie zusätzliche Gefahren wie Vipernratten und Wegelagerer. Und trotz aller Haken, die sie schlagen, bleiben ihr die Verfolger hartnäckig auf den Fersen. Schließlich bleibt der Grauen Lady nichts anderes übrig als zum Äußersten zu greifen.

Diese Hetzjagd durchs Hinterland war außerordentlich gut gemacht. Nicht nur, dass es der Autorin gelang, die Identität des Spions bis zum Ende geheim zu halten, auch die immer neuen Fallen, die Krelis der Gruppe stellt, sowie die für ihn unerwartete Art und Weise, wie die Gruppe sich immer wieder aus brenzligen Situationen herausrettet, halten die Spannungskurve stets relativ hoch. Interessant ist auch, wie sich im Laufe der Zeit der wahre Charakter Krelis‘ immer deutlicher herausschält, oder auf welche Weise Dorothea Krelis‘ Spion vor Entdeckung geschützt hat. Auch die Idee mit den Knöpfen als Informationsträger fand ich gut.

Von der Spannung und den Ideen her war dieser Band weit besser als der vierte und konnte durchaus mit den ersten dreien mithalten. Das gilt auch für die erotische Komponente. Der trockene Humor allerdings fristet in diesem Band nur noch ein dünnes Randdasein. Das kommt wahrscheinlich auch daher, dass die hier agierende Gruppe ununterbrochen unter Druck steht, während Jaenelles Hof zumindest immer wieder längere Phasen der Ruhe erlebte, in denen Unbeschwertheit und Schalk möglich waren.

_Auf jeden Fall_ hat es dem Buch gut getan, dass die Autorin sich die Mühe gemacht hat, eine völlig neue Handlung zu kreieren, die zwar in den gewohnten Rahmen des Zyklus eingebettet ist, jedoch inhaltlich davon unabhängig. Dadurch wurde der Eindruck von nachträglichem Hinzuflicken vermieden, die Gefahr logischer Brüche zur Ursprungshandlung ebenfalls. Auch gibt es diesmal wieder eine durchgehende Geschichte mit innerem Zusammenhang und einheitlicher Stimmung. Der Kniff, die Handlung in einen früheren Zeitabschnitt zu verlagern, gab der Autorin die Möglichkeit, wieder auf Dorothea SaDiablo als Antagonistin zurückzugreifen, was letztlich zu dem sehr gelungenen Charakter des Hauptmanns Krelis geführt hat, der ein echter Gewinn war und den beiden eher harmlosen Hexchen Lektra und Roxie aus Band vier voll den Rang abläuft. Gut getan hat der Handlung außerdem, dass Dorothea sich nicht mit Intrigen aufgehalten hat, sondern ungewohnt direkt gegen ihre Widersacherin vorgegangen ist.

_Mit anderen Worten:_ Obwohl „Finsternis“ nicht ganz an den Rang der ersten drei Bände heranreicht, ist er durchaus spannend und abwechslungsreich zu lesen und um einiges besser als der vierte Band. Trotzdem ist es gut, dass die Autorin sich nun einem neuen Zyklus zugewandt hat. Die Welt der dunklen Juwelen dürfte inzwischen alles gegeben haben, was sie zu geben hatte. Auszutzeln hat noch keinem Fantasy-Universum gutgetan.

_Anne Bishop_ lebt in New York, liebt Gärtnern und Musik, und hatte bereits einige Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht, ehe ihr mit dem Zyklus der |Schwarzen Juwelen| der internationale Durchbruch gelang. Der fünfte Band aus diesem Zyklus, für den sie den |Crawford Fantasy Award| erhielt, ist seit Mitte März auf Deutsch erhältlich. Außerdem stammen aus ihrer Feder die Trilogie |Tir Alainn|, die auf Deutsch bisher anscheinend nicht erschienen ist, sowie |Ephemera|, dessen zwei Bände den Zyklus der Schwarzen Juwelen weiterführen sollen. „Sebastian“ ist bereits seit letztem Jahr auf Englisch erhältlich, „Belladonna“ ab März dieses Jahres. Die deutsche Ausgabe des ersten Bandes erscheint im Juni 2007 bei |Heyne|.

http://www.annebishop.com
http://www.heyne.de