Black, Holly / DiTerlizzi, Tony – Rückkehr der Riesen, Die (Die Spiderwick-Geheimnisse 7)

_Ein Riesen-Problem und eine verhängnisvolle Lösung_

Die neue Siedlung Mangrove Hollow in Florida liegt nicht weit vom Meer. Aber sie hat ein Riesen-Problem: Die Riesen drohen sie dem Erdboden gleichzumachen. Allerdings wissen nur Menschen mit dem zweiten Gesicht wie Nick und seine Stiefschwester Laurie, dass es sich um Riesen und nicht mysteriöse Naturgewalten handelt. Doch wie stoppt man einen Riesen?

Beim Lesen eines Märchenbuchs fällt Nick die Lösung seines Riesenproblems ein: Er muss es wie der Rattenfänger von Hameln machen und die Riesen ins Meer locken. Bestimmt haben die Nixen nichts gegen die Gesellschaft von ein paar riesigen neuen Nachbarn einzuwenden. Oder etwa doch?

Empfohlen ab etwa elf Jahren.

_Die Autoren_

Tony DiTerlizzi ist ein mehrfach ausgezeichneter amerikanischer Illustrator von Kinder- und Jugendbüchern sowie Rollenspielbänden. Zu seinen Werken gehören Arbeiten für Bücher von Tolkien, Anne McCaffrey, Peter S. Beagle sowie für das Kartenspiel „Magic the Gathering“ und „Dungeons & Dragons“. Er lebt mit seiner Frau Angela und seinem Mops Goblin (= Kobold!) in Amherst, Massachusetts, einem recht malerischen Städtchen in Neuengland. Lebte nicht auch die Dichterin Emily Dickinson dort? Mehr Infos: http://www.diterlizzi.com.

Holly Black wuchs laut Verlag in einem „alten viktorianischen Haus auf, wo ihre Mutter dafür sorgte, dass ihr die Geister- und Elfengeschichten nie ausgingen“. Ihr erster Jugendroman „Die Zehnte“ (2002) entwirft ein „schauriges Porträt der Elfenwelt“. Es wird von der American Library Association als „Best Book for Young Adults“ bezeichnet, eine gute Empfehlung für politisch korrekte Fantasy. Holly lebt mit ihrem Mann Theo und einem „beeindruckenden Zoo“ in New Jersey. Mehr Infos: http://www.blackholly.com.

Die sieben SPIDERWICK-Bände heißen:

[„Eine unglaubliche Entdeckung“ 509 (Die Spiderwick-Geheimnisse 1)
[„Gefährliche Suche“ 512 (Die Spiderwick-Geheimnisse 2)
[„Im Bann der Elfen“ 959 (Die Spiderwick-Geheimnisse 3)
[„Der eiserne Baum“ 960 (Die Spiderwick-Geheimnisse 4)
[„Die Rache der Kobolde“ 1710 (Die Spiderwick-Geheimnisse 5)
[„Das Lied der Nixe“ 4241 (Die Spiderwick-Geheimnisse 6)
Die Rückkehr der Riesen (Die Spiderwick-Geheimnisse 7)

Außerdem erschienen und bei uns besprochen:

[„Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“ 3195
[„Die Geheimnisse der Spiderwicks – Das Buch zum Film“ 4738
[„Die Spiderwick-Geheimnisse – Über Haltung und Pflege von Elfen“ 4751
[„Die Spiderwick-Geheimnisse – Die große Entdeckungsreise in die verzauberte Welt“ 5193

_Handlung_

In ihrem vorhergehenden Abenteuer mit der Nixe Taloa sind Nick und seine Stiefschwester Laurie auf die Existenz von Riesen gestoßen. Diese Ungetüme sehen im Erdboden wie Grashügel aus, doch wenn sie erwachen, speien sie Feuer. Nur der betörende Gesang von Nixen vermag sie zu beruhigen und vom Feuerspeien abzuhalten. Dadurch gelang es den Geschwistern, den Riesen zu stoppen, der ihre Siedlung Mangrove Hollow bedrohte. Doch er hat jede Menge Kumpane …

Zum Glück gibt es auch einen Riesenjäger: Jack. Zwar ist er halbblind wegen seines Grauen Stars und hat die besten Zeiten schon hinter sich, doch seine Tipps und Tricks sind immer noch fundiert. Wenn Laurie und Nick, der Videogamer, nur nicht so zimperlich im Töten von Riesen wären! Dann könnten sie beispielsweise die neueste Rieseninvasion verhindern.

Der oberschlaue Nick rät Laurie, sich Verbündete zu suchen, doch als sie das tut, ist er über ihre Wahl etwas verblüfft: Durch einen magischen Talisman kann nun auch sein Bruder Jules die Riesen mit dem zweiten Gesicht sehen. Und er ist gar nicht von ihnen angetan. Kein Wunder, dass er bereit ist, zusammen mit Nick und Laurie etwas gegen die Giganten-Invasion zu unternehmen. Doch was können kleine Menschlein schon gegen Riesen ausrichten?

Während sich Laurie mit einem gefangenen Waldschrat herumschlägt, grübelt Nick über das Problem nach. In einem alten Märchenbuch findet er die Lösung: Er muss es wie der Rattenfänger von Hameln machen und die Riesen fort von dem bedrohten Mangrove Hollow führen. Das Wohin liegt buchstäblich vor seiner Haustür: ins Meer. Das Problem, ein wirksames Lockmittel zu beschaffen, ist kniffliger. Nick erinnert sich daran, wie gut Taloas Sirenengesang wirkte, doch die Teichnixe hat sich auf die Suche nach ihren Schwestern gemacht.

Aber auch im nahen Meer leben Nixen. Man nennt sie hier Meerjungfrauen. Und zu Nicks Freude singen sie auch gerne. Er könnte sie zur Mitarbeit an seinem Riesenproblem bewegen, aber nur unter einer Bedingung: Sie möchten einen neuen Fisch kennenlernen, den es in ihrem Meer nicht gibt. Um Nick gefügig zu machen, nehmen sie seinen Bruder Jules als Geisel.

Nicks Riesen-Problem wird immer größer. Nun muss er auch noch einen Fisch beschaffen! Da erzählt ihm Lauries Freundin Cindy, die sich über sein Riesen-Gerede wundert, was für ein tolles Aquarium doch ihre Eltern hätten …

_Mein Eindruck_

Wer sich nun wundert, was denn aus den drei Grace-Kinder vom nördlichen Spiderwick-Anwesen geworden ist, erfährt in der letzten Szene, dass sie Nick vor etwas anderem Bösen warnen wollten. Doch nun kommen sie zu spät. Nicks Plan ist zwar erfolgreich gewesen, als er die Riesen fortlockte. Doch der letzte Satz ist ein echter Hammer: „Nick hatte gedacht, er habe die Welt gerettet. Stattdessen hatte er sie verdammt.“

Nick hat zwar einen Plan, um eines seiner Probleme zu lösen, bedenkt aber nicht, dass auch die Riesen einen Plan haben könnten. Statt sich zu fragen, was denn die Riesen dazu bringt, über Mangrove Hollow so zerstörerisch herzuziehen, hat er nur über ihr Weglocken nachgedacht. Er hat den großen Rahmen nicht gesehen, wie es nun mal für eine ökologische Sichtweise der Natur notwendig ist. Indem er die Riesen aus dem Weg räumte, hat er einem größeren Übel den Weg bereitet. Worum es sich dabei handelt, erfährt er (und wir) in der nächsten Folge. Nicks Verhalten erinnert an „Darwins Albtraum“, der Invasion des Nilbarschs im Viktoriasee.

Wie man sieht, bringt die neue Reihe der „Spiderwick-Geheimnisse“, die mit Band sechs begann, nicht nur ökologisches Gedankengut dem jungen Leser zu Bewusstsein, sondern verlegt auch den Schauplatz in die Gegenwart – aus dem viktorianischen Neuengland mit seiner schummrigen Mystik ins sonnige Florida. Die Verbindung zwischen den drei Grace-Kindern liegt in der Verwandtschaft mit Laurie, die schon in Band sechs erklärt worden ist. Die Graces tauchen mehrfach im Süden auf, mal auf einer Lesereise, mal aber aus gewichtigerem Anlass, so wie jetzt.

Der Zweck der Riesenbekämpfung besteht nicht nur im Wecken von Erfindergeist in Nick, sondern auch darin, ihn von seinen Videospielen wegzulocken. Er kann zwar mit Laurie ausgezeichnet am Bildschirm Autorennen fahren, aber wenn er mal seinen Verstand auf ein praktisches Problem anwenden soll, ist sie ihm um mehr als eine Nasenlänge voraus. Das führt zu einer vorteilhaften Konkurrenz zwischen den beiden. Indem er es schafft, die Riesen fortzulocken, glaubt er, einen Sieg über Laurie zu erringen – zumindest nach Punkten.

Doch der Schuss könnte auch nach hinten losgehen. Jules, von den Nixen als Geisel genommen, könnte beispielsweise für immer im Meer leben müssen. Oder die Riesen könnten sich nicht mit den Sirenen vertragen. Oder arme Fisch, den niemand fragt, könnte in diesem Meer gar nicht überleben. Andererseits ist der Leser froh darüber, dass ständig etwas passiert und jemand stets die Initiative ergreift. Dass die Richtung dieses Aktionismus völlig falsch ist, stellt sich erst hinterher heraus. Irgendwie mich erinnert dieses Vorgehen an den amerikanischen Einmarsch im Irak und in Afghanistan. Gut gemeint, aber zu einem hohen Preis.

|Illustrationen und Übersetzung|

Diese Abenteuer erstrecken sich über mindestens sechs Bände, alle davon sehr schön illustriert und wertvoll gestaltet. Der Illustrator Tony DiTerlizzi bedankte sich im ersten Buch der Reihe für die Inspiration dazu bei Arthur Rackham, einem der berühmtesten Zeichner für Kinderbücher aus der viktorianischen Ära. Rackham illustrierte beide Bücher über „Alice im Wunderland“ und natürlich auch [„Grimms Märchen“ 3456 (sehr schön in der |Heyne|-Ausgabe).

Das klingt nach einem netten Bilderbuch, und das ist es teilweise auch. Auf der Rückseite ist die Nachbildung einer amerikanischen Postkarte abgedruckt, abgelegt auf einem breiten Blatt, dessen Äderung deutlich zu sehen ist. Seltsamerweise hat sich in den Text ein böser Fehler eingeschlichen: Einer der Sätze in der Mitte bricht plötzlich ab und geht unvollständig weiter.

Das Buch eignet sich wohl ab zehn Jahren – leider fehlt hier ein Hinweis vom Verlag. Dessen Website empfiehlt ein Lesealter ab acht Jahren. Nick und Laurie sind jedenfalls schon elf und können immer noch etwas mit dem Elfenbuch anfangen. Ältere Leser finden die Bilder vielleicht hübsch, aber die Handlung ist erst dann für sie interessant, wenn sie sich mit Jules und Cindy identifizieren.

Das Abenteuer ist diesmal immerhin etwa 160 Seiten lang sind – rund 40 mehr als in den ersten Bänden. Davon entfallen rund 20 Seiten auf Vor- und Abspann, und vom Rest wiederum etwa die Hälfte auf Illustrationen. Kein Wunder also, dass ein Erwachsener solch ein Buch binnen einer Stunde gelesen hat.

Die Sprache ist relativ einfach gehalten (aber nicht mehr so einfach wie am Anfang), und die Übersetzerin Anne Brauner hat das Original angemessen übertragen. Besonders gut gefiel mir ihre Übersetzung der Gedichte im Anhang des Buches. Die Landkarte erleichtert dem Leser die Orientierung.

_Unterm Strich_

Selten findet man einen so tollen Cliffhanger-Schlusssatz wie diesen: „Nick hatte gedacht, er habe die Welt gerettet. Stattdessen hatte er sie verdammt.“ Na, wer da nicht den nächsten Band kauft, ist selbst schuld. Segen und Fluch liegen also nahe beieinander, und es ist nur eine Frage des Blickwinkels, dass sich das eine in sein Gegenteil verkehrt. So geht es auch in den ökologischen Fragen, mit denen es Nick und Laurie diesmal zu tun bekommen (ohne sich dessen bewusst zu werden).

Dieser Band hat mir viel Spaß gemacht. Er ist noch reichhaltiger an Action und Überraschungen, Komik und emotionalen Nöten als der Vorgänger. Doch es ist ratsam, diesen Vorgänger mit dem Titel „Das Lied der Nixe“ zu kennen, um alle Zusammenhänge und Verweise nachvollziehen zu können. Die fünf Bände davor muss man nicht unbedingt kennen. Aber man fragt sich dann wohl, wer denn nun diese drei Grace-Kinder sind, die am Schluss auftauchen.

Obwohl das Buch vierzig Seiten mehr Umfang hat, ist der Preis ebenso gleich geblieben wie die sorgfältige Ausstattung. Diese Leistung des Verlags finde ich sehr löblich. Ich freue mich schon auf die nächsten Bände. Übrigens gibt es alle Bände in einer schönen Lesung auf Audio-CDs.

Fazit: ein Volltreffer.

|Originaltitel: Beyond the Spiderwick Chronicles – A Giant Problem, 2007
Aus dem US-Englischen von Anne Brauner
160 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-570-13212-8|
http://www.spiderwick.de
http://movies.uip.de/diegeheimnissederspiderwicks
http://www.internationalspriteleague.com
http://www.cbj-verlag.de