Holly Black / Ted Naifeh – Der gebrochene Schwur (Feenland 1)

Feenland:
Band 1: _“Der gebrochene Schwur“_
Band 2: „Das verborgene Reich“
Band 3: „Kind – The Good Neighbors 3“ (2010)

Die Autorin

Holly Black wuchs laut Verlag in einem „alten viktorianischen Haus auf, wo ihre Mutter dafür sorgte, dass ihr die Geister- und Elfengeschichten nie ausgingen“. Ihr erster Jugendroman „Die Zehnte“ (2002) entwirft ein „schauriges Porträt der Elfenwelt“. Es wird von der American Library Association als „Best Book for Young Adults“ bezeichnet, eine gute Empfehlung für politisch korrekte Fantasy. Mit „Elfentochter“ und „Elfenkönigin“ startete sie eine Trilogie, die sie mit „Elfenherz“ fortsetzte, das preisgekrönt wurde.

Holly lebt mit ihrem Mann Theo und einem „beeindruckenden Zoo“ in New Jersey. Mehr Infos finden Sie hier: http:// www.blackholly.com

Der Illustrator

Ted Naifeh trat zum ersten Mal 1998 mit dem Gothic-Roman „Gloom Cookie“, den er mit Serena Valentino schuf, auf die Comic-Szene. Der Autor ist inzwischen Illustrator zahlreicher Graphic Novels, darunter „Polly und die Piraten“ (deutsch bei Eidolon) und „Courtney Crumrin“ (2002). Er zeichnete auch „Death Jr.“ und, als Ko-Autor, „How Loathsome“, einen Comic für Erwachsene. Naifeh lebt in San Francisco.

Handlung

Die etwa siebzehnjährige Rue dachte bislang immer, ihr Leben sei normal – und sie natürlich auch. Dass dies ein Irrtum ist, muss sie zu ihrem Leidwesen herausfinden, nachdem ihre Mutter Nia verschwunden ist. Zunehmend beginnt Rue, ihre Umgebung anders wahrzunehmen. Als sie mit ihrer Uni-Clique durch die Bars und Treffs zieht, tauchen seltsam gehörnte Gestalten auf, manche sogar mit spitzen Zähnen. Natürlich lässt sich Rue nichts anmerken, denn sonst hielte man sie für verrückt. Aber bei den Ausflügen mit ihren Freunden in verlassene Gebäude à la „Creepers“ erweist sie sich stets als die beste Kletterin.

Von einem dieser Gebäude aus entdeckt sie eines Tages, dass ihr Vater, ein Dozent an ihrer Uni, von der Polizei abgeführt wird. Entsetzt wendet sie sich an seine Kollegin und Freundin Amanda Valia, eine Afroamerikanerin, die ihr hilft. Angeblich soll Daddy seine Studentin Sarasa erdrosselt und im See „entsorgt“ haben. Was für ein Schwachsinn! Daddy würde keiner Fliege was zu Leide zu, schimpft Rue wütend. Mit Amandas und ihren Zeugenaussagen bekommt Dad ein einwandfreies Alibi. Aber da ist noch die Sache mit der verschwundenen Ehefrau. Was, wenn er die eventuell auch um die Ecke gebracht hat, fragt sich die Polizei.

Das kann Rue natürlich nicht zulassen, sondern muss helfen, ihren Vater zu entlasten. Dies kann sie nur, indem sie ihre Mutter und den wahren Mörder der Studentin Sarasa findet. Da sich ihre Wahrnehmung immer weiter ausdehnt, erblickt sie die vielen fremdartigen Wesen in ihrer Stadt. Auch eine Art Grünzeug breitet sich über sämtliche Häuser aus, als fände eine Invasion der Natur statt.

Schon bald stößt sie auf ihren Großvater, einen Hünen, der große Autorität ausstrahlt und sie mit in sein Reich nehmen will, denn als seine Enkelin sei sie zur Hälfte eine Elfe – das haut Rue erstmal um. Von ihm erfährt sie, dass ihr Dad in der Tat ein Verbrechen begangen hat, aber keines, das die Polizei etwas anginge: Er hat einen Schwur gebrochen, der er dem Vater seiner Frau gegeben hatte – er war Nia untreu geworden. Als Nia zurückkehrt, ist sie ziemlich verändert. Ist sie etwa ein elfischer Wechselbalg?

Während Rue über all diese Dinge nachsinnt, forscht sie nach dem wahren Mörder der Studentin. Auch hier offenbart sich ein schlimmes Geheimnis …

Mein Eindruck

„Feenland“ erinnert ein wenig an die „Spiderwick“-Geschichten, und doch auch wieder nicht. Wieder geht es um die Entdeckung des magischen Reiches der Elfen, doch diesmal nicht anhand eines Buches, sondern wegen des genetischen Erbes, das die Entdeckerin in sich trägt. Doch wieder erweisen sich die Elfen alles andere als liebenswert, es sei denn, man zählt die äußere Erscheinung als alleinige Voraussetzung für Schönheit. Rues Großvater, den man als eine Art Oberon bezeichnen könnte, sieht alles andere als liebenswert aus. Er hat Züge eines Ziegenbocks, nur dass ihm die Hörner fehlen. Rue fragt sich sicherlich, ob sie wirklich eine Elfe sein will.

Das Elfenvolk

Die Autorin hat eine große Bibliothek, wie der Verlag angibt, und darin hat sie sicherlich zahlreiche Sagen über das Feenvolk, beispielsweise aus Irland. Dort wird das magische Volk mit sehr freundlichen und respektvollen Namen bedacht – siehe auch den O-Titel: „The Good Neighbors“, „Die guten Nachbarn“. Der Grund dafür liegt aber nicht in Liebe und Respekt, die die Menschen den Elfen entgegenbringen, sondern in der Furcht davor. Das sagt Rues Großvater seiner Enkelin auch an einer Stelle. Es sind unbequeme Wahrheiten, die Rue eine nach der anderen aufdeckt. Das darf man ihr auch – im Unterschied zu den viel jüngeren „Spiderwick“-Kindern – auch zumuten, denn sie ist fast erwachsen. Und die dornigen Wahrheiten gehören zu ihrem Wachstumsprozess. Gleichzeitig sind sie für den Leser faszinierend.

Fremdheit

Das Grundthema, das auch mit den Fällen des Verschwindens, des Eidbruchs und des Mordes zusammenhängt, ist die Fremdheit zwischen Menschen und Angehörigen des Feenvolks. Sobald Rues Vater seinen Schwur gebrochen hat, seiner Frau Nia stets treu zu sein, verschwindet sie. Er hat mehr Gefallen an seiner menschlichen Freundin Amanda Valia gefunden, die ihn schon lange heimlich liebt. Auch die Studentin Sasara war eine Elfe, wie Rue herausfindet (war ja eigentlich klar), doch nicht ihr elfischer Geliebter wurde ihr zum Verhängnis, sondern ein neidischer Student, der das Geheimnis der beiden weidlich ausnutzte und Sasara zu seiner Liebessklavin machte. Klar, dass dies nicht lange gutgehen konnte.

Themen für Erwachsene

Wie man sieht, werden in dieser Graphic Novel schon entschieden erwachsene Themen wie zerbrochene Ehen, Masochismus (durch die Lamien), erdolchte Frauen (Ann) und Liebeszauber angesprochen. Ich finde, das Buch ist erst ab 14 Jahren geeignet, denn erst dann können Jugendliche die Komplexität und Tragweite dieser Vorgänge einschätzen.

Der Zeichenstil

Viele der Bilder sind düster und voll Zwielichts, in dem sich die realistisch dargestellten Figuren relativ statisch bewegen. Ungewöhnlich und etwas eigenwillig finde ich, dass in keinem Bild Speedlines zu finden sind. Diese Abkehr vom klassischen Disney-Stil macht die Darstellung zwar statisch, aber auch ernster und realistischer. Ausgezeichnet ist die Handhabung von Schatten, Licht und Übergängen.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist die fehlende Kapiteleinteilung. Dass es überhaupt Kapitel gibt, merkt der Leser an manchmal abrupten Zeit- und Szenenwechseln. Faszinierend sind die vielen Rückblenden, mit denen hoffentlich jeder Leser zurechtkommt. Jedes Kapitel endet mit einer Erkenntnis oder einer offenen Frage, die als Cliffhanger dient. Am Schluss, den ich hier nicht verraten werde, wird in einem Grab eine erschreckende Entdeckung gemacht …

Anhänge

Auch die deutsche Ausgabe ist liebevoll aufgemacht und enthält nicht nur auf der Rückseite ein zusätzliches Bild, sondern im Anhang jede Menge Informationen. Die Seiten „Über die Autorin“, „Über den Zeichner“ und „Danksagung“ fand ich sehr aufschlussreich. In der Danksagung verweist die Autorin auf zwei wichtige Quellen: „The Cooper’s Wife is Missing“ von Joan Hoff und Marian Yeates sowie „The Burning of Bridget Cleary“ von Angela Bourke.

Bei Bridget Cleary wurde beispielsweise auf grausamste Weise geprüft, ob sie vielleicht ein elfisches Wechselbalg sein könnte. Einer Hexe hätte man nichts Schlimmeres antun können. Es solche Szenen fehlen diesmal.

Unterm Strich

Elfen, die aussehen wie Gothic Girls, ein hünenhafter Elfenherrscher mit den Zügen eines Ziegenbocks – dies nicht unbedingt die „guten Nachbarn“, von denen der Originaltitel spricht. Vielmehr sind dies Vertreter einer Naturwelt, die vor den Menschen existierte – und die sich nun mit einer grünen Pflanzeninvasion anschickt, Rues Heimatstadt zu erobern. Der größere Zusammenhang ist für Rue, aus deren Blickwinkel wir das Geschehen erleben, allmählich erkennbar, denn die Fortsetzung beantwortet die offenen Fragen aus Band 1: Oberon / Aubrey will New Avalon errichten, die neue Hauptstadt des Elfenreichs.

Die Entdeckung der magischen Welt bedeutet keine Rückkehr nach Arkadien, sondern vielmehr die Auseinandersetzung mit einer Welt voll anderer Gesetze. Die Elfen sind jedoch ebenso an Gesetze gebunden wie die Menschen, die sich mit ihnen einlassen, wie etwa Rues Vater. Wechselbälger, Schwanenkinder und andere, bedrohlichere Angehörige des Feenvolks sind nicht unbedingt die „guten Nachbarn“, die man seinem Kind zum Spielen geben möchte. Nur ein Halbblut wie Rue genießt ein wenig Schutz von Seiten ihres Muttervolkes, sonst könnte es ihr schlecht ergehen.

Das Thema der Fremdheit ließe sich im realen Leben auch auf die Immigranten in unserem Lande anwenden: Wie kommen wir mit ihnen zurecht und können wir uns mit ihren fremden Sitten arrangieren? Was geschieht und ist zu tun, wenn sich unter ihnen ein Verbrechen ereignet? Jede Beziehung wirkt in beide Richtungen: Der Umgang mit dem Fremdartigen verändert auch denjenigen, der damit zu tun bekommt. Das war schon bei „Robinson Crusoe“ so. Und die irischen und walisischen Sagen erzählen viele Geschichten davon.

Rues Ermittlung in Sachen Mutter und ermordeter Studentin verleiht der Geschichte von Rues Erwachsenwerden und Entdeckung der Verwandtschaft etwas Spannung, so dass man gerne weiterliest. Aber auf dem Weg zur fulminanten Entdeckung am Schluss des Buches muss der nichtsahnende Leser Szenen von Gewalt und sogar Folter ertragen (selbst wenn sie nur angedeutet und nicht gezeigt werden). Das ist doch wohl eher der Stoff für reifere Leser und nicht für unschuldige Kiddies.

Taschenbuch: 128 Seiten
Originaltitel: Kin (The Good Neighbors 1)
Aus dem US-Englischen von Anne Brauner
ISBN-13: 978-3570306215

https://www.penguin.de/Verlag/cbj-Jugendbuecher/16000.rhd

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

_Holly Black bei |Buchwurm.info|:_

[„Eine unglaubliche Entdeckung (Die Spiderwick-Geheimnisse 1)“
[„Gefährliche Suche (Die Spiderwick-Geheimnisse 2)“
[„Im Bann der Elfen (Die Spiderwick-Geheimnisse 3)“
[„Der eiserne Baum (Die Spiderwick-Geheimnisse 4)“
[„Die Rache der Kobolde (Die Spiderwick-Geheimnisse 5)“
[„Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“
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[„Die Spiderwick-Geheimnisse (Hörbuch/Hörspiel)“
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[„Die Spiderwick-Geheimnisse – Über Haltung und Pflege von Elfen“
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