Blazon, Nina – Rückkehr der Zehnten, Die

Noch nichts von Nina Blazon gehört? Nun, das sollte sich schnell ändern. Diejenigen, die bereits Romane der Autorin gelesen haben, wissen warum. Klar, die Bezeichnung „ein neuer Stern am Fantasy-Himmel“ mag hochgegriffen klingen, zumal sich in letzter Zeit viele mit solchen und ähnlichen Titel schmücken lassen. Doch selbst wenn es auf die meisten aufstrebenden Jungschriftstellern (noch) nicht zutrifft, heißt das nicht, dass sich niemand damit rühmen kann.

Nina Blazon, Jahrgang 1969 und geboren in Koper, legt mit „Die Rückkehr der Zehnten“ bei |Ueberreuter| einen für sich allein stehenden Fantasy-Roman vor. Eine bereits lobenswerte Tatsache, quellen die Regale der Fantastikabteilung in der Regel doch mit Serien, Zyklen und unüberschaubar langen Reihen über. Die Geschichte ist bündig auf knapp 350 Seiten erzählt; eine für die Fantasy ungewöhnlich kurze Erzählung. Und doch entfaltet sich der Roman in voller Blüte und baut ein Welt auf, die in manch bücherüberspannenden, langen Sagen nicht so plastisch rüberkommt.

Die Zwillinge Lis und Levin sind zusammen mit ihrer Mutter für ein paar Tage zu Verwandten nach Slowenien gereist. Obwohl sie ein gutes Verhältnis zu Onkel und Tante haben, sind die beiden, vor allem Levin, über den kurzfristig eingeplanten Urlaub im Mittelmeerstädtchen Piran nicht sehr erfreut. Levin, leidenschaftlicher Live-Rollenspieler, hatte nämlich schon lange im Voraus für eine Convention zugesagt, auf der er wie üblich in die Rolle seiner Lieblingsfigur Karjan, einem Hohepriester des Gottes Swantewit, schlüpfen wollte. Seine Mutter ließ sich von ihrem Plan jedoch nicht abbringen und untersagte ihrem Sohn die Teilnahme an dem Rollenspieltreffen.

„Die Rückkehr der Zehnten“ beginnt geschickt mit der Beschreibung einer Kampfszene, die Levin in der Rolle des Priesters darstellt. Was zunächst als normaler Kampf innerhalb einer im Roman aufgebauten Fantasy-Welt anmutet, entpuppt sich wenig später als aufgenommenes Videotape, das Levin und seine Schwester Lis ihren Cousins vorspielen. Der packende Einstieg ermöglicht eine direkte Identifikation mit den beiden Hauptfiguren und schlägt eine Brücke zwischen der realen und der Fantasy-Welt. Gleich zu Beginn wird klar, dass Levins Fähigkeiten als Priester und Lis eher ablehnende Haltung gegen das Hobby ihres Bruders eine wichtige Rolle spielen werden. Die Charakterentwicklung der Geschwister wird gleich auf den ersten Seiten verankert und gut motiviert. Während die Figuren und ihre Beziehungen vorgestellt werden, entwickelt sich zeitgleich die Handlung.

Denn Lis und Levin finden, während sie im Meer schwimmen gehen, ein Medaillon, das tief unten auf dem Meeresboden liegt. Überrascht von dem Fund, halten sie es zunächst geheim. Doch die eigenartige Innschrift, die keiner ihnen bekannten Sprache zuzuordnen ist, fesselt sie so sehr, dass sie eine Abschrift vornehmen und diese im Museum vorzeigen. Der Museumswächter reagiert mürrisch, nimmt sich jedoch die Zeit, die Schrift zu analysieren. Auch ihm ist sie unbekannt, er mutmaßt und datiert sie aber auf eine längst vergangene Epoche. Anhand ähnlicher ihm bekannter Schriftzeichen glaubt er das Wort „Desetnica“ darin zu lesen. Ein Begriff, der für die zehnte Tochter steht, die alten Aufzeichnungen nach Unglück über eine Familie brachte, sofern sie nicht geopfert wurde.

Mehr verwirrt als durch die Antwort befriedigt, machen sich die Lis und Levin wieder auf den Heimweg. Doch es passiert, was passieren musste. Während die beiden eines Abends am Strand entlangspazieren, taucht aus dem Nebel eine Stadtmauer auf dem Wasser auf. Levins Neugier ist stärker als die Angst, und so packt er Lis und bahnt sich einen Weg hinüber – direkt in die Welt des Medaillons, in der sich die Sage um die Desetnica erfüllen sollte.

Mit dem schnellen Einstieg und sympathischen Protagonisten gelingt es Nina Blazon, sofort eine Atmosphäre aufzubauen, die bis zur letzten Seite des Buches aufrecht erhalten werden kann. Erst im Nachhinein wird deutlich, dass die kleinen Verwicklungen und Ereignisse der ersten 50 Seiten das Grundmuster für den weiteren Verlauf der Handlung bilden. Dadurch schafft es die Autorin, all ihre Handlungsfäden geschickt und logisch zu verknüpfen. Auch die Charaktere sind gut durchdacht und überzeugend dargestellt. So ist Lis, aus deren Sicht der gesamte Roman erzählt wird, zunächst ein wenig schüchtern und über Levins Eigenarten nicht sehr erbaut. Als sie beide schließlich in die fremde Welt reisen und Lis Bruder in der Rolle des Priesters, den er schon beim Rollenspiel verkörperte, regelrecht aufgeht, fühlt sie sich mehr als unwohl und will nur noch nach Hause zurückkehren. Doch mit jedem weiteren Tag, an dem ihr Vorhaben scheitert, knüpft sie engere Kontakte zu den Bewohner der Stadt Antjana, lernt ihre Wünsche und Sehnsüchte kennen und erfährt, dass es kein Zufall, sondern Schicksal war, in diese Welt gelangt zu sein.

Denn eine Gruppe von Priestern beherrscht die Stadt mit eisiger Hand und lässt keine Gnade mit denen walten, die Poskur, ihrem Gott des Feuers, nicht huldigen. Unruhe breitet sich aus, denn vor den Mauern der Stadt liegt ein Heer der Sarazenen, angeführt von der Desetnica, die sich einst aus der Stadt retten konnten und nun das Volk von den Priestern befreien will. Ein gefährliches Spiel beginnt, denn während sich Levin das Vertrauen bei den Priestern zu erschleichen versucht, schließt sich Lis einer Untergrundbewegung an, die die Rückkehr der Zehnten vorbereiten wollen. Eine Gruppe von Menschen, die als Zeichen dasselbe Medaillon tragen, das auch Lis bei sich hat.

Ohne weiter auf spezifische Details einzugehen, sei so viel gesagt: „Die Rückkehr der Zehnten“ packt den Leser schon auf der ersten Seite und lässt ihn nicht mehr los. Die archaische Welt Antjanas, die der Schreckensherrschaft der Priester ausgesetzt ist, bietet einen überschaubaren Ort der Handlung und verläuft sich nicht in einer überdimensionalen Fantasy-Welt. Die Spannung bleibt konstant hoch, immer wieder nehmen Ereignisse ihren Lauf, die zu überraschenden Wendungen führen. Und doch bleibt genug Zeit, die Figuren angemessen zu beschreiben und sie überaus lebendig wirken zu lassen. Bis auf wenige Ausnahmen innerhalb der Priestergilde, die wirklich keine guten Eigenschaften aufweisen und durch und durch als verabscheuungswürdige Gegenspieler aufgebaut werden, sind die meisten Personen weder ganz weiß noch ganz schwarz. Dass das Ende hierbei klassisch mit einem typischen Happy-End ausklingt, fällt nicht negativ ins Gewicht, werden doch alle bis dahin noch losen Enden verknüpft und zu einem würdigen Abschluss gebracht.

Nina Blazon schafft mit „Die Rückkehr der Zehnten“ das, was generell einen guten Fantasy-Roman ausmachen sollte. Das Buch ist unterhaltsam, spannend, logisch, durchdacht und bis zur letzten Seite fesselnd. Wer Nina Blazon also immer noch nicht kennt, kann mit diesem Roman einen guten Einsteig wagen. Und nach der Lektüre dieses Buches wird es sicher nicht das einzige Werk dieser Autorin gewesen sein, das von nun an den heimischen Bücherschrank schmücken wird.

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