Boelinger, Christophe – Dungeon Twister (Basisspiel)

_Im Labyrinth des Erzmagiers_

Auf dem mythischen Planeten lebte einst ein Erzmagier, der größte Hexenmeister seiner Zunft, der stets darum bemüht war, die größten Geheimnisse der Magie zu erkunden. Lediglich die Wege zur Unsterblichkeit waren ihm bis dato verschlossen, doch da seine Lebenserwartung von den Elfen auf 3000 Jahre geschätzt wird, bleibt ihm noch enorm viel Zeit, um seinen diesbezüglichen Traum zu verwirklichen. Doch sein Reichtum und seine unvorstellbare Macht konnten dem Erzmagier nicht seine Langeweile nehmen. Jahrtausend für Jahrtausend verstrich, bis er schließlich eine Möglichkeit gefunden hatte, sich zu unterhalten.

Er heuerte Zwerge und Gnome zum Bau unterirdischer Labyrinthe an und teleportierte verschiedene Kämpfer unterschiedlicher Rassen in seine neuen Katakomben. Völlig überrascht von der neuen Umgebung, fanden sich diese in einem unerwarteten Alptraum wieder. Auf der Suche nach dem Ausgang mussten sie Fallen ausweichen, Gitter durchbrechen und den Tücken der einzelnen Räume des Labyrinths ausweichen. Sie befanden sich mitten in der Welt von „Dungeon Twister“, in einer Welt, in der nur der Stärkste überlebt.

_Spielidee_

In „Dungeon Twister“ schlüpft man in die Rolle eines Heldenteams, das versucht, mit vereinten Kräften der Gefangenschaft des Labyrinths zu entweichen. Das Spiel ist für zwei Spieler konzipiert, die sich an bestimmten Punkten der Katakomben treffen und versuchen müssen, sich gegenseitig auszulöschen und schließlich ihre Helden zuerst aus den finsteren Räumen zu befreien. Ziel ist es dabei, als erster Spieler fünf Siegpunkte zu erzielen und dabei möglichst schnell mit seinen Figuren ans Tageslicht zu rücken. Dies ist nämlich eine Möglichkeit, an diese begehrten Punkte zu kommen. Einen weiteren gibt es obendrauf, wenn die betreffende Figur der Goblin ist oder sie einen Schatz bei sich trägt. Weitere Siegpunkte werden verteilt, wenn eine gegnerische Figur ausgelöscht wurde, womit klar ist, dass in „Dungeon Twister“ Kämpfe unvermeidlich sind. Allerdings ist Angriff auch hier nicht immer die beste Verteidigung …

_Spielmaterial_

• 8 quadratische Hallen
• 2 Startzonen
• 2 Sichtschirme-Spielhilfen
• 2 Serien Plättchen à 8 Figuren und 16 Sockel
• 2 Kartensets mit 16 Karten je Spieler
• Verschiedene Marker ‚offenes Gitter‘ bzw. ‚geschlossenes Gitter‘
• 5 Aktionsmarker pro Farbe
• 1 Spielregel

Im Gegensatz zur edel bestückten Konkurrenz von |Fantasy Flight Games| greifen die Ideengeber von „Dungeon Twister“ auf kartonierte Figuen zurück, die im Spiel entweder nur als Plättchen (beim Status ‚verletzt‘) oder eben als Aufsteller im Sockel verwendet werden. Dies kann man jetzt von zweierlei Seiten betrachten. Einerseits sind die Figuren dadurch natürlich vergleichsweise instabil und machen auch optisch bei weitem nicht so viel her wie das Material von Spielen wie „Descent“, „Runebound“ oder „Doom“. Was ist ein Pappaufsteller schon im Vergleich zur Plastikminiatur aus dem Gussrahmen?

Andererseits gelingt mitsamt der bunten, zweifarbigen Figurenmarker eine sehr differenzierte Abgrenzung der beiden Spielfarben, was gerade für das aktive Spiel sehr zweckdienlich ist. Die beiden Parteien sind immerzu sehr gut voneinander zu unterscheiden, wobei lediglich einige Schwierigkeiten bei der Trennung der recht gleichförmig gezeichneten Charaktere bleiben.

Insgesamt hinterlässt das Material so trotz der guten Bespielbarkeit einen leicht faden Beigeschmack, gerade wenn man bereits in den Genuss besagter Spiele gekommen und somit etwas verwöhnt ist. Aber dadurch konnte letztendlich zumindest der Preis auf einem anständigen Niveau gehalten werden.

_Vorbereitung_

Vor dem Spiel werden die acht Hallen-Platten gemischt und verdeckt zu einem Rechteck ausgelegt, also mit einer Fläche von 2 x 4 Quadraten. Daneben werden die Startzonen mit den Startfeldern für die ersten vier Figuren jeder Seite ausgelegt. Beide Spieler wählen nun vier ihrer acht Charaktere und platzieren sie auf diese Startfelder. Es erweist sich natürlich als günstig, hierbei Personen zu wählen, die sich flink fortbewegen können, weil sie den weitesten Weg zum Ausgang des Labyrinths haben werden. Anschließend verbirgt man die übrigen Figuren und alle Plättchen hinter seinem Sichtschirm.

Der zuvor gewählte Startspieler beginnt nun, jene Plättchen auf den verdeckten Hallen-Platten zu verteilen und beachtet dabei das Limit, welches für alle ausgelegten Plättchen auf jeder Karte gilt. Hier beginnt der strategische Teil, denn jeder muss sich nun genau überliegen, welche Waffe bzw. welche Figur er wo platziert und ob er sich nun eher auf ein offensives oder ein abwartendes Spiel einlässt. Sind alle Plättchen ausgelegt, beginnt die Partie erneut mit dem Startspieler.

_Spielablauf_

Jeder Spielzug ist in mehrere Phasen unterteilt, deren Umfang der Spieler individuell mit seinen Aktionskarten bestimmen kann. Von zwei bis fünf Zügen bieten ihm seine vier Karten unterschiedliche Möglichkeiten, wobei man immer den kompletten Kartensatz einmal eingesetzt haben muss, bevor man wieder aus dem Vollen schöpfen darf. Eine komplette Runde besteht also aus vier Phasen mit jeweils anderer Anzahl von Aktionen.

Nachdem man also seine Aktionskarte ausgespielt hat, setzt man die darauf abgebildeten Aktionspunkte nun für die verschiedenen Handlungsalternativen ein. Mit einem Aktionspunkt kann man zum Beispiel eine bislang noch verdeckte Halle erkunden. Dies ist genau dann möglich, wenn einer der Helden in direkter Nähe zu einer umgedrehten Hallen-Platte steht. Wer sich für diese Option entscheidet, nimmt nun alle Plättchen von der großen Platte, wendet sie, fügt sie anschließend wieder ins Labyrinth ein und verteilt die darauf abgelegten Plättchen nach seiner freien Entscheidung auf einem leeren Spielfeld.

In jeder Halle befindet sich ein Feld mit dem sogenannten Rotations-Mechanismus. Wer diesen speziellen Punkt betritt, kann für einen weiteren Aktionspunkt nun die Halle einmal um 90 Grad drehen, muss sich allerdings dabei an die Pfeilrichtung halten. Es ist also möglich, dass aus einer nötigen 90 Grad-Drehung unfreiwillig eine Drehung um 270 Grad wird, weil der Pfeil nicht die erwünschte Richtung aufweist. Weiterhin kann man auch andere Hallen von einem Punkt aus drehen, der sich nicht in der zu drehenden Halle befindet. Jeweils zwei Hallen sind mit einer Ziffer verbunden. Betritt man den Rotations-Mechanismus, kann man nun Hallen mit derselben Ziffer auch aus einer größeren Entfernung bewegen.

Die mitunter wichtigste Aktion ist natürlich die Bewegung der Figuren. Jeder Charakter hat einen individuellen Bewegungswert, um den man ihn für jeweils einen Aktionspunkt fortbewegen darf. Dabei muss man Sonderbedingungen wie etwa Gitter und Gruben beachten, die man nur mit speziellen Gegenständen öffnen bzw. überqueren darf oder in der Gestalt einer Person, deren Spezialfähigkeit es ist, solchen Hindernissen zu trotzen. So kann der Krieger beispielsweise Gitter zerstören, während die Diebin sich elegant über Gruben bewegt. Gleich ist jedoch allen, dass sie auf manchen Feldern ihren Zug nicht beenden dürfen und nicht durch feindliche Charaktere hindurchziehen können. Außerdem gilt die goldene Regel, dass sich am Ende eines Zuges jeweils nur eine Figur und ein Plättchen oder aber zwei Plättchen auf einem Feld befinden dürfen.

In manchen Situationen werden die Helden in einen Kampf hineingezogen. In diesem Fall setzen sie ihre festgelegte Kampfkraft ein und erweitern ihre Fähigkeiten mit den Kampfkarten der Spieler, die gleichzeitig aufgedeckt, dann verglichen und schließlich bewertet werden. Der Spiele mit der höheren Summe aus Karten und genereller Kampfkraft gewinnt das Gefecht und verletzt den Kontrahenten. Dieser ist jedoch noch nicht völlig zerstört und könnte sich vom Kleriker seines Teams heilen lassen. In einem weiteren Kampf wäre er seinem Gegner aber fast schutzlos ausgeliefert, weil seine Kampfkraft fortan gleich null ist und nur noch Karten eingesetzt werden dürfen. Verletzten Figuren kann man auch problemlos Gegenstände rauben, weil sie gegen derartige Überfälle machtlos sind.

Eine letzte Möglichkeit für die Verwendung eines Aktionspunkts ist der Einsatz von Spezialgegenständen und –kräften. Mit dem Trank der Schnelligkeit kann man zum Beispiel für den Preis eines Aktionspunkts vier weitere Aktionen mit der gleichen Figur erkaufen, was besonders in brenzligen Situationen äußerst hilfreich ist. Der Magier hingegen kann den Feuerballstab einsetzen, um einen Gegner ohne langen Kampf zu vernichten, muss dafür aber auch einen vergleichsweise günstigen Aktionspunkt zahlen. Der Troll kann sich für diesen Einsatz selber regenerieren, die Wandläuferin durchquert hierfür Wände, der Kleriker hat heilende Hände, der Mechanork kann als Einziger die Halle rotieren lassen und der Krieger zerstört mit nur einem Aktionspunkt ein Gitter. In entscheidenden Situationen ist man also auf Spezialeigenschaften dringend angewiesen.

Im weiteren Verlauf bahnen sich die beiden Heldenteams nun einen Weg durch das düstere Labyrinth, das Tageslicht immer im Visier, doch ebenso die feindlichen Schergen. Das Spiel ist genau dann zu Ende, wenn ein Spieler fünf Siegpunkte, ganz egal wie, erreicht hat. Er ist gleichzeitig der Gewinner des Spiels.

_Meine Meinung_

„Dungeon Twister“ war mir bereits auf den Tischen der |Spiel ’06| mehrfach aufgefallen, zumal die einzelnen Aufbauten auch stetig von interessierten Besuchern frequentiert und besetzt wurden, die im Nachhinein nur Gutes über das Spiel zu berichten wussten. Dies im Hinterkopf, aber dennoch mit etwas Skepsis wegen des simplen Spielmaterials wurde „Dungeon Twister“ nun auch auf dem hiesigen Tisch einem abendfüllenden Test über gleich fünf Partien unterzogen, bei dem der Schwierigkeitsgrad von Runde zu Runde durch geänderte Bedingungen erhöht wurde. Und siehe da: Alle verbliebenen Zweifel waren in Windeseile vergessen, denn die kurzweilige Reise durchs Labyrinth ist nicht nur sehr spannend aufgebaut, sondern liefert auch allerhand Spielraum für verwegene Taktiker und Tüftler, so dass mal wieder unzählige Wege zum Sieg führen können.

Schon mit der Startaufstellung beginnt die Strategieschlacht, die zwar thematisch nicht dringend einem Fantasy-Szenario unterliegen müsste, sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen aber problemlos eine (in dieser Form) nicht erhoffte Atmosphäre aufbaut, die wiederum in erster Linie Fans des |Fantasy Flight|-Katalogs ansprechen sollte – auch wenn hier mit Material nicht gerade geklotzt wird.

Das Potenzial des Titels begründet sich vorwiegend auf dem kurzweiligen, temporeichen Aufbau und dem strategiebetonten Variantenreichtum, welchen dieses knapp bestückte Abenteuerspiel trotz des knapp bemessenen Inhalts auf alle Fälle vorweisen kann. Kein Spiel gleicht dem vorherigen, unter anderem, weil die Hallen-Platten jedes Mal wieder anders angeordnet sind, und weil man nie so recht weiß, was einen als nächstes erwartet – das weiß man selbst bei der recht geringen Menge von gerade mal acht Platten nicht –, bleibt der Streifzug der Helden durch den „Dungeon Twister“ bis zuletzt spannend und abwechslungsreich.

Damit bedienen |Pro Ludo| vor allem eine Sparte, die bislang nur mit monströsen Epen verwöhnt wurde, die an einem Abend kaum zu bewältigen waren. „Dungeon Twister“ ist ein jederzeit kurzes, schnelles Vergnügen, aber dennoch ideenreich und mit einem umfassenden Taktik-Repertoire ausgestattet. In Frankreich ist der Titel schon seit längerer Zeit mächtig angesagt, aber auch hierzulande erfreut sich „Dungeon Twister“ wachsender Popularität. Nach diesem Intensivtest ist mir auch klar, warum dem so ist. Ich freue mich schon auf die Erweiterungen!

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