Boudinot, Ryan – Sperm & Egg. Eine Liebesgeschichte

Erwachsenwerden ist nicht leicht. Probleme mit sich selbst, Probleme mit den Eltern und die erste Liebe sind alleine schon schwer zu bewältigen, aber wenn diese drei Dinge zusammen treffen, dann steckt man wahrlich in einem Schlamassel. Schlamassel machen allerdings ziemlich gute Bücher. Ein aktuelles Beispiel ist „Sperm & Egg – Eine Liebesgeschichte“, der Debütroman von Ryan Boudinot.

_Um seine große_ Liebe Kat Daniels zu beeindrucken bringt Cedar sein Sperma zum Mikroskopieren in den Biologieunterricht mit. Und tatsächlich! Es funktioniert. Die beiden kommen zusammen, doch so einfach, wie er sich das mit der ersten Liebe vorgestellt hat, ist sie nicht. So richtig klappt das mit dem Sex leider nicht – und als Kat von einer Urlaubsreise zurück kommt und plötzlich schwanger ist, läuten bei Cedar die Alarmglocken. Er ist sich ziemlich sicher, dass er es nicht war, doch Kat möchte nicht damit heraus rücken, wer sonst in Frage kommt. Also reimt sich Cedar zusammen, dass es George gewesen sein muss, der Freund von Kats Mutter, den diese nicht besonders leiden kann.

Er steigert sich in diese Theorie rein und steht Kat natürlich hilfreich zur Seite, als sie beschließt, das Baby abzutreiben. Doch die dankt es ihm nicht. Nach der Abtreibung zieht sie sich immer mehr von ihm zurück bis die Beziehung auseinander bricht. Dabei hätte Cedar eine Schulter zum Anlehnen gebrauchen können. Seine Eltern sind nämlich auf die Idee gekommen, sich scheiden zu lassen. In seiner Wut konzentriert er sich auf den mutmaßlichen Vergewaltiger George und heckt einen teuflischen Plan aus …

_“Sperm & Egg“ lässt_ einen als Leser etwas ratlos zurück. Boudinot hat gute Ideen und auch sein Erzählstil mit den sehr konkreten, häufig überraschenden Metaphern und dem unterschwelligen Humor kann sich sehen lassen. Die Handlung des Buches lässt allerdings Fragen offen. Obwohl die oben erwähnten Ereignisse aus dem Teenagerleben von Cedar und Kat im Mittelpunkt stehen, konstruiert Boudinot eine Rahmenhandlung außenrum, die mehr oder weniger unnötig ist. Zwanzig Jahre später treffen Kat und Cedar sich, da Kat ein Buch über diese Phase ihrer Jugend geschrieben hat und sich absichern will, dass Cedar sie nicht wegen der darin beschriebenen Ereignisse verklagen wird. In dieser Rahmenhandlung passiert aber nichts Wichtiges außer ein bisschen Geplänkel zwischen den Ex-Geliebten. Umso störender ist es da, dass die Kerngeschichte dadurch nicht nur unterbrochen wird, sondern auch seltsam komprimiert wirkt. Sie hätte alleine genug Kraft gehabt, um ein ziemlich gutes Buch zu werden, wenn Boudinot sie entsprechend noch etwas erweitert hätte. Sie ist komisch, dramatisch und mitreißend. Sie hat alles, was man sich von einem guten Coming-Of-Age-Roman wünscht und da ist es mehr als schade, dass der Autor den Leser mit Fragezeichen in den Augen und einer unpassenden Rahmenhandlung abspeist.

Cedar und Kat, aus deren Ich-Perspektive abwechselnd berichtet wird, sind zwei charmante Charaktere, die neben viel Witz auch eine gewisse Ernsthaftigkeit besitzen. Dadurch ähneln sie Figuren aus anderen Pubertätsromanen nicht besonders, was gut ist. Obwohl Boudinot sie immer wieder in skurrile Situationen schickt, wirken die beiden echt und lebensnah. Es macht Spaß, ihnen zu folgen – auch als erwachsener Leser. Die unbedarfte und unverfälschte Sichtweise der zwei auf das Leben und vor allem auf die Erwachsenen, gerade ihre Eltern, ist stellenweise wie ein Spiegel. So ist es kein Wunder, dass gerade diese am Negativsten betrachtet und häufig beinahe ins Lächerliche gezogen werden. Das ist zum Einen der jugendlichen Perspektive geschuldet, die die eigenen Probleme als wichtiger erachtet als die Scheidung der Eltern. Zum Anderen treffen sie dabei auch den einen oder anderen wunden Punkt.

Sprachlich findet Boudinot einen guten Mittelweg zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Seine Schreibweise ist nicht gewollt witzig. Vielmehr entstehen Scherze aus der Situation heraus, als Reaktion auf Gesagtes oder ein Ereignis. Der Autor übertreibt es dabei aber nicht. Er zieht weder die Geschichte noch deren Charaktere ins Lächerliche. Außerdem verlässt er sich nicht auf den Humor, sondern hat auch sonst einiges zu bieten. Sein lockerer Umgang mit Metaphern, die teilweise ungewöhnlich sind, und anderen Sprachbildern lassen „Sperm & Egg“ zu einem fluffigen Lesevergnügen werden, das man schon alleine deshalb in einem Rutsch liest, weil man gespannt auf die nächste sprachliche Raffinesse ist.

_“Sperm & Egg“ macht_ definitiv einen guten ersten Eindruck auf dem Büchermarkt. Die lockere, witzige Schreibweise und die gut durchdachte Kerngeschichte zeigen, dass Boudinot sein Handwerk beherrscht. Die Rahmenhandlung allerdings schmälert den Genuss etwas.

|Taschenbuch: 224 Seiten
Originaltitel: |Misconception|
Deutsch von Silke Jellinghaus
ISBN-13: 978-3499253744|
http://www.rowohlt.de

Schreibe einen Kommentar