Carl Bowen, Rick Jones, James Kiley, Matthew McFarland, Adam Tinworh – Werwolf: Paria

Das Paradies ist verloren – vernichtet von unserer eigenen Hand, zerrissen von unseren eigenen Klauen und Zähnen. Wegen dieses Verbrechens sind wir PARIAS.

Heute lauern wir inmitten der menschlichen Herde. Wir sind Wölfe im Schafspelz und unsere Sinne führen uns zu unserer Beute.

Unsere eigenen Geschwister wenden sich gegen uns, und Geschöpfe aus dem Schatten der Erde setzen uns nach. Unser Blut kocht vor Wut, wenn die Zeit des Vollmonds näher rückt.

Du, der du uns jagen willst, sei gewarnt: Wir werden den Spieß umdrehen, und du wirst erkennen, dass du nicht der Jäger, sondern unsere Beute bist.
(Auszug aus dem Quellenband)

_1. Über die Werwölfe_

„Werwolf: Paria“ ist ein Quellenbuch für das [„Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“, 1607 das es dem Spieler ermöglicht, einen Werwolf zu verkörpern.

Die Werwölfe in diesem Spiel werden als solche geboren und nicht etwa durch einen Biss zu solchen gemacht. Nach einer alten Legende töteten die Paria (so nennen sich die Werwölfe) Vater Wolf, einen mächtigen Geist, der auch ihr Vater war. Vater Wolfs Aufgabe war es, über das Geisterreich und die normale Welt zu wachen, auf dass keine Geister in die normale Welt kämen oder Irdische in die Geisterwelt. Seitdem die Werwölfe Vater Wolf getötet haben, sind nun sie die Wächter. Doch wurden sie ob dieses Verrates von Luna, ihrer Mutter, mit unbändiger Wut bestraft.

Die Paria versuchen, die Geisterwelt und die normale Welt in Einklang zu halten. Doch dabei müssen sie sich nicht nur gegen zahlreiche Gegner wie Geister, Azlu (Spinnenwesen), Beshlu (Rattenwesen) und die so genannten „Reinen Stämme“ kämpfen, sondern auch gegen ihre eigene unbändige Wut…

_2. Regeln_

Vorab: „Werwolf: Paria“ ist ohne „Die Welt der Dunkelheit – Grundregelwerk“ nicht spielbar.

Die Werwölfe besitzen fünf Gestalten:

Hishu: Normale menschliche Gestalt.
Dalu: Halbmenschliche Gestalt. Deutlich behaarter und robuster aber noch einigermaßen menschlich.
Gauru: Wolfsmensch. Fast drei Meter große Kriegsgestalt der Paria.
Urshul: Halbwolf. Großer urzeitlicher Wolf mit riesigem Gebiss.
Urhan: Wolf. Normaler Wolf

Je nach Gestalt gibt es verschiedene Boni und Mali. So kann man in Wolfsgestalt besser riechen (die Boni beziehen sich immer auf die menschliche Gestalt), ist dafür aber kleiner.

Die schon erwähnte Kriegsgestalt der Werwölfe nennt sich Gauru. In dieser Form ist der Werwolf nicht nur fast drei Meter groß, sondern auch nur zum Töten und Kämpfen in der Lage. So ist er eine Gefahr für jeden in seiner Umgebung, denn die Wut hat ihn ganz in ihren Bann geschlagen. Da solche Verwandlungen auch ungewollt zu Stande kommen können, ist das Leben eines Parias immer auch ein Ritt auf der Rasierklinge.

Natürlich haben Werwölfe auch besondere Kräfte, die Gaben genannt werden. Diese werden durch die Mondphase, in der er sich das erste Mal verwandelt hat, und durch seinen Stamm bestimmt. Es gibt auch Werwölfe, die keinem Stamm angehören. Diese werden Geisterwölfe genannt. Geisterwölfe werden nicht von anderen Werwöfen benachteiligt, können aber auch nicht am Stammestotem partizipieren.

Die Mächte der Paria werden mit Essenz gespeist. Diese Energie kann an so genannten Toren aufgeladen werden, die die normale Welt und die Geisterwelt verbinden.

Es gibt zwei Dinge, die die Werwölfe besonders anstreben: zum einen, die Geisterwelt und die normale Welt so zu beeinflussen, dass ihr Revier eine positive Lebensqualität aufweist. Zum anderen, ihre geisterhafte Seele (schließlich sind sie halb Geist) mit ihrem Körper und der Wut in Einklang zu bringen. Deshalb haben die Werwölfe einen Harmoniewert, der das Fortschreiten ihres Einklangs mit sich selbst darstellt. Je höher der Harmoniewert eines Werwolfs, desto höher auch seine möglichen Fähigkeiten.

_3. Änderungen zum Vorgänger_

Zuallererst ist die Beschreibung der Geisterwelt nicht mehr so kryptisch wie im Vorgänger und die Motive der Werwölfe und der Geister sind besser nachzuvollziehen. Beim „Werwolf: Die Apokalypse“ hatte ich immer Probleme, mir die Geister und deren Welt vorzustellen, wohingegen ich mir schon beim ersten Durchlesen von „Werwolf: Paria“ ein stimmiges Bild davon machen konnte.

Besonders gefreut hat mich, dass die Autoren den Mythos des Werwolfsbisses aufgenommen haben, ohne dabei vom Prinzip des gebürtigen Werwolfs abzurücken. Das Fehlen dieses Mythos im Vorgänger war zwar von der spielerischen Seite her irrelevant, doch atmosphärischer ist es natürlich, indem man den Werwolfsbiss integriert.

Auch wurden die Werwölfe allgemein etwas entschärft. Sie sind zwar immer noch ziemlich stark, aber da sie nun nicht mehr zwangsläufig schwer heilbaren Schaden verursachen, deutlich schwächer als zuvor. Auch ist die Zeit, die ein Werwolf in seiner Kriegsgestalt (früher Crinos, jetzt Gauru) verbringen kann, begrenzt. Wenn er sich dann allerdings in dieser Gestalt befindet, gerät er fast zwangsläufig in einen Berserkerrausch und ist zu keinen Handlungen jenseits von Kämpfen, Töten oder Fliehen in der Lage.

Diese zwei Faktoren waren in „Werwolf: Die Apokalypse“ deswegen ein Problem, weil viele Spieler relativ oft und lange in der Kriegsgestalt verbracht haben und sich somit der Flair der wilden Bestie in Alltagstrott verwandelt hat. Daraus entstand für den Spielleiter die Situation, immer mächtigere Gegner zu entwerfen. So wurde die Langzeitmotivation deutlich beschnitten. Durch diese Maßnahme ist die Kriegsgestalt nun zu einem zweischneidigen Schwert geworden: Zum einen besticht sie immer noch mit einer enormen Stärke und Widerstandsfähigkeit, zum anderem sind mit ihr ein Kontrollverlust und eine zeitliche Einschränkung verbunden. Da sich zum Beispiel auch die Gesundheitsstufen durch das Gestaltwandeln verändern, werden die Spieler gezwungen, die Gauru-Gestalt taktisch einzusetzen.

Was ich übrigens sehr gut finde, ist, dass Vampire und Werwölfe nicht zwangsläufig verfeindet sind. Daher sind jetzt auch gemischte Runden realistisch.

Da die Werwölfe in „Werwolf: Paria“ grundlegend andere Ziele verfolgen als die Artgenossen in „Werwolf: Die Apokalypse“, bietet dieses Spiel auch genug Motivation und Neues für alteingesessene Werwolf-Spieler. Alles in allem ist „Werwolf: Paria“ sowohl spiel- als auch storytechnisch ausgereifter und in sich geschlossener als der Vorgänger.

_4. Fazit_

Der Quellenband besticht durch eine schöne Story und äußerst sinnvollen Regeln zum Spielen eines Werwolfs in der Welt der Dunkelheit. Wie auch [„Vampire: Requiem“ 1701 schlägt „Werwolf: Paria“ den Vorgänger um Längen. Außerdem besticht er auch wieder durch eine gelungene Aufmachung (toller Prolog, super Bilder) und die für |Feder & Schwert|-Publikationen übliche gediegene Verarbeitung und Qualität. Also gilt: Für Freunde des actionreichen Horror-Rollenspiels uneingeschränkt empfehlenswert. Man darf gespannt sein auf die weiteren Veröffentlichungen aus dieser Richtung.

Gebundene Ausgabe: 320 Seiten