Brasini, Flaminia / Gigli, Virginio / Luperto, Stefano / Tinto, Antonio – Maestro Leonardo

_Da Vincis Kollegen bei der Arbeit_

Unter dem Einfluss des viel gerühmten [„Da Vinci Codes“ 1897 gelangte der legendäre Wissenschaftler in den vergangenen Jahren wieder zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Dieser Einfluss konnte auch nicht von der Brettspiel-Szene ferngehalten werden, was besonders auf den letztjährigen Spieltagen in Essen in einigen interessanten Titeln zum Thema Da Vinci resultierte. Das wohl meistversprechende war bzw. ist in diesem Zusammenhang sicherlich „Maestro Leonardo“ aus der italienischen Independent-Schmiede |dV Games|, welches hierzulande via |Abacus| vertrieben wird und gerade auf besagter Messe fantastisches Feedback bekam.

In dieser strategischen Variante schlüpfen zwei bis fünf Spieler in die Rolle von ausgefallenen Wissenschaftlern und bemühen sich, zur Zeit der Renaissance Da Vincis Vermächtnis aufrechtzuerhalten. In einem Wettstreit um die besten und wichtigsten Erfindungen treten sie gegeneinander an und errichten einige bedeutsame Artefakte. Jedoch sind die Genies nicht die einzigen Hoffnungsträger; ihnen zur Seite stehen jeweils bis zu neun Lehrlinge, welche die groben Arbeiten verrichten und somit das Fundament für die wissenschaftlichen Erkenntnisse setzen. Je aufwendiger schließlich das Resultat, desto größer der Wert und natürlich auch das angesammelte Vermögen. Wer nämlich binnen neun Runden die meisten Gulden einheimst, wird von Maetsro Leonardo höchstpersönlich zum Sieger gekrönt.

_Spielidee_

In der Rolle der Wissenschaftler streiten die konkurrierenden Forscher um verschiedene Baustoffe, basteln in ihren Laboratorien an den gerade ausliegenden Erfindungen, bauen ihren Arbeitsplatz schließlich aus und bemühen sich des Weiteren um die höchstmögliche Gunst im Rat. Runde für Runden werden Rohstoffe gesammelt und der Arbeitsprozess mit Hilfe der Lehrlinge derart angetrieben, dass die zur Verfügung stehenden Baupläne relativ schnell zu fertigen Erfindungen verarbeitet werden. Mit dem daraus verdienten Geld macht man sich schließlich an die Verbesserung der Arbeitsgrundlagen, um bei der Produktion neuer Artefakte noch mehr Tempo zulegen zu können – letztendlich bringt nämlich jedes abgeschlossene Forschungsprojekt Bares. Allerdings sind in „Maestro Leonardo“ nicht nur schnelle, sondern auch vielseitige Wissenschaftler gefragt. Nicht nur für fertige Artefakte, sondern auch für eine Zusammenstellung derartiger Bauwerke aus den verschiedensten Stilrichtungen wird man entlohnt. Alles in allem läuft aber dennoch alles darauf hinaus, dass die Endsumme stimmt, weil am Schluss derjenige siegreich ist, der durch sein strategisches Vorgehen den größten Batzen Gulden besitzt.

_Spielmaterial_

• 5 Meister in fünf unterschiedlichen Farben
• 45 Lehrlinge in fünf unterschiedlichen Farben
• 10 Arbeitszeit-Zählsteine in fünf unterschiedlichen Farben
• 10 doppelseitige Laboratorien, jeweils 2 in fünf Farben
• 15 mechanische Menschen
• 60 Karten mit fünf unterschiedlichen Materialien
• 60 Guldenkarten zu verschiedenen Werten
• 25 Erfindungen
• 1 Geldstein
• 1 Rundenstein
• 2 Übersichtstafeln
• 4 Markierungspfeile
• 1 Leonardo-Figur mit Stellfuß
• 1 Stadtherr-Figur mit Stellfuß
• 1 Spielplan
• 1 Spielregel

Das Spielmaterial zu „Maetsro Leonardo“ ist grundsätzlich in Ordnung, insgesamt jedoch ein wenig unübersichtlich aufgebaut. Die Strukturen auf dem Spielplan lassen sich beispielsweise nur nach fokussierter Analyse durchschauen und erschweren den Einstieg vor der ersten Runde schon ein wenig. Darüber hinaus ist auch die grafische Aufarbeitung nicht ganz den hohen derzeitigen Standards entsprechend. Die Farbgebung ist recht schlicht und trägt überhaupt nicht zur Spielatmosphäre bei, das Kartenmaterial hingegen ist eher dürftig illustriert und leistet seinen Teil zu den mäßigen visuellen Eindrücken.

Letztendlich ist alles ein wenig zu zweckmäßig geraten und ohne die für einen solchen Titel erforderliche Detailverliebtheit. Denn auch wenn dies keinen Einfluss auf die generelle Spielbarkeit des Materials hat, so ist die Kreation einer ansprechenden Atmosphäre dadurch doch schon stark beeinträchtigt. Hinzu kommt schließlich noch eine viel zu kompliziert aufgebaute Spielregel, deren unnötige Komplexität und Verworrenheit sich im Spiel definitiv nicht widerspiegelt.

_Der Spielplan_

Wie bereits angedeutet, so ist eine klare Übersicht über den Spielplan gerade vor der ersten Partie nicht dringend selbstverständlich, erklärt sich später aber dann doch wie von selbst. Dennoch hängt das Verständnis des Spielablaufs in erster Linie vom Bedeutungswissen über das Spielbrett ab. Auf diesem befinden sich neben dem Rundenzähler fünf Ablagefelder für die gerade umworbenen Erfindungen sowie ein vierteiliges Bankfeld, auf dem die Guldenscheine unterschiedlichen Wertes abgelegt werden. Die Aktionsfelder sind indes mittig und folgen einer festgelegten Reihenfolge. Dort buhlen die Spieler schließlich um neun verschiedene Aktionsmöglichkeiten, für deren Erfolgen sie mit Lehrlingen und dem Meister bieten. Auf diese Weise kann man sein Laboratorium erweitern bzw. einen mechanischen Menschen kaufen, Figuren in den Rat setzen, um dort eine von vier verschiedenen Aktionen durchführen zu können, die Anzahl der Lehrlinge vermehren oder eben eines der fünf Materialien erwerben. Während des Spiels werden auf die jeweiligen Felder um direkten Wechsel Figuren aufgesetzt. Anschließend wird jeder einzelne Bereich gewertet und entschieden, wer die Aktionen zu welchem Preis durchführen darf.

_Spielvorbereitung_

Vor jeder Partie wird zunächst das Spielfeld präpariert. Die Auftragskarten werden in einer speziellen Anordnung gemischt und entsprechend der Spielerzahl zwischen drei und fünf Karten in die offene Auslage auf dem Spielfeld gelegt. Der Runden- und der Geldstein werden auf die Werte 0 ihres Zählers gesetzt, die Geldkarten in die Bank gelegt. Als Letztes werden die Spielmaterialien an die Spieler selbst verteilt. Jeder Spieler erhält nach einem divergierenden, festgelegten Schema Baustoffe, Laboratorien und Lehrlinge sowie jeweils einen Meister. Durch diese Aufteilung wird auch der Startspieler bestimmt, der nun seinen ersten Zug machen darf.

_Spielablauf_

„Maestro Leonardo“ wird in insgesamt neun Runden ausgespielt, welche wiederum in vier aufeinander folgende Phasen gegliedert sind. Doch auch das gesamte Spiel erfährt noch einmal eine spezifische Zweiteilung; in den letzten Runden dürfen nämlich nicht mehr alle Aktionsphasen gespielt werden. Diese Kapitel werden stattdessen ausschließlich dazu genutzt, Erfindungen fertigzustellen. Die Lehrlinge werden indes nicht mehr neu positioniert. Eine komplette Spielrunde sieht nun wie folgt aus:

|a) Beginn der Arbeiten|

Jeder Spieler gibt bekannt, ob er mit den Arbeiten an einer neuen Erfindung beginnt. Um dies zu realisieren, ist die nötige Anzahl an Material-Karten nötig, die anschließend verdeckt unter das Labor gelegt werden, um die Erfindung zu starten. Die anderen Spieler sollen allerdings nicht wissen, mit welcher Erfindung man beginnt, daher dieser verdeckte Zug. Um den Fortschritt der Arbeiten zu dokumentieren, wird ein Arbeitszeit-Zählstein auf den Anfang der Zählleiste im Labor gesetzt. Letztendlich wissen die übrigen Mitspieler nun, dass man an einer Erfindung arbeitet und wie lange diese schon in Arbeit ist, können aber dennoch nicht eingrenzen, um welche der ausliegenden Auftragskarten es sich handelt.

Für den Fall, dass die Material-Karten zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfügbar sind, passt man in diesem Zug und betont, dass man keine neuen Erfindungen startet. Alternativ kann man auch Erfindungen, die plötzlich weniger lukrativ erscheinen, in dieser Phase beenden, um sein Labor für bessere Projekte zu räumen. Auch dies muss angekündigt werden

|b) Platzierung von Meister und Lehrlingen|

In dieser aktiven Phase öffnet sich der strategische Teil des Spiels. Die Spieler verteilen ihre Lehrlinge und den Meister abwechselnd auf dem Spielplan und versuchen, auf den momentan besten Feldern Mehrheiten zu erlangen. Jeder Spieler darf nun abwechselnd einen oder mehrere Lehrlinge bzw. den Meister auf eines der Aktionsfelder setzen. Im nächsten Zug wird ihm wieder dieselbe Handlungsmöglichkeit eingeräumt, allerdings darf man jedes Feld nur einmal mit Lehrlingen bestücken. Reaktionen auf vorangegangene Fehleinschätzungen sind somit nicht möglich. Wohl aber darf noch ein Meister auf ein Feld mit einem eigenen Lehrling nachrücken; dieser zählt in der späteren Vergleichswertung sogar direkt zwei Punkte.

Sobald ein Spieler passt, darf er keine weiteren Figuren mehr auf das Spielfeld setzen. Passen alle Spieler, beginnt die nächste Phase.

|c) Auswertung|

In der Reihenfolge der Buchstaben werden die einzelnen Aktionsfelder nun gewertet. Hierzu wird die Summe der Punkte von Lehrlingen und Meistern individuell addiert und verglichen. Derjenige mit dem besten Wert darf nun umsonst die Aktion durchführen, die an der jeweiligen Stelle angeboten wird. Anschließend darf auch der zweitbeste Bieter diese Aktion durchführen, allerdings muss er nun schon einen Gulden zahlen, weil jede durchgeführte Aktion den Geldstein um einen Punkt vorsetzt. Somit hat man seine Handlungsmöglichkeit noch nicht ganz verloren, nur weil man weniger Lehrlinge geboten hat, wird allerdings dafür zur Kasse gebeten. Es ist überdies auch möglich, als einziger Bieter Aktionen zu wiederholen, falls dies finanziell machbar ist. Dieser Vergleich wird nun an jedem Ort des Spielfelds durchgeführt und nötigenfalls bei Gleichstand neu ermittelt. In diesem Fall gewinnt nämlich derjenige, der als Erster seinen Stein dorthin gesetzt hat. Auf allen Feldern gilt schließlich die Regel, dass man zum erhöhten Preis dieselbe Aktion ebenfalls durchführen darf. Nur im Rat ist jede Aktion nur einmal verfügbar. Hat sich beispielsweise der erste Spieler dazu durchgerungen, alle Gulden aus dem Rat zu nehmen, kann diese Aktion in der laufenden Runde von keinem anderen mehr gewählt werden.

Unterdessen entwickelt sich das Spiel auf allen Seiten weiter. Laboratorien werden nun fertiggestellt, die Forschungen machen deutliche Fortschritte, die wiederum auf der Zählleiste des Laboratoriums festgehalten werden, und auch neue Lehrlinge und Materialien werden aufgenommen, um sich für die nächste Runde bzw. neue Erfindungen zu wappnen. Sobald an allen Positionen gewertet wurde, geht der Zug in die letzte Phase.

|d) Erfindungen fertigstellen|

Sobald ein Laboratorium die nötige Anzahl Wochen zur Vollendung einer Erfindung aufgebracht hat, ist diese vollendet. Der Spieler erklärt nun, um welche Erfindung es sich handelt, zeigt die Materialkarten als Beweis seiner Ehrlichkeit und kassiert die Prämie von der Bank. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Erfindung von anderen nicht mehr abrufbar ist. Sollte ein anderer Spieler in der gleichen Runde mit dieser Erfindung fertig werden, erhält er ebenso viele Gulden, in späteren Runden wird er zumindest noch anteilmäßig bezahlt. Im letzteren Fall muss er natürlich bekanntgeben, dass er noch an der Erfindung arbeitet. Bei gleichzeitiger Vollendung wird indes die Karte unter den beteiligten Spielern versteigert und an denjenigen weitergegeben, der verdeckt die meisten Gulden bietet.

Nach Abschluss der Runde beginnt auch schon die nächste Runde mit der ersten Phase, und dies bis zum Ende der ersten sieben Runden. Anschließend entfallen die Phasen zwei und drei gänzlich; die Lehrlinge und Meister werden nur noch in die Laboratorien gesetzt, um die Erfindungen zu vollenden. Gegebenenfalls bekommen sie hierbei Unterstützung von den zwischenzeitlich erworbenen Maschinenmenschen.

_Spielende_

Das Spiel endet sofort nach dem Abschluss der neunten Runde. Die Spieler erhalten nun eventuell noch Gulden für Erfindungen unterschiedlicher Arten und addieren diese zum persönlichen Gesamtkontostand. Anschließend wird der Besitzer der meisten Gulden zum Sieger gekrönt.

_Persönlicher Eindruck_

„Maestro Leonardo“ ist ein wirklich tolles Strategiespiel, dies durfte man nach den ersten Erfahrungen mit dem durchaus bekannten, aber dennoch originellen Mechanismus des Spiels schon einmal vorab festhalten. Dass die Spieltiefe indes derart ausgeprägt ist und sich innerhalb verschiedener Partien solch enorme Unterschiede im Spielablauf ergeben würden, muss aber dennoch als äußerst positive Überraschung gewertet werden, welche den italienischen Titel mitunter auch ein ganzes Stück vom großen Bruder [„Die Säulen der Erde“ 3072 abhebt.

Dennoch bietet sich der Vergleich zum prestigereichen |Kosmos|-Titel in vielerlei Hinsicht an, denn in beiden Spielen setzt man Figuren als Bietelemente ein, um so an verschiedenen Positionen des Spielplans Mehrheiten zu erzielen und sich so einen individuellen Vorteil zu verschaffen. Lediglich der thematische Background und die in diesem Falle etwas kitschiger geratene optische Aufmachung lassen zunächst einmal auf grundsätzliche Unterschiede schließen. Mit wachsender Spieldauer etabliert sich das damals zeitgleich veröffentlichte „Maestro Leonardo“ dann aber immer deutlicher zum eigenständigen Strategiewerk, bei dem die langfristige Planfähigkeit eine deutlich höhere Priorität genießt, nichtsdestotrotz aber auch vom Faktor Glück in gewisser Weise begünstigt wird. Es ist nämlich bisweilen eine kleine Lotterie zu entscheiden, in welche Baumaterialien man investiert bzw. welche Aufträge man ohne großes Vorwissen vorbereitet. Zwar ermöglicht eine Ratsaktion einen Vorausblick unter die obersten vier Karten des Nachziehstapels der Erfindungen, jedoch scheint selbst diese Aktion zu wertvoll, als dass man sie lediglich für einen solchen Einblick opfern sollte. Und selbst dann muss einem erst einmal das Glück hold sein und die entsprechenden Baumaterialien bescheren, schließlich werden auch andere Mitspieler daran interessiert sein.

In erster Linie bleibt „Maestro Leonardo“ aber eine gute Mischung aus Plan- und Taktikspiel mit hohem interaktiven Anteil, gerade in der zweiten Phase, dem Verteilen der Figuren. Hier sind Risikobereitschaft und vorausschauendes Denken ebenso verlangt wie eine gewisse Frustrationstoleranz in Situationen, in denen man wertlos Lehrlinge ohne Nutzen verbraucht. Letzteres wird nämlich gerade im Spiel zu viert oder zu fünft ständig an der Tagesordnung sein, so dass die allgemeinen Handlungsmöglichkeiten leicht eingeschränkt werden. Diverse Limitationen führen nicht selten zur Verzweiflung. Allerdings ist eine derartige Erhöhung des Schwierigkeitsgrads auch nur wünschenswert und als solche ein wesentlicher Anteil des flexiblen, sehr wandlungsfähigen Spielaufbaus.

Einzig und allein die mäßige Atmosphäre lässt zu wünschen übrig und erfüllt nicht die hochgesteckten Erwartungen, die man vorab auch berechtigterweise haben durfte. Dafür präsentiert sich „Maestro Leonardo“ jedoch außerhalb des leicht verfehlten Themenbereichs als kleines strategisches Meisterwerk, dessen Struktur sich bei wachsender Spielerzahl noch einmal völlig anders konstituiert, dessen wahre Tiefe allerdings auch erst im echten Mehrspielermodus durchschimmert. Dies wurde im direkten Vergleich zum Spiel zu zweit, welches eigentlich weniger zu empfehlen ist, mehr als deutlich. Wer jedoch schon einmal das Vergnügen hatte, den Spieltisch bis ans Limit zu füllen und eines der Messe-Highlights des letzten Jahrs in diesem Sinne völlig auszureizen, wird sicherlich unterstreichen können, dass der allgemeine Reiz von „Maestro Leonardo“ sehr hoch ist und das Spiel nachhaltig an den Tisch fesselt. Meines Erachtens wurde jedenfalls nicht übertrieben, als das Spiel mit den Strategie-Krachern der Mainstream-Verlage auf eine Stufe gestellt wurde. An Überzeugungskraft und Suchtpotenzial mangelt es dem viel gelobten Titel aus dem Hause |dV Games| sicherlich nicht!

http://www.abacusspiele.de

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