Terry Brooks- Die Elfen von Cintra (Die Großen Kriege 2)

Terry Brooks gehört zu jener Riege amerikanischer Autoren, welche die Fantasy der letzten Jahrzehnte geprägt haben. Seit rund 30 Jahren erweitert er seine |Shannara|-Reihe um neue Episoden, baut mal den einen, mal den anderen Handlungsstrang aus und hat mit der Dämonenreihe auch deutlich düsterere Romane geschrieben, die sich nicht so recht in den Gesamtzyklus einordnen ließen.

Dies ist nun passé, denn |Die Großen Kriege|, die neueste Trilogie aus der Feder des Schriftstellers, verknüpft nicht nur die Dämonen- mit der (klassischen) Fantasy-Welt, sondern nimmt sich in einer apokalyptischen Vorgeschichte auch der Ereignisse an, die vor der Entstehung Shannaras eingetreten sind. Schon oft hat Brooks in seinen Romanen die Hauptfiguren über die Vergangenheit nachdenken lassen. Er beließ es bei Gerüchten darüber, dass eine gewaltige Katastrophe das Wissen der Welt zerstört und um Jahrhunderte zurückgeworfen habe: in eben jenes archaische, mittelalterlich geprägte Fantasysetting mit Elfen, Zwergen und Co., wie sie der Leser aus den Shannara-Bänden kennen gelernt hat.

War Brooks‘ erster Roman „Das Schwert“ nicht mehr als ein regelrecht dreister Abguss von Tolkiens „Der Herr der Ringe“, so hat Brooks in den folgenden Bänden und Jahren zu einem eigenen Stil gefunden und sich qualitativ deutlich gesteigert. „Die Elfen von Cintra“, der zweite Band der neuen Trilogie |Die Großen Kriege|, ist kein Vergleich mehr zu seinen trivialen Anfängen. Bildhaft, spannend und brutal schildert der Autor die Erlebnisse unterschiedlicher Personen mit ganz eigenen Schicksalen, über denen ihre vertraute Welt zusammenbricht.

Inhalt

Der zweite Teil knüpft nahtlos an seinen Vorgänger an. Hier liegen keine Tage, noch nicht einmal Sekunden dazwischen. Der Cliffhanger, mit dem „Kinder der Apokalypse“ endete, war dermaßen hart (im positiven Sinne, denn das Warten auf Teil zwei war eine regelrechte Qual), dass Brooks alle Fäden wieder aufnimmt und weiterführt. Wer das erste Buch also noch nicht kennt, kommt um dessen Lektüre nicht herum.

Konzentrierte sich der erste Teil in vielen parallelen Handlungssträngen auf die Hauptfiguren und Ritter des Wortes in Gestalt von Tom Logan und Angel Perez, auf Hawk und Tessa und ihre Liebesgeschichte und auf den Überlebenskampf der Ghosts – einer Gruppe wandernder Kinder, die in den Ruinen der Welt Zuflucht gesucht haben -, so treffen in „Die Elfen von Cintra“ einige der Figuren erstmals aufeinander und müssen nun zusammenarbeiten, um die drohende Apokalypse und den völligen Zusammenbruch noch zu verhindern. Denn die Städte sind zerstört, eine Infrastruktur gibt es nicht mehr. Auf der Straße herrscht das Recht des Stärkeren, und wer sich da nicht einer starken Gruppe anschließt oder für sich selbst sorgen kann, der ist verloren. Technische Errungenschaft beginnen allmählich in Vergessenheit zu geraten, da niemand mehr weiß, wie sie zu benutzen sind. Das moderne Leben, geprägt vom Konsum und Luxus, ist dahin. Es folgt eine Rückbesinnung auf die wahren Werte, die Freundschaft und den Zusammenhalt, doch trotz allem ist der Ton untereinander rau. Banden, die durch die Straßen ziehen, gehen sich aus dem Weg oder geraten aneinander, Vertrauen schenkt man nur wenigen um sich herum, wenn man es überhaupt noch kann.

Dabei lauert ein viel größerer Feind, der Menschen wie auch Elfen – die sich noch im Verborgenen halten und die Apokalypse als Problem der menschliche Rasse sehen, die sie nicht betrifft – zur ernst zu nehmenden Bedrohung wird: die Dämonen. Nachts sollte niemand alleine das sichere Versteck verlassen, und wer es doch tut, der bringt sich in Lebensgefahr. Und die Gefahr wächst von Tag zu Tag. Plötzlich tauchen sogar am helllichten Tag die Wesen aus der Unterwelt auf. Ihre Zahl nimmt zu und ihre Aggressivität kennt keine Grenzen mehr.

Wie überflüssig mutet es da an, dass Hawk vom Stamm der Ghosts, der sich in Tessa, ein Mädchen eines anderen Stammes, verliebt hat, zusammen mit dieser von den Klippen gestürzt werden soll, nur weil ihre Liebe über die Grenzen ihrer Clans hinausgeht. Sie springen schließlich freiwillig in den Abgrund und blicken dem Tod schon gemeinsam ins Auge, als sie ein gleißendes Licht umhüllt und an einen anderen Ort bringt.

In einer Art Zwischenwelt erfährt Hawk von einem alten, geheimnisvollen Mann, dass er die Stämme vereinen und anführen soll – nicht nur die Ghosts, sondern die ganze Menschheit. Eine schwere Bürde, für die sich der junge Krieger noch nicht bereit sieht. Doch er muss sich seinem Schicksal stellen, will er die Menschen nicht ihrem Untergang überlassen. Immerhin ist Logan Tom endlich zu den Ghosts gestoßen, um ihnen im Kampf gegen die Dämonen beizustehen. Nur gemeinsam werden sie ihr Überleben und das der menschlichen Rasse sichern.

In einem zweiten Handlungsstrang folgt der Leser Angel Perez, die sich zu den Elfen aufgemacht hat. Sie muss die Elfensteine finden, welche die Macht besitzen sollen, die Apokalypse noch zu verhindern. Doch die Obersten wissen nichts von ihnen bzw. halten sich bedeckt. Nur in Kirisin und Erisha findet die Ritterin des Wortes Verbündete, die sich mit ihr auf die Suche machen wollen. Denn auch die beiden Elfen spüren, dass gewaltige Veränderungen bevorstehen, vor denen sich die Elfen nicht verstecken dürfen. Und das heißt, sich von der geborgenen, sicheren Heimat loszureißen und einen neuen Weg einzuschlagen, bevor es zu spät ist.

Bewertung

Lang hat die Fangemeinschaft auf die Vorgeschichte der Shannara-Reihe gewartet. Nun bekommt sie diese mit |Die Großen Kriege| geboten – und wird nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Terry Brooks begeht nicht den Fehler, die in den früheren Bänden bereits eingebauten Hinweise auf die Apokalypse aufzugreifen und lediglich ein paar ausführliche Antworten zu geben. Stattdessen ersinnt er eine in sich stimmige Trilogie, die zwar konform geht und tatsächlich alle Geheimnisse lüftet, aber eben auch ohne die Fantasywelt funktioniert. Natürlich muss er einige Abstriche machen und kann nicht immer allein aus der Motivation der Charaktere oder der Handlung heraus schlüssig erklären, warum die Geschichte gerade in diese Bahnen verläuft. Die Suche nach den Elfensteinen etwa ist durch die Shannara-Bände bereits stark vorgegeben und kann sich leider nicht ganz entfalten. Sieht man davon allerdings ab, zeichnet der Autor in |Die Großen Kriege| eine düstere Welt in Endzeitstimmung, garniert mit ein wenig Fantasy, die einen eigenständigen Sog entwickelt.

Das liegt einerseits an den starken Charakteren, die mit all ihren Ecken und Kanten weniger glatt daherkommen als Brooks‘ Fantasy-Helden und schon eher an die Figuren der Dämonen-Reihe erinnern. Andererseits überzeugt auch die stilistische Umsetzung, angefangen beim Aufbau der Handlungsstränge, den Konflikten, dem Wechsel zwischen den Ebenen und den vielen unerwarteten Wendungen, die der Geschichte den nötigen Schliff verpassen. Die Welt wird nicht von oben dargestellt, sondern fügt sich mit Voranschreiten der Handlung immer mehr zu einem Gesamtbild. Der Leser ist nah dran, sieht aus den Augen von Logan Tom, Angel oder Hawk und fühlt mit ihnen, bangt und klammert sich an die Hoffnung, welche die Figuren antreibt, auch wenn die Umstände noch so düster erscheinen. Die Dämonen bleiben dabei lange Zeit vage Gegner, werden als bedrohliche Schatten dargestellt, anstatt sie gleich in allen Einzelheiten zu beschreiben und ihnen damit ihre Bedrohlichkeit zu nehmen.

Fazit

|Die Großen Kriege| sind jedem Shannara-Fan ans Herz zu legen. Da es sich bei den drei Bänden nicht um einzelne, für sich stehende, sondern um lediglich getrennte Abschnitte einer großen Geschichte handelt, ist Teil zwei, „Die Elfen von Cintra“, die nahtlose Fortführung einer spannend begonnenen Trilogie, die viele offene Fragen klärt, aber auch ohne Kenntnisse der Shannara-Reihe einen Sog entfalten, dem man sich kaum entziehen kann. Düster, atmosphärisch, dicht: Terry Brooks‘ |Die Großen Kriege| vereint alles, was ein Dark-Fantasy-Roman bieten muss. Und noch ein bisschen mehr.

492 Seiten, kartoniert
Originaltitel: Genesis of Shannara: The Elves of Cintra
Aus dem Englischen von Michael Nagula
ISBN-13: 978-3-442-26560-2
www.blanvalet-verlag.de