Dan Brown – Sakrileg – Director’s Cut (Inszenierte Lesung)

Mystery-Bestseller in Special Extended Version

Der Museumsdirektor des Louvre wird in der weltberühmten Galerie kaltblütig erschossen. Er stellt sich als Oberhaupt eines uralten Geheimbundes heraus, denn mit seinem letzten Atem hat er eine Geheimbotschaft geschrieben: den Da-Vinci-Code. Zur selben Zeit setzt eine Gesellschaft des Vatikans alles daran, die größte Macht in der Christenheit zu erlangen. Ein Wettlauf gegen die Zeit und eine rasante Schnitzeljagd durch die Symbolkunde des Abendlandes beginnt.

Die Verfilmung mit Tom Hanks und Jean Reno soll im Mai in unsere Kinos kommen. Dieses Ereignis würdigt |Lübbe| neben diesem erweiterten Hörbuch auch mit zwei Begleitbüchern.

Das vorliegende Hörbuch bietet eine um 50 Prozent erweiterte Textfassung: statt mickriger 305 sind es nun stattliche 449 Minuten. Das ist wohl eher eines Bestsellers würdig.

Der Autor

Dan Brown war genau wie Stephen King zuerst Englischlehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. „Als Sohn eines mehrfach ausgezeichneten Mathematikprofessors und einer bekannten Kirchenmusikerin wuchs er in einem Umfeld auf, in dem Wissenschaft und Religion keine Gegensätze darstellen“, meint die Verlagsinformation. „Diese Kombination ist es auch, die den weltweiten Erfolg des Autors begründet. Inzwischen hat Brown allein von diesem Buch rund 30 Millionen Exemplare verkauft. Brown ist verheiratet und lebt mit seiner Frau, einer Kunsthistorikerin, in Neuengland.“ Na, das klingt doch direkt nach einer Ko-|Autorin|!

Der Sprecher

Wolfgang Pampel ist die deutsche Synchronstimme von Harrison Ford. Das ist sehr passend, denn Robert Langdon erwähnt einen Zeitungsartikel, in dem er selbst als „Harrison Ford in Harris-Tweed“ bezeichnet wird. Ironisch wird’s, weil Langdon diese sensationsheischende Titulierung völlig ablehnt.

Regie führte Kerstin Kaiser, die Musik steuerte Andy Matern bei, die Inszenierung stammt von Horst-Günter Hank.

Der Komponist

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde „Der Cthulhu-Mythos“ zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

Handlung

Robert Langdon, ein Symbolkundler der Harvard University, weilt gerade in Paris, um dort an der Amerikanischen Universität einen Vortrag über sein Fachgebiet zu halten. Er freut sich, endlich den Museumsdirektor des Louvre kennen zu lernen, der die höchste Autorität in Sachen heidnische Verehrung der göttlichen Weiblichkeit sein soll. Da reißt ihn ein nächtlicher Anruf aus dem Schlaf.

Die Chef der Staatspolizei wünscht Langdons Anwesenheit im Louvre. Dort steht Langdon wenig später reichlich erschüttert: Die Leiche des Museumsdirektors Jacques Saunier liegt verrenkt und ermordet unweit der „Mona Lisa“. Er wurde in den Bauch geschossen und hatte noch 15 bis 20 Minuten Zeit, eine Geheimbotschaft mit Schwarzlichtschreiber auf den Boden zu kritzeln, die nur bei UV-Licht sichtbar wird – eine übliche Praxis in Museen.

War diese Botschaft schon rätselhaft, so ist die Leiche auch noch so angeordnet, dass sie aussieht wie da Vincis berühmteste Skizze: die der Proportionen des Menschen in einem Kreis. Gleich darauf taucht Sophie Neveu, die Kryptografin der Staatspolizei, am Tatort auf und warnt Langdon indirekt, dass der Hauptmann der Staatspolizei ihn, Langdon, als Hauptverdächtigen betrachte. Klar, dass unser Mann aus Boston reichlich von den Socken ist: Sophie scheint nicht viel von Gehorsam gegenüber ihrem Chef zu halten. Außerdem zeigt sie ihm noch, dass man ihn verwanzt hat. Und verrät ihm, dass der Ermordete ihr Großvater war.

Zusammen knobeln die beiden heraus, dass der Museumsdirektor der Großmeister einer Bruderschaft war, der Prieuré de Sion, die 1099 gegründet wurde. Sie kämpft gegen die Verdammung und Diffamierung der Maria Magdalena, Jesu Ehefrau (!), durch die römisch-katholische Kirche, die zu den Hexenjagden führte. Auch das Renaissance-Genie Leonardo da Vinci, der Maler Sandro Botticelli, der Romancier Victor Hugo und der Künstler Jean Cocteau waren Großmeister der Bruderschaft.

Doch der Erzfeind der Bruderschaft, ein Bischof des mächtigen katholischen Ordens Opus Dei, schläft auch nicht. Er holt in derselben Nacht zum entscheidenden Schlag aus. Und deshalb mussten der Museumsdirektor und drei seiner Hauptleute in der Bruderschaft sterben. Aber vielleicht gibt es auf beiden Seiten noch weitere Hintermänner. Saunier hat jedenfalls seiner Enkelin und Alleinerbin eine Reihe von verschlüsselten Hinweisen hinterlassen – schließlich hatte er ihre Ausbildung zur Codeknackerin in die Wege geleitet.

Wer nun wem welches Geheimnis wo, wann und wie abjagt, darum drehen sich die restlichen 450 Seiten. Wer aus dieser Schnitzeljagd lebend hervorgeht und wie die Lösung des Rätsel lautet, erfährt man (natürlich) erst ganz am Schluss. Wie es sich gehört.

Mein Eindruck

Die Charakterisierung der drei oder vier Hauptfiguren ist recht schlicht gestrickt. Langdon ist unser ganz normal naiver Harvardprofessor mit einer Phobie vor engen Räumen – Fahrstühlen beispielsweise. Sophie lernen wir am besten kennen, denn ihre Familiengeschichte und ihre Ausbildung stellen sie an eine ganz besondere Position innerhalb des Themas, das ich bislang noch nicht verraten habe und auch nicht werde.

Schließlich sind da noch die Schurken: Der körperlich außergewöhnliche Mörder des Museumsdirektors, ein Albino, ist ein williges Werkzeug zweier Meister. Der eine davon ist der Opus-Dei-Bischof, doch der andere ist lediglich als „der Lehrer“ bekannt. Um die Spannung aufrechtzuerhalten, bleibt dessen wahre Identität lange Zeit im Dunkeln, nur um dann umso stärker zu schockieren. Das ist sauber ausgetüftelt.

Good old Europe

Ohne nun das zentrale Thema zu verraten, kann man doch sagen, dass einem amerikanischen Leser der alte Kontinent Europa wie das reinste Kuriositätenkabinett dargeboten wird. Dies erfolgt in Form einer Schnitzeljagd: ein gelöstes Rätsel führt zum nächsten und so weiter, immer tiefer in die Vergangenheit: von der Kreuzigung über die Kreuzzüge und Tempelritter bis hin zu modernen Geheimbünden.

Der Autor macht den Leser selbst zum Codeknacker, Symbolkundler, Rätsellöser – kurzum: zum Geheimdienstler à la NSA oder CIA. Wir sind dann alle kleine oder große Spy-Kids, genauso wie es die Großmeister der Bruderschaft stets waren. Leonardo da Vinci, auch ein Spy-Kid, verschlüsselte seine Botschaften, wie es schon die alten Juden zu Jesu Zeiten taten. Und der Museumsdirektor des Louvre, in da Vincis Nachfolge, baute die Code-geschützten Nachrichtenbehälter da Vincis nach.

Donald Rumsfelds spitzes Wort gegen „das alte Europa“, auf das die europäische Intelligenzija so hochmütig selbstbewusst reagierte – hier, in Dan Browns Roman, nimmt es für jeden Amerikaner Gestalt an. Und wen wundert’s da noch, dass es am Schluss der Ami Langdon ist, dem doch noch die Lösung des Rätsels in den Schoß fällt. Wenigstens erweist er der Offenbarung seine Reverenz. Na, das ist doch schon mal was.

Der Sprecher, die Inszenierung

Wolfgang Pampel hat an der Theaterhochschule Leipzig studiert und erwarb sich unter anderem an den Bühnen von Leipzig, Düsseldorf, Berlin und Wien einen guten Namen. Und als deutsche Stimme von Harrison „Indiana Jones“ Ford möchte man ihn keinesfalls missen.

Der unverfälschte „Indiana“ ist natürlich die Stimmlage von Robert Langdon (und des Erzählers). Die Tonlage von Capitain Bezu Fache ist ein gutes Stück tiefer, bedrohlicher. Und die von Sophie Neveu ein wenig höher als die Langdons. Sir Leigh Teabing besitzt einen Akzent, der wohl englisch sein soll, aber eher amerikanisch daherrollt. Infolge dieser Unterschiede ist es daher ohne große Mühe möglich, die Figuren auseinander zu halten.

Mit einem gewissen Verdruss bemerkt der sprachlich gebildete Hörer, dass Pampel etliche fremdsprachliche Namen und Ausdrücke falsch ausspricht. Am auffälligsten und nervigsten erfolgt dies bei „Sophie Neveu“. Auf der ersten Disc spricht Pampel den Nachnamen als „nö’woh“ aus, dann müsste er aber „neveau“ geschrieben werden. Ab der 2. Disc erfolgt die Aussprache korrekt: „nö’wöh“. Aber im weiteren Verlauf wechselt die Aussprache immer wieder. Wenn es ums Englische geht, zuckt der fortgeschrittene Englischkenner immer wieder zusammen, wenn Pampel die Aussprache quält.

Die Kürzungen des Textes sind minimal, wie schnell zu erkennen ist, wenn man das Buch kennt. Der Text ist auf Dialoge und Szenen hin dramatisiert, so dass langatmige Erklärungen auf ein Minimum reduziert sind. Die anschauliche Action steht daher im Vordergrund. Der Handlung kann man leicht folgen. Leider versagt dieses Verfahren selbstverständlich bei grafischen Darstellungen und bei den Rätselversen. (Dafür gibt es die „Illustrierte Ausgabe“ von „Sakrileg“.) An diesen Stellen muss der Zuhörer die Ohren spitzen.

Die unterlegte Musik finde ich recht passend, vor allem weil sie sparsam eingesetzt wird. Mal kommt sie dynamisch daher wie in einem Actionthriller, dann wieder getragen und feierlich wie bei einer Messe. Es geht eben sehr viel um religiöse Inhalte (was hier nicht weiter ausgeführt werden darf, ohne den Clou zu verraten!).

Unterm Strich

Als hätte ihm seine werte Gattin, die Kunsthistorikerin, die geistige Feder geführt, liefert Dan Brown einen (weiteren) routinierten Mystery-Thriller ab, doch dieser spielt mit so vielen geschickt verpackten Hinweisen aus der Kunstgeschichte, dass sich der Leser nicht wie in einem Seminar vorkommt, sondern wie bei einer sehr anschaulichen Führung durch die Museen und Bibliotheken Europas. Dass dabei noch Mörder, Geheimbünde und natürlich auch die Polizei hinter den Helden herjagen, tut der Spannung gut, die bis fast zum Schluss aufrechterhalten bleibt.

Dass der Sprecher mit seiner tiefen Stimme wie Harrison Ford alias Indiana Jones klingt, kommt der Spannung und Faszination der Geschichte zugute. Dass er dabei die fremdsprachigen Wörter mitunter falsch ausspricht – zudem uneinheitlich -, dämpft jedoch das Vergnügen an seinem Vortrag.

Lohnt es sich, die „Director’s Cut“-Version zu kaufen?

In den Bestsellerlisten für Hörbücher liegt der Director’s Cut ganz vorne. Es scheint also doch ein gewisses Interesse daran zu bestehen. Andersherum gesagt: Die Hörbuchfreunde bekommen jetzt erst die einigermaßen gültige Fassung zu hören, selbst wenn es sich noch nicht um die ungekürzte Lesung handelt. Dass die irgendwann auch noch kommt, ist unausweichlich. Ich kann nur hoffen, dass der arme Wolfgang Pampel nicht dafür noch extra Aufnahmen machen muss. Allmählich hat er wohl genug Sakrilege begangen.

Originaltitel: The da Vinci Code, 2003
CD: 449 (vorher 305) Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 9783785730799

www.luebbe.de/luebbe-audio

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