Brubaker, Ed (Autor) / Phillips, Sean (Zeichner) – Criminal 1: Feigling

_Story_

Leo hat eigentlich mit seinem Leben als Gangster abgeschlossen. Sein letzter Raubüberfall liegt schon einige Zeit zurück, und auch wenn die finanzielle Krise täglich größer wird, ist er genügsam und zufrieden damit, den heroinsüchtigen Ex-Kumpanen seines verstorbenen Vaters zu pflegen. Dann jedoch macht sein ehemaliger Auftraggeber Seymour Leo ein nahezu unwiderstehliches Angebot. Gemeinsam mit einigen korrupten Cops soll er einen Polizeitransport überfallen, der neben Beweismitteln für die örtlichen Gerichtsverhandlungen auch einen Diamantenkoffer mit sich führt.

Nach anfänglichen Zweifeln lenkt Leo schließlich ein und beteiligt sich am großen Coup, stellt jedoch schnell fest, dass er mit den Drahtziehern nicht auf einer Wellenlänge liegt. Noch vor dem eigentlichen Überfall kommt es zu ersten Rangeleien, die Leo bereits nachdenklich stimmen. Und seine Panik ist nicht unbegründet, denn das Attentat entpuppt sich für ihn und seine langjährige Begleiterin Greta als Fiasko. Allerdings hat Leo in solchen Fällen immer einen Plan B – der ihm dieses Mal aber auch nicht langfristig aus der Patsche hilft. Seymour und seine neuen Gefährten sind ihm nämlich weiterhin auf der Spur …

_Persönlicher Eindruck_

Mit „Feigling“ eröffnet Starautor Ed Brubaker wieder eine neue, äußerst schmutzige Serie, deren teils wirklich krimineller Charakter ganz klar an die ersten Werke eines Frank Miller erinnert. Brubaker begibt sich sehr tief in den schmierigen Untergrund, beschäftigt sich weitestgehend mit anrüchigen Subjekten und fährt in seiner Story einige personifizierte Anti-Helden auf, die jedoch innerhalb des außergewöhnlichen Settings schnell zu Sympathieträgern werden. Ein unkonventionelles Comic-Erlebnis? Auf jeden Fall!

Im Mittelpunkt der Handlung steht der eigenartige Leo, ein recht undurchschaubarer Bursche, der einerseits immer alles unter Kontrolle hat, sich aber gerne zu gewissen illegalen Aktivitäten verleiten lässt, wenn der finanzielle Anreiz hoch genug ist. Dieses Mal werden ihm als Erlös gleich fünf Millionen Dollar angeboten, die bei einem Deal mit einem korrupten Bullen und seinen Hintermännern in Form von Diamanten herausspringen sollen. Leos persönliche Schmerzgrenze ist damit überschritten, und obschon er sich mit besagtem Cop von Anfang an in der Wolle hat, willigt er ein, die Planung des Überfalls vorzunehmen und den Coup zu leiten. Nicht ahnend, dass im Hintergrund bereits weitere Kriminelle seinen Tod planen, stürzt sich Leo unbedacht ins Abenteuer und redet seine Zweifel mit der Aussicht auf die fette Beute schön. Im Moment der ersehnten Action läuft dann aber alles schief. Einige Komplizen werden von den eigenen Männern erschossen, von Diamanten ist weit und breit keine Spur, und bevor Leo klar wird, dass er hintergangen wurde, stürzt er sich schon in sein Fluchtauto und zieht sich gemeinsam mit Greta auf ein verstecktes Landanwesen zurück. Doch die wahre Tragödie beginnt erst jetzt …

Die Story wird von Brubaker mit hohem Tempo und auch sehr linear erzählt. Zwar lässt der Autor Raum für einige knappe Nebenstränge, doch insgesamt konzentriert sich die Handlung beinahe ausschließlich auf Leos Aktivitäten im kriminellen Sumpf bzw. seine emotionale Zerrissenheit, die auf seiner jüngeren Vergangenheit fußt. Der Protagonist lernte einst das Gangster-Handwerk von seinem Verstorbenen Vater und dessen Nebenbuhler Ivan, dem sich Leo in gewisser Weise verpflichtet fühlt, sodass er seit einiger Zeit für dessen Pflege sorgt – obwohl Ivan den Hausmädchen ständig an die Wäsche geht und sie sexuell belästigt. In ihm manifestiert sich schließlich auch der bizarre Beigeschmack der Erzählung, denn auch wenn die Geschichte knallhart und erbarmungslos brutal ist, so fügt der Autor ihr an den entsprechenden Stellen immer eine ironische Note hinzu. „Feigling“ bleibt zwar weiterhin eine ungeschminkte Kriminal-Story mit Auszügen aus dem Thriller-Segment, lässt sich aber überwiegend von eigenwilligen, skurrilen Gestalten vorwärts treiben, die den Plot erst so außergewöhnlich machen.

Letzterer nimmt in den letzten Kapiteln dann noch einmal ein paar krasse Wendungen vor, die das bis dahin enorm stringente Grundgerüst noch einmal gehörig aus den Fugen bringen. Hier wird’s dann plötzlich auch emotional, wobei diese Seite bedingt durch die brutale Gangster-Inhalte in den ersten Episoden dieses Sammelbands auch nicht ganz so stark ausgeprägt ist. Im Grunde genommen scheint sie sogar unnötig, weil sie den Fokus kurzzeitig vom Hauptgeschehen wegnimmt, ohne dass es an entsprechender Stelle angebracht wäre. Wirklich störend ist dies zwar nicht, aber wenn man bedenkt, wie krass manche Darstellungen im ersten Teil von „Criminal“ sind, zehrt das Ganze schon ein wenig an der Homogenität der Handlung.

Nichtsdestotrotz legt Brubaker mit dem Start seiner neuen Krimi/Thriller-Serie einen Auftakt nach Maß hin. Story, Zeichnungen, Spannungsbögen und Charaktere sind absolut prächtig und unterstreichen in ihrer großartigen Anordnung, warum dieser Mann völlig zu Recht zu den revolutionären Köpfen des US-Comics gehört!

http://www.paninicomics.de/criminal-s10538.html

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