John Brunner – Doppelgänger

Flotter Ökokrimi: John Wyndham trifft „Das Ding“

Eine Londoner Popband sucht an der Küste von Nord-Kent einen Strand für ein groovy Open-Air-Konzert. Als sie ihn entdecken, übersehen sie das kleine Chemiedepot, wissen aber von einer nahen Fischereiforschungsstation. Als sie nachts schwimmen gehen, entsteigt dem Wasser eine entsetzliche Gestalt. Tatsächlich wird ein abgestürzter Pilot vermisst. Aber er müsste längst tot sein. Warum scheint er dann noch zu leben? Sie ergreifen panisch die Flucht. Doch das ist erst der Anfang seltsamer Erscheinungen an der südenglischen Küste …

Der Autor

John Kilian Houston Brunner wurde 1934 in Südengland geboren und am exklusiven Cheltenham College erzogen. Dort interessierte er sich schon früh „brennend“ für Sciencefiction, wie er in seiner Selbstdarstellung „The Development of a Science Fiction Writer“ schreibt. Schon am College, mit 17, verfasste er seinen ersten SF-Roman, eine Abenteuergeschichte, „die heute glücklicherweise vergessen ist“, wie er sagte.

Nach der Ableistung seines Militärdienstes bei der Royal Air Force, der ihn zu einer pazifistisch-antimilitaristischen Grundhaltung bewog, nahm er verschiedene Arbeiten an, um sich „über Wasser zu halten“, wie man so sagt. Darunter war auch eine Stelle in einem Verlag. Schon bald schien sich seine Absicht, Schriftsteller zu werden, zu verwirklichen. Er veröffentlichte Kurzgeschichten in bekannten SF-Magazinen der USA und verkaufte 1958 dort seinen ersten Roman, war aber von der geringen Bezahlung auf diesem Gebiet enttäuscht. Bald erkannte er, dass sich nur Geschichten sicher und lukrativ verkaufen ließen, die vor Abenteuern, Klischees und Heldenbildern nur so strotzten.

Diese nach dem Verlag „Ace Doubles“ genannten Billigromane, in erster Linie „Space Operas“ im Stil der vierziger Jahre, sah Brunner nicht gerne erwähnt. Dennoch stand er zu dieser Art und Weise, sein Geld verdient zu haben, verhalf ihm doch die schriftstellerische Massenproduktion zu einer handwerklichen Fertigkeit auf vielen Gebieten des Schreibens, die er nicht mehr missen wollte.

Brunner veröffentlichte „The Whole Man“ 1958/59 im SF-Magazin „Science Fantasy“. Es war der erste Roman, der Brunners Image als kompetenter Verfasser von Space Operas und Agentenromanen ablöste – der Outer Space wird hier durch Inner Space ersetzt, die konventionelle Erzählweise durch auch typographisch deutlich innovativeres Erzählen von einem subjektiven Standpunkt aus. Ganz im Sinne der New Wave.

Fortan machte Brunner durch menschliche und sozialpolitische Anliegen von sich reden, was 1968 in dem ehrgeizigen Weltpanorama „Morgenwelt“ gipfelte, der die komplexe Welt des Jahres 2010 literarisch mit Hilfe der Darstellungstechnik des Mediums Film porträtierte. Er bediente sich der Technik von John Dos Passos in dessen Amerika-Trilogie. Das hat ihm von SF-Herausgeber und -Autor James Gunn den Vorwurf den Beinahe-Plagiats eingetragen.

Es dauerte zwei Jahre, bis 1969 ein weiterer großer sozialkritischer SF-Roman erscheinen konnte: „The Jagged Orbit“ (deutsch 1982 unter dem Titel „Das Gottschalk-Komplott“ bei |Moewig| und 1993 in einer überarbeiteten Übersetzung auch bei |Heyne| erschienen). Bildeten in „Stand On Zanzibar“ die Folgen der Überbevölkerung wie etwa Eugenik-Gesetze und weitverbreitete Aggression das handlungsbestimmende Problem, so ist die thematische Basis von „The Jagged Orbit“ die Übermacht der Medien und Großkonzerne sowie psychologische Konflikte, die sich in Rassenhass und vor allem in Paranoia äußern. Die Lektüre dieses Romans wäre heute dringender als je zuvor anzuempfehlen.

Diesen Erfolg bei der Kritik konnte er 1972 mit dem schockierenden Buch „Schafe blicken auf“ wiederholen. Allerdings fanden es die US-Leser nicht so witzig, dass Brunner darin die Vereinigten Staaten abbrennen ließ, und boykottierten ihn quasi – was sich verheerend auf seine Finanzlage auswirkte. Gezwungenermaßen kehrte Brunner wieder zu gehobener Massenware zurück.

Nach dem Tod seiner Frau Marjorie 1986 kam Brunner nicht wieder so recht auf die Beine, da ihm in ihr eine große Stütze fehlte. Er heiratete zwar noch eine junge Chinesin und veröffentlichte den satirischen Roman Muddle Earth (der von Heyne als „Chaos Erde“ veröffentlicht wurde), doch zur Fertigstellung seines letzten großen Romanprojekts ist es nicht mehr gekommen. Er starb 1995 auf einem Science-Fiction-Kongress, vielleicht an dem besten für ihn vorstellbaren Ort.

Mehr von John Brunner auf |Buchwurm.info|:

[„Morgenwelt“ 1274
[„Chaos Erde“ 2555
[„Der ganze Mensch“ 3444
[„Das Geheimnis der Draconier“ 5920

Handlung

In ihrem psychedelisch bunt bemalten Lieferwagen sucht die Londoner Pop-Band „Bruno and the Hermetic Tradition“ einen kleinen Sandstrand, den einer von ihnen von der Fähre aus gesehen hat, und zwar genau hier irgendwo, an der Küste von Nord-Kent. Dort wollen sie eventuell ein Open-Air-Konzert veranstalten, aber wie sollen die Besucher dorthin kommen?

Als sie den Wissenschaftler Tom Reedman danach fragen, zeigt er ihnen den Weg. Er erforscht Methoden, um Fische zu Farmern umzuerziehen und Delphine zu Hirten. Das finden die drei Mädels in den Miniröcken interessant. Weniger schön ist es, von der nahen Chemiefabrik zu erfahren, die ihre Abwässer nicht ausreichend klärt. Sie fahren weiter und finden die Bucht. Als sie eine alte Frau um Erlaubnis gefragt haben, dorthin zu gehen, und diese für eine Flasche Bier einverstanden ist, machen sie es sich am Lagerfeuer gemütlich. Zwei der Frauen gehen schwimmen. Da entdeckt eine von ihnen, wie eine Gestalt, die sie für ein Tier hält, aus dem Wasser kriecht.

Der Fremde aus der See

Sie ruft die Männer herbei: Es ist ein Mensch, in einer Art Ledermontur. Bruno und Gideon, der Westinder, stützen den schwankenden Kerl und halten ihn für einen Schwerverletzten. Doch als Bruno dessen halb weggefressenes Gesicht entdeckt, lässt er ihn los und tritt entsetzt zurück. Auch die anderen weichen zurück, werden panisch und eilen davon. Nur der arme Gideon bleibt mit dem Kerl allein, was er echt unfair findet. Der Schwerverletzte bricht zusammen, wankt dann weiter. Nachdem Gideon die anderen zurückgeholt hat, ist der Fremde verschwunden.

Eine Lady verschwindet

Bruno fühlt sich verpflichtet, der Polizei zu sagen, was er erlebt hat. Die Polizisten meinen, es könnte sich um den seit Tagen gesuchten Piloten einer abgestürzten Sportmaschine gehandelt haben. Leider hängt dort auch ein abgewrackter Provinzreporter herum, der alles mitbekommt und mitverfolgt, wie die Suche erfolglos verläuft. Am nächsten Tag steht in Revolverblättern etwas von Halluzinationen gewisser Popmusiker. Das ist gar nicht gut fürs Geschäft. Als die Cops einen Tag später auftauchen, um Bruno nach der alten Frau zu fragen, reagiert er entsprechend verärgert. Aber die alte Lady, Miss Beeding, scheint nach einem Kampf in ihrem verfallenen Häuschen verschwunden zu sein.

Seltsamer Fang

Auf dem Schiff des Piratensender „Jolly Roger“ (die Piratenflagge) angelt DJ Dunbar gerade in einer Pause, als ein dicker Fisch anbeißt. Er ruft Hilfe herbei, und Kollege Mitch filmt den heldenhaften Kampf Dunbars mit einem Monsterfisch. Es ist in der Tat ein Ungeheuer: ein Krake, aber mit Flossen. Als die Leine reißt, verschwindet das Wesen in der Tiefe. Nun braucht Dunbar für den Spott nicht mehr zu sorgen, er ist ihm sicher. Ein Fabelwesen, was sonst? Wenn da nicht die Filmaufnahme wäre …

Wiedergänger

Constable Sellers meint, Miss Beeding in seinem Dorf Brindown gesehen zu haben, aber da ist er der Einzige. Und außerdem: Die Nervenklinik im Nachbarort Geddesley meldet, sie hätten eine alte Frau eingeliefert bekommen, die ziemlich genau der vermissten Miss Beeding entspreche. Als Sellers jedoch in die Zelle schaut, in der sich Miss Beeding befinden sollte, ist er verunsichert: Diese alte Frau ist zwar in den gleichen alten schwarzen Mantel gekleidet, den er kennt, aber sie ist DICK, wohingegen das Original klapperdürr war. Er geht mit Direktor Nimms in die Zelle: Die Frau duldet nicht, dass man sie anfasst. Und sie redet sehr merkwürdig, so als lasse sie jedes zweite Wort aus. Tja, aber wer könnte sie sonst sein? Verwirrt geht Sellers zu seiner Freundin Doreen, doch alles, was das Mädchen versteht, ist: Miss Beeding gibt es doppelt. Kann ja nicht sein, oder?

Als er am Chemiedepot vorbeifährt, ruft ihn der Stellvertretende Leiter, Mr. Fleet herbei: Der Wachhabende habe eine verrückte alte Frau auf dem Gelände gesehen. Jetzt wird’s Sellers ein wenig zu bunt, aber man hat ihm beigebracht, stets höflich zu sein, wenn er Blödsinn hört, und zweitens niemals seine Vorgesetzten unnötig zu verwirren. Deshalb fragt er zunächst Tom Reedman von der Fischzuchtstation, ob man hier eine verrückte alte Frau gesehen habe. Das nicht, aber jemand hat die Bruttanks aufgebrochen.

Säure

Als Tom Reedman spätabends noch mit seinem Hund spazierengeht, hört er einen weinenden Mann – nicht unbedingt ein alltägliches Geräusch. Es ist Paddy Ryan, einer der Techniker, die tags zuvor einen neuen Tank in seiner Station fertiggestellt haben. Paddy weint vor Schmerzen, weil seine Hand fehlt: Sie sei mit Säure weggebrannt worden, behauptet er. Tom ruft sofort die Ambulanz und die Polizei.

Wenig später leitet ein grantiger Chief Inspector Neville, zu nachtschlafender Stunde zum Dienst gerufen, eine Suchaktion auf dem Gelände des Chemiedepots. Sellers nimmt an der Suche teil – im Schutzanzug. Mit Säure ist nämlich nicht zu spaßen. Sie spüren die alte Frau auf und verfolgen die erstaunlich flink laufende Kreatur, doch dann endet die Jagd auf grauenerregende Weise …

Mein Eindruck

John Wyndham trifft hier „Quatermass“ und „Das Ding“. Wyndham ist der bekannte Autor von „Das Dorf der Verdammten“ (Verfilmt 1959) und „Der Tag der Triffids“ (als „Blumen des Schreckens“ 1962 verfilmt). Seine Vorliebe für Weltuntergangsszenarien machten seine Romane zur beliebten bürgerlichen Horrorlektüre, enthielten aber unter der Oberfläche oft eine ökologische Botschaft, so etwa die globale Überflutung in „Der Krake erwacht“.

„Quatermass“ war eine wissenschaftlich initiierte Horror-SF-Serie im britischen Fernsehen der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre, quasi eine billige Variante von Jack Arnolds Monsterfilmen. Stets wurden die Schrecken der neu entdeckten Atomkraft ausgeschlachtet. Und schließlich stellt „Das Ding“, das (angeblich) William Wyler und später John Carpenter filmisch in Szene setzten (Vorlage von John W. Campbell jr.) den Archetyp des Gestaltwechslers dar, um den es in Brunners Roman geht.

Die Wissenschaftler

Die Entdeckungen reißen nicht ab. Nicht nur Polizisten machen Beobachtungen und kombinieren scharf wie ein Rasiermesser, nein, auch die gestandenen Wissenschaftler von der Meeresforschungs- und Fischzuchtanstalt wissen ihre Kenntnisse fachgerecht und erfolgreich anzuwenden. Denn als ihnen die Cops ein Exemplar jener Kreatur auf den Seziertisch legen, die das Chemiedepot und die Nervenklinik unsicher gemacht hat, offenbart sich, dass sie es mit einem gänzlich unbekannten Organismus zu tun haben. Schon bald haben sie Gelegenheit, die unerfreulichen Eigenschaften dieser Kreatur aus nächster Nähe zu beobachten …

Die Musiker

Die Popband, die am Anfang so erstaunliche Entdeckungen gemacht und sie den Bobbys gemeldet hat, taucht als Running Gag immer wieder auf. Allerdings sind die Beobachtungen von Bruno, Gideon, Glenn und Cressida weniger lustig: Die unbekannte Kreatur weist reichlich gefährliche Eigenschaften auf, und es ist besser, Abstand zu wahren. Die Musiker sind recht realistisch in ihrem eigenen kulturellen und geschäftlichen Milieu geschildert, so dass ich vermute, dass der Autor, der ja selbst einen Protestsong über H-Bomben geschrieben und wohl auch gesungen hat, selbst mal als Musiker auftrat.

Die Auftritte der Popband sind notwendig, um die Story auch für junge Leser interessant zu machen. Wie man an den „provozierenden Miniröcken“ von Nancy und Cressida ablesen kann, muss die Handlung spätestens im Jahr 1976 stattfinden, denn danach drehte der modische Wind doch gewaltig. Aber ein bisschen Sinnlichkeit darf schon sein, gell?

Die Cops

Dass der Autor auch mal beim Militär war, lässt sich an seinem Einblick in die Hierarchie der Polizei und der Bürokratie ablesen. Cops oder Soldaten, Feuerwehr oder Bürokraten – es geht stets um die richtigen Befehle, aber auch darum, jemanden als Sündenbock zu finden, dem man die Schuld in die Schuhe schieben kann, wenn etwas schiefläuft. Und für die Cops läuft in dieser Geschichte jede Menge schief. Allerdings habe ich für sie genauso wenig Mitleid, wie es Sellers‘ Freundin Doreen aufbringt. Wenn ihr Galan morgens um vier zum Dienst gerufen wird, dann hat das wenig mit Romantik zu tun, aber viel mit Pflichterfüllung. Und die ist meist frustrierend.

Das Monster

Das Ungeheuer ist, wie gesagt, ein Gestaltwechsler. Wie es dies bewerkstelligt, tut nichts zur Sache, wird aber recht detailliert beschrieben. Wichtiger sind die Gründe seiner Entstehung und die Folgen seines Auftretens. Wie schon erwähnt, sind das Chemiedepot und die Infrastruktur der Menschen generell nicht besonders tüchtig darin, Abwässer zu klären, von den atomaren Abfällen der Atomtests und der Müllfässer am Meeresboden ganz zu schweigen. Es kommt also auch in der Meerestiefe zu kuriosen Mutationen, die durch Zufall an die Oberfläche gelangen können. Und hier treiben sie ihr Unwesen, beispielsweise wenn sie die Gestalt eines abgestürzten Piloten annehmen.

Das wäre nicht weiter schlimm, aber nun kommt der Faktor X hinzu: Die Gestaltwechsler nehmen neben der menschlichen Form auch Intelligenz und Bewusstsein auf. Sie können das ungeübte Auge durch Mimikry täuschen, in der Menge untertauchen und weitere Opfer finden. Das wiederum erinnert an nichts so sehr wie an die Androiden bzw. Replikanten in [„Blade Runner“. 1663 Wenn Sellers erstmals einen Blick auf die Pseudo-Miss Beeding wirft, ist dies ein klassischer Philip-K-Dick-Moment: Ist dies ein Mensch oder …?

Showdown

Ein spannender Zweikampf entbrennt, der unweigerlich zum Showdown führen muss: zwischen der Schläue, Anpassungsfähigkeit und zunehmenden Kraft des Gestaltwechsels auf der einen Seite und der Erkenntnisfähigkeit, Tatkraft und Entschlossenheit der Menschen andererseits. Doch welche Eigenschaften sind es wirklich, die den Menschen wirklich die Oberhand behalten lassen? Es sind nicht die besseren Waffen, die größere Zahl oder was auch immer. Nein, letzten Endes ist es seine Teamfähigkeit. Nur weil Behörden, Wissenschaftler und Bürger (Popband) mehr oder weniger solidarisch zusammenarbeiten, gelingt der Sieg. Von solcher Solidarität kann man heute in England und anderswo jedoch nur noch träumen. Warum? Darüber lässt sich trefflich spekulieren.

Eines aber darf man nicht aus dem Blick verlieren: Die Menschen sind nur deshalb in Bedrängnis durch ein potenziell überlegendes Wesen geraten, weil sie durch Dummheit, Profitgier, Bequemlichkeit und Skrupellosigkeit erst das Monster geschaffen haben. Als genetisches Produkt der Umweltverschmutzung symbolisiert es die Rache von Mutter Natur. Die Frage stellt sich, ob es der Mensch verdient hat zu überleben. Die Antwort lautet diesmal noch: ja. Aber nur wegen der Solidarität und Liebe zwischen den Menschen. Alice Sheldon alias James Tiptree jr. war da ganz anderer Meinung. Viele Male ließ sie die menschliche Pest von der Erde säubern.

Die Übersetzung

Ich zählte mindestens zehn Druckfehler. Das ist für ein altes |Heyne|-Taschenbuch jener Zeit ein recht guter Wert. Die Übersetzung ist stilistisch recht gut gelungen, fand ich, weist aber auch ein paar Schnitzer auf.

Was hat man sich denn konkret unter einer „Aktualisierung der Bedrohung“ (Seite 186) vorzustellen? Eine Bedrohung mit Update? Eine Bedrohung Version 2.0? Gemeint ist das englische Wort „actual“, das nicht „aktuell“ bedeutet, sondern „tatsächlich“. Die Bedrohung, so die Bedeutung des Ausdrucks, nimmt also eine wahrnehmbare, tatsächlich vorhandene Gestalt an. Und das ist eine andere Qualität von Gefahr und ihrer Wahrnehmung.

Auf den Seiten 176 bis 178 ist mehrmals von Detektiven die Rede, die die Bewohner vernehmen. Gemeint sind aber nicht Privatdetektive wie im deutschen Sprachgebrauch, sondern „detectives“, also Kriminalbeamte. Und das ist doch etwas anderes.

Die Zeichnungen

Der Künstler John Stewart hat diesen Band ganz wunderbar illustriert. Seine Schwarzweißzeichnungen, die nur aus Strichen bestehen, sind von einem bestechenden Realismus und Detailreichtum, andererseits aber wirken sie genau dadurch ein wenig unheimlich – optimal für fremdartige oder verfremdete Gestalten wie etwa Aliens. Stewart hat dementsprechend auch eine große Zahl von C. J. Cherryhs frühen Romanen illustriert.

Leider wurden der Abdruck und die Bezahlung von Zeichnungen in einem Taschenbuch ein zu großer Kostenfaktor für |Heyne|. Die Zeichnungen verschwanden im Laufe der neunziger Jahre, wenn ich mich recht entsinne. Sehr schade.

Unterm Strich

Der Roman liest sich anschaulich wie ein in Prosa gefasstes Drehbuch. Häufige Szenenwechsel werden ebenso souverän gehandhabt wie durchgängige Motive (Popband, Gestaltwechsler) und Handlungsstränge. Wer John Wyndhams Verfilmungen mag, der wird sich an das Aufeinandertreffen eines unheimlichen Phänomens mit der biederen ländlichen Idylle Englands erinnern. John Brunner hat dieses Szenario für die späten siebziger Jahre aktualisiert und mit ökologischem Gedankengut angereichert.

Herausgekommen ist ein sehr unterhaltsamer, leicht zu lesender Öko-Krimi, der mich an [„Der Schwarm“ 731 von Frank Schätzing erinnerte. Bildkräftige Zutaten wie erotische Frauen und ein Monster aus der See dürfen in der ersten Szene nicht fehlen – schon hängt der Zuschauer, pardon: Leser am Haken. Einziger Ausrutscher ist in meinen voreingenommenen Augen die Figur des sensationsgeilen Provinzreporters in fortgeschrittenem Alter – nicht wegen seiner Jagd nach Informationen, sondern weil er in einem Anfall von frustriertem Altruismus sein Notizbuch wegschmeißt, sobald eine Nachrichtensperre verhängt worden ist. Das fand ich doch reichlich unrealistisch. Ein Reporter würde heute auf Deibel komm raus weiterrecherchieren, Nachrichtensperre hin oder her.

Das Ungeheuer steht angenehmerweise nie im Vordergrund und bleibt damit ein Rätsel. Vielmehr ist es stets die menschliche Gemeinschaft, die sich zusammenraufen muss, um es zu bekämpfen – ähnlich wie in Hitchcocks „Die Vögel“, aber längst nicht so psychologisch tiefgründig. Das Buch kann ich mir sehr gut als Drehbuch vorstellen, und einer von Hitchs Jüngern sollte es verfilmen.

Originaltitel: Double, Double; 1980
Aus dem Englischen von Hans Maeter
220 Seiten

www.heyne.de