Cathala, Bruno / Faidutti, Bruno – Chicago Poker

_Zurück zur Blütezeit des Gangster-Gewerbes_

Bereits während der letzten Messe in Essen zeigte der niederländische |Phalanx|-Verlag, dass er sehr große Hoffnungen in die neueste Poker-Modifikation von Bruno Cathala und seinem Namensvetter Faiduti setzt. Ein stimmiges Setting mit dem typischen Flair der 1920er säumte die Messehallen am Stand des seit kurzem von |Pro Ludo| hierzulande vertriebenen Verlags und lud Spieler verschiedener Altersgruppen gleichermaßen ein, das berüchtigte Spiel einmal auf ganz andere Weise kennenzulernen.

In „Chicago Poker“ wird man nämlich in eine Zeit zurückversetzt, in der die berühmtesten Gangster Hochkonjunktur hatten und die Bars und Clubs der amerikanischen Metropole unsicher machten. In stetem Konkurrenzkampf streiten sie um den Einfluss in legalen und illegalen Gewerbezweigen und setzen hierzu ihre leicht abgeänderten Poker-Karten ein. Die Regeln ändern sich dabei nicht; wer das beste Blatt hat, sichert sich die einzelnen Gewerbe und steigert seinen Einfluss in der Unterwelt um weitere Nuancen. Wem es schließlich gelingt, drei Gewerbe der gleichen Sorte, vier unterschiedliche oder generell fünf beliebige Gewerbe zu kontrollieren, ist nicht nur der Poker-König, sondern gewinnt als erfolgreichster Gangsterboss auch das prestigereiche Spiel in Chicagos anrüchigsten Kreisen.

_Spielmaterial_

• 20 sechseckige Gewerbeplättchen (je 5 x Bar, Jazz-Club, Brauerei/Distillerie, Spielhölle)
• 75 Gangsterkarten (jeweils die Werte 1-15 in fünf Farben)
• 6 Sonderkarten
• 6 Kurzanleitungskarten
• 4 Spielsteine ‚Shootout‘
• 1 Spielregel

Das Spielmaterial passt sich der tollen Atmosphäre des Spiels wunderbar an. Die Karten zeigen zwiespältige Figuren im typischen Twentieth-Style, sind darüber hinaus aber auch zweckdienlich weil anschaulich konzipiert. Auch die Gewerbeplättchen bieten eine gute Spielübersicht, lassen sich jedoch nicht genauer bestimmen. Zwar liegt eine farbliche Separierung vor, doch um welches Gewerbe es sich bei Farbe xy nun tatsächlich handelt, kann man nur vermuten – doch für den Spielfluss ist dies eher unerheblich. Ergo hat man in einem recht kompakten Maß nahezu das Maximum an Effizienz erzielt, weil die Materialien einerseits sehr leicht überschaubar sind, das Flair darüber hinaus aber auch erhalten bleibt. Gut gemacht!

_Spielvorbereitung_

Vor jeder Partie entscheiden sich die Spieler für eine der sechs zur Verfügung stehenden Gangsterfiguren und ziehen hierzu deren Profilkarte samt der angegliederten Spielübersicht. Dabei spielt die Verteilung im Grunde genommen keine entscheidende Rolle, sondern dient lediglich der Übersicht im weiteren Spiel. Jeder Gangster hat nämlich eine festgeschriebene Anlagefläche an den sechseckigen Gewerbeplättchen, die mit seinem Namen beschrieben ist und einem Kuddelmuddel im Spielverlauf vorbeugt.

Sobald die Gangsterbosse einen Spieler gefunden haben, werden Gangsterkarten und Gewerbeplättchen gemischt und verdeckt abgelegt. Jeder Spieler erhält nun fünf dieser Karten, wohingegen die Plättchen je nach Spielerzahl aufgedeckt werden. Dabei liegen nie mehr als vier, aber mindestens immer zwei Plättchen aus, um die man anschließend mit seiner Kartenhand pokert. Je nachdem, wie viele Gewerbeplättchen pro Runde offen ausliegen, werden in gleicher Anzahl auch ‚Shootout‘-Figuren bereitgestellt. Anschließend beginnt das Spiel mit dem zufällig bestimmten Startspieler.

_Spielaufbau_

Das Spiel besteht im Grunde genommen lediglich aus einer Aktionsphase mit drei festgesetzten, beliebig ausführbaren Spielzügen. So kann man entweder eine neue Gangsterkarte vom Nachziehstapel nehmen oder eben eine solche Karte aus der Hand an eines der Gewerbe anlegen. Hierbei ist lediglich zu beachten, dass pro Spieler nur fünf Karten je Gewerbe anliegen können und ein Maximum von sieben Karten auf der Hand erlaubt ist.

Wichtig ist indes, wie man die Karten anlegt; die Spieler müssen nämlich versuchen, die Zahlenwerte zwischen eins und fünfzehn so zu positionieren, dass im Sinne des klassischen Poker-Spiels gute Resultate herauskommen. Hierzu zählt zuallererst der so genannte ‚Chicago Poker‘, eine Art Fünfling, der gleichermaßen auch sehr schwer zu erreichen ist. Lediglich beinharte Sammler sollten in dessen Genuss kommen. Darunter gesellen sich alte Bekannte wie der Straight Flush, Full House, Pärchen und Drillinge oder aber die exquisite Regenbogenstraße, die vorsieht, dass eine klassische Straße aus allen fünf Farben zusammengesetzt wird.

Sobald an einem Gewerbe fünf Karten eines Spielers anliegen, meldet dieser per entsprechender Spielfigur einen ‚Shootout‘. Nun ist es jedem Spieler noch erlaubt, in der laufenden Runde Karten an dieses Gewerbe zu platzieren, um die Entscheidung über den Erhalt des Plättchens noch zu beeinflussen. Ist der Spieler, der den Shootout ausgerufen hat, dann wieder an der Reihe, findet die Wertung statt. Alle Spieler, auch diejenigen, die weniger als fünf Karten anlegen konnten oder wollten, messen jetzt ihre Resultate. Derjenige mit dem wertvollsten Ergebnis erhält schließlich das Plättchen. Anschließend wird ein neues Plättchen aufgedeckt und für dieses eine neue Pokerrunde eröffnet.

Um das Spiel nun noch ein wenig taktischer zu gestalten, haben die beiden Spieldesigner noch einige Bluff-Elemente hinzugefügt. So muss man abhängig vom jeweiligen Gewerbe die Karten teilweise verdeckt anordnen, was beim Gegner natürlich für Verwirrung und ggf. auch Leichtsinn sorgen kann. Doch genau diese Komponente ist es, die das Spiel so unberechenbar und seinen Verlauf äußerst abwechslungsreich gestaltet, es letzten Endes schließlich auch als äußerst lebhafte Poker-Variante etabliert. Hierzu tragen im Übrigen auch die Sonderkarten bei, mit deren verbrecherischen Zusatzaktionen man den Gegnern kurzerhand ein fieses Schnippchen schlagen kann.

_Spielende_

Das Spiel endet sofort, wenn ein Spieler die Siegbedingungen erfüllt hat. Sollte es jemandem gelingen, drei Gewerbe einer Sorte, von jeder Art eines oder insgesamt fünf in seinen Besitz gebracht zu haben, kann er „Chicago Poker“ für sich entscheiden und seinen Posten als mächtigster Gangsterboss in ganz Chicago manifestieren.

_Persönlicher Eindruck_

Man hörte auf der Messe zahlreiche Stimmen, die nicht sonderlich vom Spielprinzip von „Chicago Poker“ angetan waren, weshalb ein ortsnahes Eigenurteil aufgrund der zwiespältigen Meinungen zunächst ausblieb. Der spätere Test zeigt jedoch, dass gerade der Gesellschaftsspielbereich immer wieder auf sehr viele, enorm unterschiedliche Geschmäckern trifft und man derlei kritischen Vorurteilen erst dann Glauben schenken sollte, wenn man selber ähnliche Erfahrungen machen konnte.

Dies ist aber bei „Chicago Poker“ nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, das Spiel mausert sich zu einer ziemlich rasanten, überraschend strategischen Angelegenheit, bei der die Kombination aus wagemutigen Bluffs, eingeschliffener Poker-Erfahrung und natürlich auch ein wenig Glück sich von der ersten Partie an als angenehm unterhaltsame Mischung erweist. Dabei sind die Möglichkeiten, die eigenen Geschicke selber zu beeinflussen, gerade für eine Poker-Variante ziemlich vielseitig, was gerade mit Fortschritt des Spiels Strategen auf den Plan rufen sollte. Soll man etwa auf eine bessere Kartenhand sparen, die Gunst des Bluffs nutzen, knallhart auf Tempo und Risiko spielen oder doch besser immer auf die Vorgaben der Gegner reagieren und im entscheidenden Moment zuschlagen? Strategien zum Sieg gibt es einige, dementsprechend steigt die Spannung und gewährleistet zu guter Letzt lang anhaltenden Spielspaß mit vergleichsweise erstaunlicher Spieltiefe.

In diesem Sinne: Wer über „Chicago Poker“ bislang eher kritische Berichte vernommen und noch nicht die Gelegenheit einer Testrunde hatte, sollte sich keinesfalls von den bedächtigeren Meinungen manch skeptischen Spieltesters abschrecken lassen. Die |Phalanx|-Messeneuheit ist nämlich ein rasantes, witziges und dazu potenzstarkes Spiel, das sowohl im Zweispielerduell als auch bei maximaler Auslastung mit sechs Spielern reichlich Freude garantiert. Da hier auch Design und Aufmachung Applaus verdienen, geht an dieser Stelle sogar eine klare Empfehlung für „Chicago Poker“ heraus. Es muss eben nicht immer nur Texas Hold’em sein …

http://www.phalanxgames.nl/

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