Chance, Karen – Hinreißend untot

Im ersten Band von Karen Chances Reihe um die junge Seherin Cassandra Palmer ist diese mit Mühe und Not ihrem eigenen Tod entgangen. Mit Hauen und Stechen geht es auch im zweiten Band „Hinreißend untot“ weiter. Denn Tony, Cassandras Ziehvater und größter Feind, hat sich abgesetzt und ist noch lange nicht besiegt …

Eigentlich ist Cassie nach Las Vegas gekommen, um den Aufenthaltsort von Tony ausfindig zu machen. Sie sucht eine seiner Lasterhöhlen auf und bedroht deren Inhaber, doch der gibt nicht viel preis. Er hat auch keine Zeit dazu, denn plötzlich kommt Leben in die Bude: Pritkin, der Kriegsmagier, der Cassie im letzten Band nach dem Leben trachtete, tritt auf den Plan – allerdings mit einem ungewöhnlichen Motiv: Er möchte eine Zusammenarbeit mit ihr.

Doch das sind nicht Cassies einzige Probleme. Es stellt sich heraus, dass der mächtige Vampir Mircea sie mit einem so genannten Geis belegt hat. Dieser Zauber hindert sie daran, mit einem anderen Menschen als Mircea intim zu werden. Der Grund dieser Vorsichtsmaßnahme: Das Vollziehen des Geschlechtsakts führt dazu, dass Cassie zur Pythia wird, der mächtigsten Seherin der Welt. Genau das möchte Cassie verhindern, doch der Geis bewirkt auch, dass sie sich unnatürlich zu Mircea hingezogen fühlt. Ihre Aufgaben in diesem zweiten Band sind dementsprechend so vielfältig wie unbewältigbar: Sie muss Mircea umgehen, den Geis lösen, vor ihren Feinden flüchten und Tony finden. Gut, dass sie nicht alleine ist. Neben ihrem Geisterfreund Billy und Pritkin lernt sie außerdem einen merkwürdigen Tätowierer namens Mac kennen …

„Hinreißend untot“ schließt ohne Atempause dort an, wo [„Untot mit Biss“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5419 aufgehört hat. Wer den ersten Band nicht kennt, wird daher Probleme haben, die komplexen menschlichen Beziehungen und auch einige Handlungsstränge wirklich zu verstehen. Die Autorin schneidet relevante zurückliegende Ereignisse zwar an, aber sie hält sich dabei sehr bedeckt. Umso detaillierter beschreibt sie die Handlung des vorliegenden Buches. Da aus der Ich-Perspektive von Cassie erzählt wird, räumt Chance den Gedanken und Gefühlen ihrer Hauptperson sehr viel Raum ein. Außerdem tendiert sie dazu, chaotische, überstürzte Ereignisse chaotisch und überstürzt darzustellen. Die Handlung zieht sich dadurch unglaublich in die Länge. Es fällt am Ende schwer, zusammenzufassen, was nun genau passiert ist.

Chance gelingt es kaum, sich thematisch von anderen Dark/Romantic-Fantasy-AutorInnen abzugrenzen. Sie vermengt verschiedene Arten von Wesen und Fantasy zu einem zähen Brei, der nicht immer Spaß macht. Während im ersten Teil des Buches der Vampirmode gefrönt wird, reist die Heldin im zweiten Teil mit ihren Freunden ins Feenland. Abgesehen davon, dass Chance es nicht schafft, diese zwei gegensätzlichen Fantasybereiche in einen harmonischen Einklang zu bringen, wird die Welt der Feen nicht besonders gut ausgestaltet. Als Wesen treten die Feen kaum auf, das Gastspiel ist kurz, und an dieser Stelle schweigt die sonst so geschwätzige Autorin ausnahmsweise. Während die Vampire in ihrer ganzen (erotischen) Schönheit geschildert werden, verschwendet Chance auf die Feen nur sehr wenig Worte.

Dabei schreibt Chance eigentlich ganz gut. Sie ist witzig und schlagfertig und manchmal geradezu genial bissig. Anders als im ersten Band der Reihe entwickelt sich dank des Schreibstils von Anfang an eine gewisse Sogwirkung. Denn auch wenn die Handlung nicht gerade überzeugt, macht es doch Spaß, Cassies sarkastischen Gedanken zu folgen. Sie ähnelt dabei zwar anderen Autorinnen des Genres, aber Chance ist stellenweise noch einen Schritt skrupelloser.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Cassie eine Überprotagonistin ist, auch wenn ihre Gedanken und Gefühle gut niedergeschrieben sind. Cassie scheint in der Handlung – trotz ihres Status als Hauptperson – nur eine Nebenrolle zu spielen. Sie schaut den Ereignissen zu, springt an der einen oder anderen Stelle mit Anlauf ins Fettnäpfchen und fühlt sich von den falschen Typen angezogen. Dass sie dabei häufig alles andere als emanzipiert wirkt, scheint die Autorin nicht zu stören. Cassie besitzt Züge, die auch in einen kitschigen Historienroman passen, und unterscheidet sich damit von starken Frauenfiguren wie in den Büchern von Kim Harisson oder Patricia Briggs. Während diese zumeist auf eigenen Beinen stehen, scheint Cassie sehr dazu zu neigen, sich zu unterwerfen – auch wenn sie dagegen ankämpft.

„Hinreißend untot“ ist ein weiteres Buch im bunten Reigen der Vampirlektüre, auch wenn die Blutsauger nicht unbedingt eine Hauptrolle spielen. Abgesehen von einem tollen Schreibstil mangelt es dem Roman aber an Handlungsstruktur und einer interessanten Hauptperson, um wirklich hervorzustechen.

|Originaltitel: Claimed by Shadow
Aus dem Amerikanischen von Andreas Brandhorst
ISBN-23: 978-3-492-29185-9
431 Seiten, Taschenbuch|
http://www.piper-fantasy.de

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