Anne Chaplet gehört zu den besten Krimiautorinnen Deutschlands und hat sich seit ihrem Debüt „Caruso singt nicht mehr“ eine große Fangemeinde erschrieben. Der Krimi „Russisch Blut“, den |Piper| 2006 als Taschenbuch herausbringt, kommt ohne das bekannte Ermittlerduo Paul Bremer und Karin Stark aus, spielt aber ebenfalls in einer ländlichen Gegend.
Die junge Tierärztin Katalina Cavic flieht vor Erlebnissen ihrer Vergangenheit in den verschlafenen Ort Blanckenburg, der seinen Namen dem barocken Schloss verdankt, das majetästisch auf einem Hügel thront. Allerdings wohnt dort kein Adel mehr, sondern eine Gruppe neureicher Menschen, die so gar nicht dorthin passen wollen. Da wäre Alex Kemper, ein erfolgreicher Anwalt, der ein Verhältnis mit seiner Schwägerin, der Kunsthistorikerin Sophie hat, Peer Gunderson, ein ein Banker, Erin, die Frau Kempers und die gute Seele Alma mit ihrer halbwüchsigen Tochter Noa.
Katalina, die erstmal im Schloss einen Schlafplatz findet, bevor sie in die alte Praxis im Ort ziehen kann, merkt sehr schnell, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Neben dem Verhältnis zwischen Alex und Sophie bereitet ihr vor allem eine Sache Kopfzerbrechen: Mysteriöse Lichtzeichen in einem stillgelegten Trakt des Schlosses. Schon bald findet sie heraus, dass Schloss Blanckenburg einen Bewohner mehr hat als geahnt und dass dieser, obwohl er sich gebrechlich gibt, es faustdick hinter den Ohren hat. Doch wie faustdick?, muss sie sich fragen, als der angesehene Archäologe Sigurd Rust, der auf Blanckenburg wertvolle Schätze vermutet hat, stirbt. Was treibt einen so angesehenen Wissenschaftler überhaupt nach Blanckenburg? Und was hat Kempers nervöse Friesenstute damit zutun?
Haben wir es hier wirklich mit einem „Kriminalroman“ zu tun? Gerade zu Anfang wirkt es doch ganz anders. Im ersten Teil des Buches wird nämlich zweistrangig erzählt. Neben Katalinas Perspektive, die sie bei ihrem Einzug und ihren ersten Schritten auf Schloss Blanckenburg begleitet, erzählt ein Mädchen namens Mathilde, das sich zur Zeit des Zweiten Weltkriegs auf der Flucht befindet, von ihrem Alltag und von ihrer Zuflucht auf Schloss Blanckenburg. Allerdings gibt es zwischen diesen beiden Strängen keinen Knotenpunkt, was das Ganze etwas halbseiden erscheinen lässt.
Glücklicherweise konzentriert sich das Buch im weiteren Verlauf auf die aktuellen Geschehnisse rund um Katalina. Es geht dabei zumeist weniger um die Kriminalhandlung als um das Leben der Tierärztin und wie sie in dem neuen Ort aufgenommen wird. Die eine oder andere delikate Entdeckung der Vorgänge auf Blanckenburg und der Mord bringen etwas Würze ins Spiel. Allerdings verläuft die Handlung ein wenig im Sande. Die Spannungskurve will nicht so, wie sie soll, anders als man das sonst von Chaplet gewöhnt ist. Das könnte daran liegen, dass dieses Motiv mit dem Schloss und den Zugezogenen, die nicht ganz koscher sind, nicht gerade als neu bezeichnet werden kann.
Die Mischung aus Geschichte und Gegenwart ist auch nicht gerade frisch, hat allerdings in anderen Büchern schon besser funktioniert. Hier fehlt letztendlich einfach der Bezug der beiden Stränge, so dass der Leser das Buch nicht wirklich befriedigt schließen kann.
Was ebenfalls enttäuschend ist, sind in diesem Roman die Personen. Ich vermisse doch sehr die Tiefe und Persönlichkeit, die ich von der Autorin gewohnt bin. Stattdessen serviert sie uns besonders bei der Schlossbevölkerung das eine oder andere Klischee, was nun mal nicht die beste Leseempfehlung ist.
Der Schreibstil dagegen ist so lockerluftigleicht wie gewohnt und beschert ein sommerliches Lesevergnügen – wenn die Handlung und die Personen doch etwas besser gelungen wären …
http://www.piper.de