Ciencin, Scott / Stakal, Nick – Silent Hill 3: Tot/Lebendig

Band 2: [„Innerlich sterben“ 3161

_Story_

Erinnerungen an seine ehemalige Geliebte sowie ein gewisser Drang zur Wiedergutmachung treiben den Filmstar Kenneth Carter nach Silent Hill. Dort trifft er auf das kleine Mädchen Christabella und nimmt sich ihrer an, zunächst nicht wissend, auf welch finsteres Spiel er sich einlässt. Doch dann nehmen die Dinge ihren Lauf: In Silent Hill vermischen sich für den bekannten Schauspieler auf immer konfusere Art Realität und Fiktion, bis Carter schließlich die komplette Macht über seine Bestimmung verliert und dem grausamen Spiel des abgeschiedenen Ortes unterliegt.

Während er mit einigen Dämonen der eigenen Vergangenheit ringt und feststellt, wie weit sein Leben in der Vergangenheit bereits mit der kleinen Stadt in Verbindung stand, wird er vor mehrere Entscheidungen gestellt, die sowohl das eigene Leben als auch das seiner Liebsten gefährden. Und dabei ist er eigentlich nur zurückgekommen, um Connie wiederzusehen …

_Meine Meinung_

Bereits die vorangegangene Episode „Innerlich sterben“ war eine verdammt harte Nuss, die besonders aufgrund der durchgehend düsteren Atmosphäre rein gar nichts für sanfte Gemüter war. Die grausame Geschichte um die junge Christabella und ihr Schicksal bewegte auf der einen Seite und erschreckte wiederum auf der anderen. Dazu das unheimliche Setting und weitere fürchterliche Charaktere – willkommen in Silent Hill, wo nichts mehr so ist, wie es einmal war.

Nun, in der aktuellen Ausgabe, trifft man alerdings schon noch auf einige alte Bekannte, darunter zum Beispiel den mutierten Dr. Troy, der nach seinem Tod immer noch in Silent Hill verweilt und auf Rehabilitation hofft. Oder die seltsame Lauryn, die nach außen hin reifer wirkt als ihre Schwester Christabella, aber stets in ihrem Schatten steht. Und natürlich die Achtjährige selber, wie sie sich umgeben von der schaurigen Umgebung gegen alles und jeden behauptet und ihr Umfeld zum Wahnsinn treibt. Sie alle greifen in dem Moment ein, in dem der Schauspieler Kenneth Carter nach Silent Hill kommt und hofft, sein Gewissen in irgendeiner Art zu erleichtern.

Dies gelingt ihm jedoch von Beginn an in keiner Weise. Stattdessen steigt die Zahl seiner potenzieller Gegner von Seite zu Seite; er gerät in das Kreuzfeuer einer Verschwörung, die ihm jeglichen Sinn für die Realität und letztendlich den Verstand raubt. Denn was tatsächlich um ihn herum geschieht, das kann er selbst mit etwas Weitsicht nicht erfassen. Silent Hill hat seine eigenen Gesetze, und dies bekommt er ab der Sekunde seiner Ankunft permanent am eigenen Leib zu spüren.

Zu beschreiben, worum es in Band 3, „Tot/Lebendig“ tatsächlich geht, würde definitiv den Rahmen der Rezension sprengen, denn die neue Story ist derart komplex, dass ein individuelles Charakterprofil jeder einzelnen, halbwegs wichtigen Figur vonnöten wäre, um zumindest in Ansätzen zu verstehen, wie die Charaktere in Verbindung zueinander stehen und was die daraus resultierenden Beziehungen ausmachen. Christabella, Lauryn und auch Leonora bleiben die großen Unbekannten im Spiel, dem sich Carter ausgesetzt fühlt.

Letzterer hingegen übernimmt die Rolle eines Anti-Helden, der eigentlich stets im Mittelpunkt steht, dann aber wieder vollkommen unwichtig erscheint, weil sein Handeln im nächsten Moment wieder als nicht real beschrieben wird. Dies überhaupt zu erfassen, stellt für den Leser wohl auch die größte, mitunter auch die einzige Herausforderung dar. Der Autor wechselt stets von der Realität in den phantastischen Bereich, verharrt dort kurz, schwenkt zurück und wiederholt diesen Vorgang binnen weniger Szenarien derart oft, dass man sich als Leser sehr gut in die Situation des Protagonisten Carter versetzen kann. Mit anderen Worten: Man weiß nicht, wie einem geschieht, und obwohl man der Handlung in groben Zügen folgen kann und irgendwann ungefähr den Kern erfasst hat, bleibt „Tot/Lebendig“ bis zum Schluss ein einziges Rätsel – zwar mit vielen Hinweisen, aber sicherlich nicht mit stringentem, geschweige denn transparentem Verlauf.

Nichtsdestotrotz gelingt es Autor Scott Ciencin problemlos, das Niveau der vorangegangenen Bände zu halten. Er hat nicht nur einen hohen Anspruch an sich und seine Storys, sondern vor allem auch an seine Leserschaft. Dies spiegelt sich zwar nicht flächendeckend in den teils doch recht gewöhnlichen Dialogen wider, wird aber in der sprunghaften, superspannenden und eben nur schwer zu durchschauenden Geschichte immer wieder mit zahlreichen Beispielen unterlegt – und gottlob zum Schluss auch befriedigend aufgedeckt. Zugegeben, nach dem Verwirrspiel, das Ciencin gerade im mittleren Teil des schmucken Sammelbands mit seinen Lesern treibt, hatte ich ernsthafte Bedenken, ob das Ganze nicht eine Spur zu bizarr und abgehoben sein könnte. Aber im Grunde genommen führt der Autor hier nun in einem arg kontrastreichen, unberechenbaren Programm auf, worum es in „Silent Hill“ geht und was für die Kreation dieser einzigartigen Atmosphäre erforderlich ist. Und eine gewisse Komplexität steht da deutlich an erster Stelle!

Vorsicht ist geboten, das sollte man sich bewusst machen, wenn man sich an „Tot/Lebendig“ heranbegibt, es ist nämlich höchste Konzentration gefragt, um einerseits die schockierenden Skizzen auf sich wirken zu lassen und gleichzeitig die einzelnen Handlungsschritte nicht aus den Augen zu verlieren. Der Lohn ist ein ziemlich abgefahrener, bisweilen auch abgehobener Comic, dessen wichtigste Eigenschaft wohl die ist, dass man ihn, einmal gelesen, so schnell nicht wieder vergessen wird. Die Materie geht unter die Haut und hinterlässt einen bleibenden Eindruck, der schlussendlich in Begeisterung umschlägt. Diese Erkenntnis stellt sich allerdings auch zu dem Zeitpunkt ein, an dem die inhaltlichen Verständnisprobleme endgültig geklärt sind und man die Ereignisse verdaut hat. Daher auch noch einmal ein deutlicher Appell an das Durchhaltevermögen. In kaum einer anderen illustrierten Erzählung war dies in vergleichbarem Maße gefragt wie hier. Doch wie gesagt: Es lohnt sich wieder einmal!

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