Suzanne Collins – Tödliche Spiele (Die Tribute von Panem 1)

Im Auftaktband „Die Tribute von Panem. Tödliche Spiele“ erzählt Suzanne Collins von einem zerstörten Nordamerika in einer düsteren Zukunft. Kriege und Hungersnöte haben das Land zerstört, die überlebenden Menschen leben in Distrikten. Jeder der zwölf Distrikte hat etwas Besonders an sich und konzentriert sich auf seine produktive Stärke. Es gibt einen Distrikt, der sich auf Bergbau spezialisiert hat, ein anderer widmet sich ganz der Landwirtschaft, der nächste der technischen Produktion von elektronischen Gütern oder Waffen.

Panems 13. Distrikt wurde vom „Kapitol“, dem imperialen Machtzentrum, zerstört. In diesem Distrikt rebellierten die Einwohner gegen das Regime, und es rächte sich, indem der Distrikt ausgelöscht wurde. Das Exempel verfehlte seine Wirkung nicht, die anderen Distrikte verstanden die Warnung, dass Rebellion im Keim erstickt wird. Doch auch die verbliebenen Distrikte mussten von nun an ihren Tribut an das „Kapitol“ mit einem Blutzoll entrichten, denn kurz nach der Zerstörung des 13. Distrikts wurden die „Hungerspiele“ ins Leben gerufen.

Nun müssen Jahr für Jahr die zwölf Distrikte zwei „Tribute“ – Jugendliche im Alter zwischen zwölf und achtzehn Jahren – in einer großen Arena auf Leben und Tod gegeneinander kämpfen lassen. Den Überlebenden und dessen Familie erwartet dann ein erfülltes und sicheres Leben, kein Hunger, keine Angst – reich und berühmt für den Rest des Lebens. Auf die anderen warten nur der Tod und unglückliche Familien, die ihre Kinder in einer Unterhaltungsshow verloren haben. Die „Hungerspiele“ werden rund um die Uhr live im nationalen Fernsehen übertragen. Der Kampf, die Angst, die Verzweiflung und der grausame Tod werden den Zuschauern und natürlich auch den Angehörigen live vor Augen geführt.

Als Prim, die jüngere Schwester von Katniss, aus dem 12. Distrikt ausgelost wird, stellt sich Katniss vor ihre Schwester und nimmt ihren Platz als Freiwillige ein. Als männlicher Part des Distrikts wird Peeta, der Sohn des hiesigen Bäckers, ausgelost. Die anderen jugendlichen Tribute kennt das Duo nicht. Katniss, die immer für ihre Familie die Versorgung übernommen hat, indem sie Kleintiere jagte, rechnet sich keine großen Chancen auf einen Sieg aus.

In der Vorbereitungszeit gibt es Trainingseinheiten und die Chance für die Tribute, ihre Fähigkeiten auszubauen. Als Mentoren für die ausgelosten Tribute fungieren ehemalige Sieger der Hungerspiele. Es ist ein Medienspektakel, und genauso, wie sich Sponsoren für die kämpfenden Jugendlichen einfinden, werden hier auch Wetten darüber abgeschlossen, wie die diesjährigen Hungerspiele ausgehen werden. Interviews mit den Tributen und eine Zurschaustellung der Kombattanten dienen der Unterhaltung. Die Diktatur überlässt nichts dem Zufall, alles dient nur dazu, die Macht des Kapitols zu präsentieren. Ihre Spielmacher, die sich die Fallen in der Arena einfallen lassen, um das Publikum zu begeistern, verstehen ihr tödliches Handwerk.

Als die tödlichen Spiele beginnen, muss Katniss in der Arena entweder töten oder sie wird getötet …

Kritik

Auch wenn „Die Tribute von Panem. Tödliche Spiele“ ein Buch für Jugendliche ist und so vor allem die Zwölf- bis Sechzehnjährigen ansprechen soll, ist es doch mehr als eines unter vielen ähnlich gelagerten Jugendbüchern und schlägt eine deutlich andere Gangart an.

Die Thematik, die Suzanne Collins aufgreift, ist vielschichtig und spiegelt auch unsere Gesellschaft wider. Die Macht der Medien, Manipulation und Unterdrückung finden hier ebenso ihren Platz wie ethische und moralische Werte, Pflicht- und Mitgefühl gegenüber anderen, vor allem schwächeren und benachteiligen Personen. Der Roman erzählt primär die spannende und sehr ergreifende Geschichte von Katniss und Peeta, aber auch die durchaus zahlreichen Nebenfiguren haben ihren bemerkenswerten Auftritt und bleiben dem Leser auch nach dem literarischen Tod noch lange im Gedächtnis.

Die Story wird ausschließlich aus der Perspektive von Katniss geschildert. Der Leser hat nun die Möglichkeit, Katniss‘ Weg in die Arena mitzuerleben, so dass ihre Emotionen sehr greifbar und realistisch nachklingen, wenn sie von ihrer Angst und Verzweiflung erzählt, aber auch ihrer Wut freien Lauf lässt. Die Sympathie für ihre Figur entwickelt sich im Laufe der Handlung, und auch ihre persönliche Entfaltung ist nachvollziehbar, auch wenn Katniss oft unsicher und naiv wirkt. Peeta verhält sich zunächst zurückhaltend, aber seine Persönlichkeit birgt starkes Potenzial, und es dauert nicht lange, bis seine Fähigkeiten an die Oberfläche drängen. Er weiß, was er tut, und er spielt in der Arena nach seinen eigenen Regeln.

Spannung sowie viel Raum für Gesellschaftskritik und einen Ausblick in eine nicht allzu ferne Zukunft versprechen ein außergewöhnliches Lesevergnügen. Menschliche Abgründe und ein perverser Voyeurismus, aber auch bedingungslose Liebe sowie Verantwortung gegenüber anderen sind der Tenor des Romans. Die Hungerspiele sollen den Einwohnern der Distrikte aufzeigen, wo sie in einer totalitären Gesellschaft stehen. Einschüchterung, Angst und Brutalität sind die Noten dieser grausamen Melodie, aber auch in dieser Dunkelheit flammt am Ende ein Hoffnungsfunke auf, denn Katniss ist nicht gewillt, sich kontrollieren und manipulieren zu lassen. Doch ihre Entscheidung wird Folgen haben, die sie sich zunächst nicht ausmalen kann. Entscheidungen schlagen immer Wellen, und selbst wenn man vor den Konsequenzen davonläuft, werden sie einen immer wieder ein- und überholen.

„Brot und Spiele“ verlangen nach einer blutigen Show, doch die Autorin verzichtet auf detailreiche Beschreibungen der Tötungen. Zwar fließt hin und wieder Blut, doch die Autorin umschifft diese Klippe und konzentriert sich auf die Emotionen von Katniss und den anderen Tributen. Actionreich ist „Die Tribute von Panem“ nur phasenweise, doch auch die Vorbereitungen für den finalen Kampf in der Arena sind spannend und der Leser erhält einen Überblick über die Fähigkeit und Talente der anderen Kandidaten.

Suzanne Collins Erzählstil ist äußerst pragmatisch zu nennen. Der Aufbau ihrer Sätze ist zumeist kurz und anfangs gewöhnungsbedürftig. Ich hätte mir manchmal mehr Erklärungen zu einzelnen Situationen und Szenen gewünscht, oftmals mangelte es mir an Details, zu schnell wechseln die Szenen. Auch die Vergangenheit Panems, die Entwicklung der Distrikte, die Macht des Kapitols, die früheren Kriege in Nordamerika sowie die Erklärung der anderen Distrikte bleiben (noch) im Verborgenen. Zudem wäre es vorteilhaft gewesen, wenn der Roman nicht nur aus der Sicht von Katniss erzählt worden wäre, sondern vielleicht auch die Perspektive der Zuschauer, der Angehörigen der Kandidaten und zuletzt der Spielmacher berücksichtigt worden wäre. Diese eindimensionale Perspektive ist zwar spannend, aber nicht sonderlich informativ gewählt.

Fazit

„Die Tribute von Panem . Tödliche Spiele“ ist der erste Roman einer geplanten Trilogie von der Autorin Suzanne Collins. Selten habe ich einen Jugendroman gelesen, der sich so ernsthaft mit gesellschaftlichen Themen befasst und zugleich eine Spannung entwickelt, der man sich nur schwerlich entziehen kann. Suzanne Collins versteht ihr Handwerk, und nach Ende des ersten Teils wird man es nicht vermeiden können, gleich den zweiten Band zur Hand zu nehmen, in dem das Schicksal von Katniss fortgeführt wird.

Emotional und spannend, regt der Roman auch zum Nachdenken an. Zwischen den Zeilen wird so mancher Gedanke transportiert, und auch die bei Jugendlichen oft von hormongelenkten Emotionen durcheinandergewirbelte Welt lässt es zu, dass sich der junge Leser gut mit Katniss oder Peeta identifizieren kann. In „Die Tribute von Panem“ verschwimmen die Grenzen zwischen Gefühl und Verstand, und wie so oft liegt in der Liebe die Antwort zu allen Fragen.

Dieser Roman verdient in der Summe ein Platin-Prädikat und wird sich neben den Bestsellerlisten in so mancher Diskussion wiederfinden. Ein Jugendbuch, das Spannung verspricht und nicht damit enttäuscht, und zudem noch viel Potenzial für Diskussionen und eigene Gedanken einbringt – was will man mehr? Ganz klar: Mit Sicherheit den zweiten Teil lesen – „Die Tribute von Panem. Gefährliche Liebe“.

_Die Autorin_

Suzanne Collins (* 1962 in New Jersey) ist eine in Connecticut ansässige Autorin für Cartoons und Kinder- und Jugendliteratur. Collins schreibt seit 1991 sehr erfolgreich für das US-amerikanische Kinderfernsehen. Mit den Abenteuern von Gregor und seiner kleinen Schwester Boots veröffentlicht sie seit 2003 ihre ersten eigenen Kinderbücher, die in den USA schon bald auf Empfehlungslisten für Kinderliteratur erschienen und bereits in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Collins wurde für „Die Tribute von Panem. Tödliche Spiele“ mit dem |Buxtehuder Bullen| 2009 ausgezeichnet und für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2010 nominiert.

Originaltitel: The Hunger Games 1. The Hunger Games
Aus dem Amerikanischen von Peter Klöss und Sylke Hachmeister
414 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Empfohlen ab 14 Jahren
ISBN-13: 978-3-7891-3218
https://www.oetinger.de/die-tribute-von-panem