Corbeyran, Èric (Autor) / Grun (Zeichner) – Metronom 1: Null Toleranz

_|Metronom|:_

Band 1: _“Null Toleranz“_
Band 2: „Die Station im Orbit“
Band 3: – nur angekündigt –

Die Idee eines totalitären Systems ist in der klassischen Science-Fiction kein wirklich neuer Ansatz mehr. Die Inspiration, die Orwells Meisterwerk „1984“ der Sparte geliefert hat, scheint dennoch unerschöpflich, auch im Comic-Sektor. ‚Eric Corbeyran und sein zeichnender Kollege Grun haben sich kürzlich ebenfalls an die Materie herangewagt und mit „Metronom“ einen Dreiteiler aus der Taufe gehoben, der sich mit den Konsequenzen einer erbarmungslosen Regierungsform auseinandersetzt, dabei aber auch nicht den Blick für die Realität verliert. Doch kann dies alles noch innovativ sein? Diese Frage steht wohl im Mittelpunkt der folgenden Rezension.

_Story:_

In einer Welt, in der die heuchlerische Demokratie gerade das Dekret ‚Nill Toleranz‘ durchgesetzt hat und die Bevölkerung sich bedingungslos anzupassen hat, um nicht selber Opfer des Systems zu werden, scheint jegliche Form von geistiger Meinungsfreiheit ausgeschlossen. Nichtsdestotrotz will sich der anarchische Journalist Florreal Linman diesem Regime nicht kapitulierend unterwerfen und ist seinem Chefredakteur ein brutaler Dorn im Auge, da Linman nicht beabsichtigt, die Entwicklungen in seinem Land unkommentiert zu lassen. Die große Chance wittert der junge Mann, als er die verzweifelte Lynn kennen lernt, die bereits seit acht Wochen auf ihren Mann Doug wartet, der von einer Mission bei der Weltraum-Müllentsorgung nicht zurückgekehrt ist. Von ihrer Schwester, die im Innenministerium beschädigt ist, erfährt sie, dass Dougs Eskorte mit einem Virus versucht wurde und nun unter Quarantäne steht, weshalb eine baldige Rückkehr vorerst ausgeschlossen scheint. Als Lynn außerhalb der Sperrstunde auf der Straße aufgegriffen wird und aufs lokale Revier geführt wird, lernt sie schließlich den eigenbrödlerischen Linman kennen und beschließt, sich ihm nach einigem Zögern anzuvertrauen – schließlich hat sie nichts mehr zu verlieren. Der Journalist wittert nicht nur eine neue lukrative Story, sondern ist wirklich gewillt, der Frau zu helfen und die Umstände zu klären. Linman nutzt seine weit reichenden Einflüsse und schafft es tatsächlich, Kontakt mit Doug aufzunehmen.

Zur gleichen Zeit erreicht ein Brief mit einem eigenartigen das Präsidialamt, ohne Absender und ohne jegliche Spur auf die Absicht hinter diesem Schreiben. Das Päckchen enthält das „Metronom“, eine kindlich anmutende Märchengeschichte, deren Bedeutung dem Empfänger vorerst unklar bleibt. Der schonungslose Kommissar wird gebeten, den Urheber aufzuspüren und erfragt Hilfe beim Chef der Vox Populi, der darin eine Chance sieht, sich von seinem respektlosen Mitarbeiter Linman zu entledigen. Und während Lynn hofft, nähere Fakten zu Dougs Aufenthaltsort mitgeteilt zu bekommen, muss sich Linman aus unersichtlichen Gründen wegen Hochverrats verantworten …

_Persönlicher Eindruck:_

Zugegeben, die Themen die Corbeyran in seiner aktuellen Comic-Reihe aufgreift, mögen nicht sonderlich originell sein, scheinen im Hinblick auf die Darstellung der Staatsführung und ihrer strikten Vorgehensweise sogar fast schon überholt. Doch es ist nicht das Setting, welches den Charme dieser neuen Serie ausmacht, sondern die Charaktere und die Atmosphäre, in der sich die Story bewegt. Letztgenannte ist durchweg frostig und bewusst steril gewählt und untermalt dadurch ganz klar die schier ausweglose Situation der normalen Bürger, dem Regime zu trotzen und die Menschenwürde wiederzuerlangen. Kleine Verbrechen werden mit hohen Strafen geahndet, und fortwährend werden neue Dekrete erlassen, um das Volk noch weiter einzuschränken. Selbst die Hinterbliebenen eines Suizidopfers sollen nun genötigt werden, hohe Bußgelder an den Staat zu zahlen, um das Verbrechen zu sühnen.

In genau jener Welt lebt auch die junge Lynn, die sich nicht länger von ihrer Hoffnung trösten lassen möchte, ihren Mann eines tages doch noch wiederzusehen. Doug ist zwar erst seit einigen Wochen verschollen, doch die Systematik der Politik und ihre ständigen Vertuschungen dezimieren den Glauben, dass ihre Familiengeschichte ein positives Ende nehmen wird. Trotz ihrer Ängste, den Kontakt mit Visionären und Andersdenkenden zu suchen, lässt sie sich schließlich darauf ein, dem Reporter Florreal Linman ihren Kummer anzuvertrauen, da das Wissen, dass ihre Schwester ihr vermittelt hat, sie weiter beunruhigt. Die Gewissheit, dass Doug bereits wieder auf der Erde gelandet ist, ist kein wirkliches Trostpflaster und die Tatsache, dass sie von allen Informationen seine Person betreffend ferngehalten wird, begründet ihre Zweifel noch stärker.

Dennoch wird Lynn von Ängsten getrieben: vor der Wahrheit, vor dem System, vor allem aber vor den unangenehmen Konsequenzen ihres stillen Widerstands. Daher setzt sie alle Hoffnung und ihr gesamtes Vertrauen in die neue Begegnung, selbst wenn sie sich einredet, lediglich einer Illusion zu folgen. Doch in Linman hat sie den vielleicht einzigen Menschen getroffen, und das auch noch eher zufällig, der den Freigeist mitbringt, sich dem Komplott namens Demokratie zu stellen und die Schanden aufzudecken, die sich dahinter verbergen. Doch erwartungsgemäß wird sie enttäuscht – doch nicht aus Vorsatz. Und dieser Umstand diktiert „Metronom“ schließlich auch seine gesamte Spannung auf, auch wenn die Story fürs Erste noch relativ fade erscheint.

Kritisch betrachten muss man nämlich den sehr linearen Verlauf der Geschichte, die an und für sich keine Spielräume zulässt, und deren Entwicklungspotenzial zu Beginn noch sehr beschränkt anmutet. Lediglich die Charaktere machen dem Leser Mut, dass sich „Null Toleranz“ alsbald das Blatt wendet und aus einem flach wirkenden Science-Fiction-Komplex etwas Größeres herausbildet, das am Anfang eben noch gar nicht absehbar ist. Und das Vertrauen in diesen Umstand wird belohnt, wenn auch erst zu einem sehr späten Zeitpunkt des ersten Kapitels, in dem sich das zähe Tempo plötzlich beschleunigt, die Handlung einen eignen Charakter bekommt und die eh schon sehr beklemmend wirkende Atmosphäre ihr wahres Ich entfalten kann. Bis hierhin muss man sich allerdings in Geduld üben und die nicht immer fulminanten Ereignisse über sich ergehen lassen, lediglich vom Wissen bestärkt, dass die Story noch die Kurve bekommt – wenigstens was diesen ersten Band betrifft.

Da „Metronom“ jedoch nur als Dreiteiler angekündigt ist und der Cliffhanger noch reichlich Stoff suggeriert, stellt sich die übliche Frage, inwiefern es dem Autoren gelingen wird, die Erwartungen zu erfüllen und vor allem die stellenweise nicht so berauschenden Eindrücke künftig zu kaschieren. Hierzu werden einige kreative Schachzüge nötig sein, die schließlich auch die eingangs erwähnte These, inwieweit ein solcher Comic noch innovativ sein kann, hoffentlich mit einem positiven Statement beschließen. „Metronom“ respektive „Null Toleranz“ ist interessant und zum Ende hin auch sehr spannend. Doch für die verbleibenden beiden Ausgaben ist noch eine Menge Luft nach oben!

|Graphic Novel: 56 Seiten
Originaltitel: Tolerance Zero
ISBN-13: 3-86869-238-X|
[www.splitter-verlag.eu]http://www.splitter-verlag.eu

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