Crichton, Michael – Next (Lesung)

_Der enteignete Mensch: Eine spannend inszenierte Warnung_

Noch nie war die Zukunft so bedrohlich wie in „Next“: In dieser Welt zählt nur eines; gutes Genmaterial. Und Gentechnologie-Unternehmen setzen alles daran, sich die Rechte an profitablem Gewebe zu sichern. Genau das wird Frank Burnet zum Verhängnis. Die Rechte an seinen Immunzellen, die Krebs bekämpfen können, hat sich BioGen Research gesichert. Doch Burnet hat nicht vor, sein Gewebe kampflos zur Verfügung zu stellen, und so bleibt ihm nur die Flucht. Als die Zellinie Burnets eines Nachts verunreinigt wird, bleibt BioGen nur eine Möglichkeit, um diese Wunderzellen wiederzubeschaffen: Es jagt Franks Tochter und Enkel … (erweiterte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Michael Crichton wurde 1942 in Chicago geboren und studierte in Harvard medizin. Crichton, der seit Mitte der Sechzigerjahre Romane schrieb, griff immer wieder neueste naturwissenschaftliche und technische Forschungen auf. Für die international erfolgreiche TV-Serie „Emergency Room“ schrieb er das Drehbuch. Seite Thriller – darunter „DinoPark“, „The Lost World“, „Enthüllung“, „Der 13. Krieger“ und „Next“ – wurden auch als Filme Erfolge. 27 Romane und mehr als 100 Mio. verkaufte Bücher stehen für sein Werk. Er starb im November 2008 im Alter von 66 Jahren. (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Hannes Jaenicke, geboren in Frankfurt/Main, absolvierte seine schauspielerische Ausbildung u. a. am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und spielte am Burgtheater, bei den Salburger Festspielen und am Schauspiel Köln. Es folgten zahlreiche TV- und Kinofilmauftritte, häufig in Krimis. Neben seinen Filmproduktionen tritt Jaenicke als Drehbuchautor und Sprecher von Hörbüchern in Erscheinung, besonders von James-Bond-Klassikern.

Regie führte Bernadette Joos. Die Aufnahmeleitung im Tonstudio Köln oblag Bernd Schönhofen.

_Handlung_

|Prolog|

Privatdetektiv Vasco Borden verfolgt in Las Vegas den Biotechniker Eddie Tolman, der seiner Firma MicroProtein etwas sehr Wertvolles gestohlen hat, das er nun im Hotel Venetian an den Mann bringen will: tiefgekühlte Embryonen mit speziellen Zellen. Tolman und Borden lauschen den Worten des Risikokapitalgebers Jack Watson aus Los Angeles, der prophezeit, die Biotechnologie werde die Saurier der Pharmakonzerne das Fürchten lernen.

Doch zuvor muss Eddie dingfest gemacht werden. Leider merkt Eddie, dass er verfolgt wird, marschiert mit einer russischen Vermittlerin zu seinem Käufer und macht sich dann mit einem leeren Sicherheitsbehälter aus dem Staub. Netter Versuch, denkt Vasco und stellt Eddie in einem Aufzug. Er hat ihn in der Falle! Doch Eddie öffnet seelenruhig den Sicherheitsbehälter und wird ein Opfer des ultrakalten flüssigen Stickstoffs darin. Dumm gelaufen.

|Verhandlung|

Vor einem Gericht in Los Angeles verteidigt Rechtsanwältin Alex Burnet ihren Vater Frank, 51, gegen die University of California in L. A., UCLA. Frank war an Knochenmarkkrebs erkrankt und begab sich in die Behandlung von Dr. Grouse an der Uniklinik der UCLA. Nach Operation und Chemo stellte sich zum Glück eine vollständige Remission des Krebses ein. Doch Dr. Grouse machte weitere Tests und weitere. So lange, bis Frank misstrauisch wurde, weil er unterschreiben sollte, dass seine Zellen zu kommerziellen Zwecken werden können sollten. Er weigerte sich. Dr. Grouse verkaufte die Zellen dennoch – an BioGen Research.

Biogen Research will das Zytotoxin als Krebsheilmittel in absehbarer zeit auf den markt bringen und führt bereits Testreihen an Ratten durch. Das wird ein Knaller, freut sich Vorstandsvorsitzender Rick Diehl, der mit im Gerichtssaal sitzt, und sieht schon die Milliarden fließen. Genauer gesagt: drei Milliarden. So viel sind Frank Burnets Antikrebszellen auf dem Markt wert. Zu blöd, dass der Kerl nicht weiß, wann er verloren hat, findet Diehl und träumt von seinem neuen Porsche. Der Richter hat endlich ein Einsehen und verurteilt Burnet zur Herausgabe seiner Zellen. Basta, na bitte, endlich, lächelt Diehl heimlich.

Allerdings muss Diehl in mindestens einen sauren Apfel beißen. Jack Watson hat ihm Kapital geliehen, auf das er nun, da Diehls untreue Frau weggelaufen ist, angewiesen ist: Sie hatte das Geld in die Firma eingebracht. Wenn er nicht aufpasst, könnte Watson versuchen, ihn auszubooten und die Firma zu übernehmen. Das zweite Problem ist Diehls Sicherheitschef: Brad Gordon ist zwar ein Nichtskönner, aber der Neffe von Watson, also unkündbar. Dass ihm sein neuer Porsche auf dem Firmenparkplatz direkt vor sämtlichen Überwachungskameras gestohlen werden konnte, bringt das Fass zum Überlaufen.

Watson verspricht, sich um dieses kleine Problem zu kümmern. Schon bald taucht eine sehr elegante und sehr verführerische Lady in Diehls Vorstandszimmer auf: Jaqueline Maurer von der IT-Firma BDG will sich auf Watsons Bitte hin um die Security von Diehls Firma kümmern. Schon bald sieht sich Brad Gordon, der eine Schwäche für kleine Mädchen hat, verhaftet: Er hat die Nacht mit einer minderjährigen Asiatin verbracht, die ihn anklagt, sie mehrfach brutal vergewaltigt zu haben. Die Rechtsanwälte schütteln bedauern den Kopf: Die Kleine mag ihn ja reingelegt haben, aber seine Chancen, das Gegenteil zu beweisen, seien gleich null. Doch Jaqueline Maurer hat auch dafür eine Lösung, solange sich Brad kooperativ zeigt …

|Einbrüche|

Eines Morgens wenige Tage später erhält Rick Diehl eine Schreckensmeldung, die für seine Firma das Aus zu bedeuten droht: Brad Gordon, der gefeuerte Sicherheitschef, hat sämtliche Zellkulturen, die auf Frank Burnets phantastischen Antikrebszellen basieren, absichtlich kontaminiert, offenbar aus Rache. Natürlich gibt es in anderen Labors Sicherheitskopien. Doch es wie verhext: Auch diese sind plötzlich unbrauchbar. Diehl starrt in den Abgrund.

Es gibt nur einen letzten Ausweg: Er muss frische Zellen von Frank Burnett beschaffen, und sein Anwalt Rodriguez kennt auch schon den richtigen Mann dafür: Vasco Borden. Allerdings gibt es ein kleines Problem: Frank Burnet, ein Kriegsveteran, ist vollständig untergetaucht.

Na, schön, das ist kein Weltuntergang, denn Frank hat als kluger Mann dafür gesorgt, seine Gene weiterzugeben, an seine Tochter Alex und deren Sohn Jamie. Nach mysteriösen und gewalttätigen Übergriffen durch Vasco Bordens Helfer beschließt Alex, den dringenden Rat ihres Vaters zu befolgen und unterzutauchen. Leider unterlaufen ihr einige Anfängerfehler, so etwa die, eine Kreditkarte und ein Handy zu benutzen …

Unterdessen versucht Henry Candle, ein Genforscher, in das Schimpansenlabor einzudringen, aus dem er vor vier Jahren verbannt worden ist. Seitdem ist es ihm nicht gut ergangen, aber er hat wenigstens noch seine Frau Lynn, seine Tochter Tracy und seinen Sohn Jamie. Lynn ist eine frühere Schulfreundin von Alex Burnet und wird schon bald von ihr Besuch erhalten.

Henry will zu Dave, dem klügsten Schimpansen, der jemals durch Gentechnologie geschaffen worden ist. Er hat erfahren, dass die Leitung der Forschungsstation herausgefunden hat, wie Dave erschaffen wurde: durch die Kombination von Schimpansen-Erbgut mit menschlichem Erbgut. Genauer: mit dem von Henrry Candle höchstselbst. Und wer würde schon seinen Sohn umkommen lassen, bloß weil er ein illegales Experiment ist?

Doch die Ankunft von Dave, dem Monkey Man, in Henrys Familie führt schon bald zu unerwarteten Komplikationen, die mit der Ankunft von Alex und Vasco Borden einen ersten explosiven Höhepunkt erreichen …

_Mein Eindruck_

In seinem Wissenschaftsthriller verteilt der Autor seine Handlungsstränge auf Haupt- und Nebenschauplätze. Ich habe oben nur den zentralen Strang berücksichtigt. Viele Stränge sind nur von illustrativer Funktion, so etwa die Sache mit dem sprechenden Affen von Sumatra oder das Schicksal von Brad Gordon. Wenigstens spielen die transgenen Tiere (mehr dazu unter „Der Sprecher“) Dave und Gérard eine mittelbare Hauptrolle in der Vorbereitung und der Ausführung des ersten und zweiten Finales.

Bei manchen Figuren fragt sich der Leser oder Hörer, was dies denn mit der Haupthandlung zu tun hat. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht um die Relevanz für das Thema, und das heißt eben „Die Folgen der Gentechnologie für wichtige Bereiche der Gesellschaft“. Dass die Medizin eine Hauptrolle spielt, belegt schon der skandalöse Fall von Frank Burnet.

Aber auch Totenbestattung, Versicherungen, Berufseignung und vieles mehr illustrieren die Implikationen, wenn die Biotechnologie nicht nur Humangewebe jagt, sondern ihre Produkte zudem in die falschen Hände gelangen: ungenehmigte Humanversuche in „freier Wildbahn“ sozusagen. So passiert es der Familie Weller, die herausfindet, dass der soeben verstorbene Vater vielleicht nicht, vielleicht aber doch der Vater der abtrünnigen Tochter Lisa war (die buchstäblich unter Rick Diehl arbeitet). Das relative bizarre Phänomen des Chimärismus wird hier aufgezeigt: zwei DNA-Sätze in einem einzigen Menschen! Das dürfte für einige Gentests ein Problem darstellen.

Als wäre dies nicht schon seltsam genug, muss vor allem geklärt werden, wer ein Anrecht auf Frank Burnets Zellen und Gene hat. Es kommt zu einer zweiten, denkwürdigen Verhandlung. Die gierige Biotechindustrie will ja praktisch jeden Menschen zu ihrem Freiwild erklären. Ja, der Staat Kalifornien könnte sogar lebendes Humangewebe enteignen, sofern es dem Gemeinwohl dient. Die Auswirkungen sind albtraumhaft: Bürger als Ersatzteillager der Genindustrie? Mit Recht weist Alex Burnets Chef, der Rechstanwalt Bob Kotch, auf den 13. Verfassungszusatz hin, der das Recht auf körperliche Unversehrtheit garantiert. Das Prinzip „Habeas corpus“ soll auch für die Gene gelten.

Dieser rechtliche Ansatz mag manchem Leser oder Hörer irrelevant oder vernachlässigbar erscheinen. Doch was er für Weiterungen bedeutet, macht Vasco Borden mit seinen brachialen Aktionen gegen Alex und Jamie Burnet überdeutlich: Menschenjagd in ihrer brutalsten Form. Man kommt sich vor wie in einem Stephen-King-Horrorthriller. Zum Glück wissen Bob Kotch und der zuständige Richter diesen Horror abzuwenden und die aktuelle, fiktive Rechtsprechung für illegal zu erklären.

_Der Sprecher_

Hannes Jaenicke hat eine tiefe, wenn auch nicht sonore Stimme. Damit kann er männliche Figuren kompetent darstellen, was ihm aber bei weiblichen Figuren weniger überzeugend gelingt. Die Frauen klingen alle gleich, mal mehr, mal weniger laut. Deshalb ist es von Vorteil, wenn die Frauen einen Akzent haben. Die Kontaktfrau Eddie Tolmans spricht mit gutturalem russischem Akzent. Auch wenn der Orientale Raza im Labor des Memorial Hospitals spricht, merkt man den fremdartigen Akzent.

Wichtiger für die Dramatik und Emotionalität der Handlung ist jedoch Jaenickes Ausdruck von Gefühlsregungen. Hier hapert es aber gewaltig, denn Jaenicke ist offenbar ein Anhänger der Theorie, durch ruhigen, gleichmäßigen Vortrag hinter der Geschichte zurückzutreten. Das klappt zwar in ruhigen Szenen und spannenden Passagen ganz gut, wirkt aber in dramatischen Szenen fehl am Platze. Selten einmal hört man ihn rufen, etwas häufiger hingegen heiser flüstern.

Und dann sind da noch die transgenen Tiere. Sie verleihen der Handlung ihren besonderen Reiz. Jaenicke weiß sie zu nutzen, um seinen Dialogen Würze und Witz zu verleihen. Da ist der sprechende Orang-Utan, der im Urwald von Sumatra unanständige Sachen sagt. Da ist Dave, der Monkey Man, der so gerne ein menschlicher Junge wäre. Er spricht mit einem hohlen Akzent, der die eigene Schöpfung des Sprechers sein dürfte.

Und schließlich ist da noch Gérard, der sprechende und hyperintelligente Graupapagei aus Paris, den es nach Nevada oder Arizona verschlägt, wobei er den Mann seines Frauchens bei einer Untreue ertappt hat. Gérard ist ein Sprachgenie, das wie ein Stimmrekorder funktioniert – aufnehmen und wiedergeben sind nicht das Problem; erst wenn Gérard das falsche wiedergibt, wird’s für die Menschen kompliziert. Gérard ist kein Spielzeug, sondern spielt eine Hauptrolle im actionreichen Finale des Romans.

Da es weder Musikuntermalung noch Geräusche gibt, brauche ich darüber kein Wort verlieren.

_Unterm Strich_

Michael Crichton schafft es auch diesmal, einen Wissenschaftsthriller zu liefern, der zugleich zu unterhalten, zu informieren und zu warnen weiß. Der Schauplatz ist nur ein klein wenig in die Zukunft verlegt, so dass uns dieses Szenario schon wieder ein wenig veraltet vorkommt. Transgene Tiere existieren, das ist unstrittig, doch was ist mit Verbindungen aus Mensch und Tier?

Crichton verbiegt die amerikanischen Gesetze, ein wenig spekulieren zu können, wie eine Gesellschaft aussähe, in denen das Zellgewebe eines Bürgers sowohl enteignet als auch requiriert werden könnte. Und in denen Biotechfirmen freie Hand hätten, Humanversuche mit neuen Genreihen vorzunehmen. Es erscheint nicht an den Haaren herbeigezogen, dass Leichen zweckentfremdet werden und dass es bereits zur Freisetzung von Testviren gekommen ist.

Dass man sehr wenig von diesen Ereignissen liest, mag entweder an der Unterdrückung der Nachrichten liegen – oder an einer selbsterfüllten Prophezeiung eines gewissen Michael Crichton: Er könnte dieses Szenario durch seinen warnenden Roman verhindert haben. Letzteres wäre aber wirklich zu viel der Hoffnung, nicht wahr?

Romantik, Erotik, rührendes Drama, spannende Action und schräger Humor bilden die tragenden Elemente des Thrillergarns, so dass für genügend Unterhaltung gesorgt. Doch die Kürzung auf die wichtigsten Handlungsstränge lässt dem Hörer keine Gelegenheit, sich Gedanken über die Verbindungen und die Bedeutung der Ereignisse zu machen. Es ist schon anstrengend genug, dem Plot zu folgen. Deshalb sind wir auf die Erklärungen des Erzählers angewiesen, um uns zurechtzufinden. Doch sie sind spärlich gesät.

|Das Hörbuch|

Der ruhige Vortrag lässt dem Hörer Raum, dem schnellen Szenenwechsel zu folgen und sich auf die Figuren zu konzentrieren. Der Humor, der durch den Stimmwechsel für die transgenen Tiere möglichst, sorgt für Abwechslung. Wäre dies nicht, könnte man bei dem Vortrag glatt einschlafen. So aber ist man wegen dieser Rätsel gespannt, worauf die Handlung hinauslaufen soll. Das Buch lässt dem Hörer sicher mehr Raum, um sich Gedanken zu machen. Aber manchmal habe ich den leisen Verdacht, dass man einen Crichton-Roman nicht wegen der Warnung, sondern der Unterhaltung liest.

|6 Audio-CDs
Spieldauer: 411 Minuten
Originaltitel: Next, 2006;
Aus dem US-Englischen übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
IBN-13: 9783866046474|
[www.randomhouse.de/randomhouseaudio]http://www.randomhouse.de/randomhouseaudio/index.jsp

_Michael Crichton bei |Buchwurm.info|:_
[„Timeline“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=360
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