Crisse, Didier (Autor) / Meglia, Carlos (Zeichner) – Canari 2: Die letzte Welle

[„Canari 1: Die goldenen Tränen“ 3179

_Story_

Auf der Suche nach ihrem verschollenen Bruder erhält Canari immer mehr Indizien für die Entführung des jungen Xaotil. Der Bund zwischen den Menschen und den Göttern scheint durch ihre eigene Unachtsamkeit nunmehr endgültig zerbrochen, weil die Verbindung infolge Canaris Missgeschick und des unvorsichtigen Überstreifens des Armreifes gestört ist. Aber Canari gibt nicht auf und folgt der Himmelsgöttin Citlaligua in deren Heimat, wo sie sich mehr Hinweise über den Aufenthaltsort Xaotils erhofft.

Doch die Gewissheit, die ihr dort kundgetan wird, ist furchtbar: Ihr Bruder wurde als Opfer gewählt, um die lose Verbindung zwischen Menschen und Göttern ein für allemal zu durchbrechen und die Menschen aus der Unterwürfigkeit zu den Göttern zu befreien. Ausgerechnet ihr Vater, der sie für ihr jüngstes Vergehen völlig verachtet, soll das Urteil vollstrecken und Xaotil töten. Canaris Rettungsaktion soll den geliebten Spross vor Schlimmerem bewahren; doch sie kommt zu spät und muss einen weiteren hohen Preis zahlen.

Unterdessen versteht Wayne Jahrhunderte nach den Vorgängen im mexikanischen Dschungel nach wie vor nicht, warum ihn dieser Strand an der Küste Mexikos so sehr begeistert, dass er regelmäßig dorthin aufbricht. Die unglaublichen Wellen ziehen ihn geradezu magisch an, besonders nach dem Brief, der ihm kürzlich verraten hat, dass das Geheimnis seiner Herkunft an diesem speziellen Ort begraben liegt. Doch dann wird er bei einem weiteren heißen Wellenritt von der Flut erfasst – und verschwindet spurlos …

_Persönlicher Eindruck_

Ein ganzes Dreivierteljahr hat man sich beim |Splitter|-Verlag Zeit gelassen, um die heiß ersehnte Nachfolgestory zum Debütalbum der neuen Erfolgsserie von Didier Crisse zu veröffentlichen – eine Zeit, in der manch andere Comic-Gestalt längst in Vergessenheit geraten wäre. Allerdings hat die hübsch illustrierte Canari einen merklichen Eindruck hinterlassen, so dass selbst nach dieser vergleichsweise langen Überbrückungszeit kaum Schwierigkeiten dabei auftreten, den Faden wieder aufzunehmen. Und dennoch macht es der Autor seinem Publikum nicht sonderlich leicht, den Wiedereinstieg problemlos zu schaffen, was darin begründet liegt, dass Crisse nach wie vor am hohen Erzähltempo des Vorgängerbandes festhält. Ständig wechselt er die Szenarien, pendelt zwischen Canaris Schicksal in der Vergangenheit und Waynes wachsenden Zweifeln in der Gegenwart und bringt die parallel erzählten Geschichten auch noch rasend schnell vorwärts.

Anhand der Geschwindigkeit lässt sich schließlich auch die enorme Entwicklung der Geschichte(n) ablesen. Canari springt von einer Bredouille in die nächste und sieht sich mit einer wachsenden Zahl wenig wünschenswerter Situationen konfrontiert, für die sie alleine keine Lösung findet. Der Armreif belastet sie ebenso wie das Verschwinden ihres Bruders, für das sie sich selber verantwortlich macht. Außerdem ruht der Fluch eines ganzen Volkes auf ihren kleinen Schultern, da Xaotil in ihrem Beisein ausgerechnet einen Tag vor dem Ix, dem Tag der Begegnung von Menschen und Göttern, verschwunden ist. Sie sucht Beistand bei den Göttern, erfährt jedoch nur noch mehr Grausames: Eine Priesterschaft hat sich des Jungen angenommen und möchte ihn als Opfergabe darbringen, um die Menschen endgültig zu befreien. Canari ist sich der Tragweite dessen mit einem Mal bewusst und unternimmt einen verzweifelten Versuch, Xaotil zu befreien. Aber wie schon zuletzt, so versagt sie auch nun und muss für ihre Fehlbarkeiten endgültig die Konsequenzen tragen.

Jahrhunderte später am selben Ort wird Wayne von seiner Vergangenheit eingeholt und mit der Frage nach seiner Abstammung gegenübergestellt. Erste Hinweise lassen ihn darauf schließen, dass die Faszination für die mexikanische Küste mit seiner Herkunft in Verbindung zu bringen ist. Doch die Indizien sind haltlos und unlogisch. Und dennoch geschieht an einem schicksalhaften tag genau das, was Wayne immer befürchtet, gleichzeitig aber auch irgendwie erhofft hat. Eine Riesenwelle erfasst ihn auf seinem Board und ebnet ihm den Weg über die perfekte Welle – aber auch den plötzlichen Untergang. Wird dies der erste Schritt in die Vergangenheit sein?

Crisse hat sich redliche Mühe gegeben, die Entwicklung einerseits nuanciert, andererseits auch ziemlich zügig zu forcieren, und letztendlich eine adäquate Fortsetzung zum starken Debütband kreiert. Er greift das Potenzial der Story von der ersten Seite an wieder auf, nimmt sich das Recht heraus, weiterhin zwei zunächst differenzierte Handlungsstränge aufzubauen und ausgeprägt darzustellen, eröffnet derweil ein etwas komplexeres, inhaltliches Puzzle und lässt auch keine Gelegenheit aus, den Feinschliff seiner beiden Rohdiamanten Canari und Wayne zu erledigen. Insofern dürfte es also kaum verwundern, wenn der Zuspruch für „Die letzte Welle“ ähnlich groß sein wird wie im November letzten Jahres das Interesse an „Die goldenen Tränen“. „Canari“ hat sich längst zum absoluten Geheimtipp gemausert und ist als solcher nicht nur eine Empfehlung, sondern nun auch im Doppelpack einen verpflichtenden Eintrag auf dem Einkaufszettel wert. Dies allerdings in der Hoffnung, dass nicht wieder so viele Monate vergehen müssen, bis das dritte Hardcover-Album dieser Reihe endlich in den Regalen steht.

http://www.splitter-verlag.de/

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