Croggon, Alison – Gabe, Die (Die Pellinor-Saga 1)

Fantasy-Liebhaber sind heutzutage schwer gebeutelt: J. R. R. Tolkien ist längst verstorben, sodass leider keine weiteren großartigen Werke mehr aus seiner Feder zu erwarten sind, doch immer mehr teils nicht einmal sonderlich talentierte Schreiberlinge reihen sich in die Tradition Tolkiens ein, um ein Stückchen seiner Erfolgstorte abzubekommen. Was den Fantasy-Markt flutet, ist mitunter allerdings schwer verdaulich. Wenn jemand daherkommt wie Alison Croggon, deren |Pellinor-Saga| für zwei begehrte Fantasypreise nominiert wurde und die ihre Saga ähnlich umfangreich anlegt wie Tolkien, horchen üblicherweise alle Fantasy-Fans auf, doch regt sich auch eine gewisse Skepsis …

_Von der Sklavin zur Bardin_

Maerad fristet in Gilmans Feste ein trostloses Dasein als Sklavin. Eine Flucht erscheint ihr praktisch unmöglich. Langsam fühlt Maerad, wie sie innerlich verwelkt und ihre Hoffnung auf eine Flucht immer kleiner wird. Doch eines Tages, als sie in den Kuhstall zum Melken geschickt wird, bäumt sich die Kuh auf, weil sie einen geheimnisvollen Fremden spürt, den von den „Normalsterblichen“ allerdings niemand wahrnehmen kann, da der Barde Cadvan sich unsichtbar gemacht hat. Zu dessen eigener Überraschung kann Maerad ihn allerdings sehen – denn sie trägt selbst die Gabe in sich. Da Cadvan große Kräfte in Maerad entdeckt, bietet er ihr an, ihn auf seiner eigenen gefährlichen Reise zu begleiten. Maerad kann ihr Glück kaum fassen und muss nicht lange nachdenken, denn nichts scheint ihr trostloser und auswegloser als das Leben in Gilmans Feste. So belegt Cadvan die beiden mit einem Bann, sodass sie fortan von den Blicken anderer Menschen verschont bleiben.

Ihre Flucht ist schnell bemerkt, doch weiß Cadvan die verfolgenden Hunde zu besänftigen, denn Barden können auch mit Tieren kommunizieren – eine Gabe, die Maerad bei sich selbst erst recht spät in diesem Buch entdeckt. Noch weitere Gefahren begleiten die beiden auf ihrem Weg; so will Cadvans Widersacher einen ganzen Berg über den beiden Flüchtenden zusammenstürzen lassen, und erst, als die beiden Barden ihre Kräfte zusammentun, können sie ihren Weg fortsetzen. Auch böse Werwesen greifen Maerad und Cadvan an. Doch je mehr Gefahren die beiden bedrohen, umso mehr Kräfte entdeckt Maerad an sich, was sich auch im weiteren Verlauf der Geschichte fortsetzen wird.

Frieden kehrt für die beiden Weggefährten erst ein, als sie Inneil erreichen. Dort finden sie bei Silvia und Malgorn Unterschlupf, die die ausgezehrte Maerad erst einmal aufpeppeln und mit schicken Gewändern umhüllen. In Silvia findet Maerad so etwas wie einen Mutterersatz, sodass es ihr schwerfällt, Inneil wieder zu verlassen. Doch die gefährliche Reise geht für die beiden noch weiter, denn Cadvan will seinen ehemaligen Lehrer finden, außerdem soll Maerad als Bardin eingeführt werden, und die hohe Sprache muss noch in ihr erwachen. Vieles steht den beiden also noch bevor, aber natürlich wird nicht alles so einfach vonstatten gehen …

_Dieser Weg wird kein leichter sein_

Alison Croggon erzählt die Geschichte von der verlorenen Zivilisation von Edil-Amarandh und vom Rätsel des Baumlieds. Denn darum wird sich in den folgenden Bänden wohl alles drehen. Cadvan ist nämlich auf der Suche danach, um sein Land vom Bösen zu befreien, denn der Namenlose bedroht die ganze Zivilisation. Natürlich gibt es auch eine Offenbarung, in der von einer Auserwählten die Rede ist. Cadvan identifiziert Maerad schnell als die Auserwählte, doch erst, wenn sie als Bardin eingeführt wird und ihren wahren Namen erhält, wird man sehen, ob sie wirklich den richtigen Namen tragen wird und somit als Auserwählte das Böse besiegen kann.

Es sind die üblichen Zutaten, die Alison Croggon in ihrer |Pellinor-Saga| vermischt: Das Böse bedroht die Welt und nur eine kleine Ansammlung von Menschen versucht, das Böse abzuwenden, steht aber auf recht verlorenem Posten da. Doch verspricht eine Offenbarung Rettung durch eine bislang unbekannte Auserwählte, die so große Kräfte und Fähigkeiten besitzt, dass sie das Land retten kann. Und hier kommt dann auch Maerad ins Spiel, die zunächst noch nicht ahnt, welch gewichtige Rolle sie spielen soll. Cadvan ist ihr Retter, der sie zunächst allerdings in weitere Gefahren bringt. Diese lassen sich jedoch nicht vermeiden, zumal Maerad sie als angenehmer empfindet als ihre Gefangenschaft in Gilmans Feste. Cadvan mutiert zum Lehrer für die junge Magierin, die nur langsam ihre Fähigkeiten entdeckt, diese aber noch nicht gezielt einzusetzen weiß. Auch ein kostbares Instrument trägt sie bei sich, das ähnlich wie Frodos Kettenhemd aus dem „Herr der Ringe“ wertvoller ist als alles andere in dieser Welt Bekannte.

Natürlich dürfen die Bösen in dieser Saga nicht fehlen, und auch hier entdecken wir Parallelen zum „Herr der Ringe“, denn ähnlich wie dort die Orks zum Bösen mutierte Elben darstellen, treffen wir hier auf Dunkle Barden, die sich ebenfalls vom Guten abgewandt haben. Noch weitere Parallelen zum „Herr der Ringe“ tun sich auf, nämlich ausschweifende Landschaftsbeschreibungen, wie Tolkien sie geliebt hat. Doch im Gegensatz zu Tolkiens poetischen Beschreibungen, die eine märchenhafte Schönheit zu vermitteln wissen, langweilen Croggons Ausführungen immer mehr, denn was ihrem Buch fehlt, ist leider der rote Faden. Bevor sie überhaupt Spannung aufbaut und dem Leser mitteilt, worum es gehen soll, wo(durch) die Gefahr droht und wie man Abhilfe schaffen kann, begeben Cadvan und Maerad sich auf eine ewig lange Reise.

Hier geizt die australische Autorin nicht mit ellenlangen Beschreibungen – ein willkürliches Beispiel: |“Die nächsten beiden Tage ritten sie weiter durch das Moor, dem Verlauf des Flusses folgend, und hielten sich dabei so dicht wie möglich an den Bäumen. Sie sahen keinerlei Tiere und hörten nur Grillen und Frösche oder den durchdringenden Schrei eines Adlers hoch über ihnen. Da zahlreiche kleine Rücken und Rinnen das Gelände zerfurchten, kamen sie nur langsam voran. Häufig stießen sie auf seltsame Gruben, als wäre die Erde dort irgendwann gewaltsam aufgebrochen worden. Der Boden war übersät mit Quarz- und Granitbrocken, die eine fortwährende Bedrohung für die Hufe der Pferde darstellten. Das Wetter blieb kalt und grau. Immer wieder setzten frostige Regen- oder Schneeregenschauer ein, die ebenso jäh endeten, wie sie begannen. Der Wind hingegen wehte ständig: ein bitterkalter Luftstrom, der ohne Unterlass über die Anhöhen und Felsen pfiff. Die endlosen braun- und Grautöne versetzten Maerad nach und nach in eine gelangweilte Benommenheit. […]“|

Die Beschreibung geht noch einige Zeit so weiter und hat auch mich in gelangweilte Benommenheit versetzt. Croggons Schreibmuster ist sehr eintönig: Cadvan und Maerad betreten eine neue Landschaft, die ausschweifend beschrieben wird. Maerad ist erschöpft, hat allerdings eine düstere Vorahnung, die sie ihrem Begleiter nicht mitteilen möchte. Die beiden ruhen sich aus und werden von einer Gefahr bedroht, die in einem Kampf abgewendet wird. Die beiden freuen sich über den Sieg, ziehen weiter und betreten die nächste Landschaft, womit sich der Kreis schließt.

_Zwei gegen den Rest der Welt_

Im Mittelpunkt des gesamten Buches stehen Maerad und Cadvan, die sich allmählich immer besser kennen- und schätzen lernen. In einem Seelenblick entdeckt Cadvan viel Elend, das Maerad verdrängt hat. Er erfährt, wer ihre Mutter und was mit ihrer Familie geschehen ist. Später wird Cadvan allerdings eine düstere Seite offenbaren, die Maerad so viel Angst einjagt, dass ihr Vertrauen in ihn schwer erschüttert wird. Doch dieser Zwist ist schnell ausgeräumt; in einem innigen Gespräch kann Cadvan die Gewitterwolken weiterschieben, sodass ihrer weiteren Freundschaft nichts mehr im Wege steht.

Alison Croggon legt viel Wert auf ihre Charakterzeichnung, sodass wir beide Hauptprotagonisten im Laufe der Geschichte sehr gut kennenlernen. Leider jongliert die Autorin allerdings mit vielen Klischees, die man in zu vielen anderen Büchern bereits gelesen hat. Auch wirken die Charaktere reichlich weichgespült; Ecken und Kanten sind erst zu entdecken, als Cadvan von seiner eigenen Vergangenheit berichtet und einige Fehler offenbaren muss. Und auch diese wirken reichlich aufgesetzt. Insgesamt bin ich mit den beiden nicht recht warm geworden. Obwohl Maerad mich in Ansätzen an Sonea aus Trudi Canavans [„Gilde der schwarzen Magier“ 4746 erinnert hat, konnte ich mich in Maerad doch nie hineinversetzen und habe auch nicht mit ihr fühlen können.

Auch sprachlich stolpert man immer wieder über Kleinigkeiten, über Druckfehler und merkwürdige Satzkonstruktionen, bei denen ich nicht weiß, ob das Original bereits Schwächen hatte oder ob der Übersetzer diese Stolpersteine eingebaut hat. Ein Beispiel: |“Cadvan blieb auf der Hut, und Maerad unterstützte ihn trotz ihrer Müdigkeit dabei.“| Wie man jemanden dabei unterstützen kann, auf der Hut zu sein, ist mir allerdings ein Rätsel …

_Spannung, wo bist du?_

Am meisten fehlt dem Buch ein erkennbarer Spannungsbogen. Ich wusste lange Zeit nicht, worauf Alison Croggon hinauswill, und musste mich durch ellenlange Landschaftsbeschreibungen kämpfen. Erst kurz vor Schluss hatte ich das Gefühl, nun weiterlesen zu müssen, um zu erfahren, wie es weitergeht. Doch endet der erste Band der |Pellinor-Saga| genau in dem Moment, als die Geschichte ein wenig ins Rollen gekommen ist. Eine knapp 500-seitige Einleitung in ihre Tetralogie halte ich für arg übertrieben. Deutlich mehr Kürze hätte dem Buch sehr gut getan, denn in einem Wust an ausschweifenden Beschreibungen geht die eigentliche Erzählung völlig unter.

Alison Croggon schafft es leider nicht, eine Welt aufzubauen, in die man versinken kann und in der man sich wohlfühlt. Gemeinsam mit ihren beiden Hauptfiguren hetzen wir durch die Gegend, trotzen Gefahren und schauen in trostlose Landschaften. Potenzial ist erkennbar, aber was unter dem Strich herausgekommen ist, ist leider nur krampfhaft konstruiertes Mittelmaß – schade!

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