Croix, Guillaume de la – Wie Tom Cruise mein Leben stahl

|“Du sollst zittern, kleiner Tom. Ich kenne das schreckliche Geheimnis, das du hinter deinem legendären Ultrabright-Lächeln und deiner fetten Sonnenbrille verbirgst. Ich weiß noch nicht, wie du es geschafft hast, aber denk nur nicht, dass du so einfach davonkommst, du Mistkerl. Du bist schuldig, und du wirst bestraft werden. Heute steht dein Name für Ruhm und Geld, morgen aber ruft er nur noch Wut und Ekel hervor. Man streicht ihn von allen Plakaten und aus allen Vorspannen der Filme, in denen du mitgespielt hast. Selbst deinen Bronzestern am Hollywood Boulevard wird man herausreißen. Was für ein Niedergang! Was für ein tragisches Ende für einen Mann wie dich, der vor Geld und Berühmtheit nur so zum Himmel stinkt!“|

Mit diesen Worten beginnt Guillaume de la Croix‘ Abrechnung mit Tom Cruise, der dem französischen Autor das Leben gestohlen hat. Das Leben gestohlen? Wie soll das denn gehen? Eine gute Frage, die ich mir vor dem Buchkauf auch gestellt habe, um sie von de la Croix beantwortet zu bekommen, doch Fehlanzeige. Um diese Frage laviert sich der Autor geschickt herum. Mag diese Frage auch der Aufhänger für viele Buchkäufer gewesen sein, so stellt der Leser dann fest, dass es in diesem Buch vordergründig doch um ganz etwas anderes geht als um den Diebstahl fremden Lebens, wie auch immer dieser vonstatten gehen mag.

Doch Guillaume de la Croix‘ Rache ist mit dieser Drohung noch lange nicht beendet. Als der etwas übergewichtige französische Autor im Fernsehen Tom Cruise sieht, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Tom Cruise ist |er|, der berühmte Hollywood-Star hat ihm, dem unbekannten und bemitleidenswerten Guillaume de la Croix, das Leben gestohlen! De la Croix beschließt, den berühmten Schauspieler vor Gericht anzuklagen. Als Tom Cruise den besten Anwalt Hollywoods engagiert und de la Croix‘ Anwalt darauf besteht, eine dubiose Astrologin als Zeugin der Anklage aussagen zu lassen, sieht de la Croix seine Felle schwimmen. Als jedoch überraschend Gott als Zeuge gegen Cruise aussagt, ist das Urteil gefällt. Tom Cruise verschwindet fortan in der Versenkung, während bei Guillaume de la Croix schon bald Steven Spielberg anklingelt, um dem neuen Star Hollywoods zu seiner ersten Filmrolle zu verhelfen.

Für Guillaume de la Croix beginnt eine scheinbar wunderbare Zeit, er wird der bekannteste Schauspieler Hollywoods. Bis auf eine Ausnahme sackt er jedes Jahr den Oscar für den besten männlichen Hauptdarsteller ein, in einem Jahr sogar den Oscar für die beste weibliche Hauptdarstellerin, als er einen Transvestiten spielt. De la Croix räumt in Hollywood ab, was es abzuräumen gibt. Im Buch abgedruckt sind bereits einige Zeitungszitate von Guillaume de la Croix, die seine unglaubliche Popularität dokumentieren, und auch Bildunterschriften, die im Laufe der kommenden Jahre vom Leser mit den entsprechenden Zeitungsfotos zu ergänzen sind.

Je weiter die Handlung fortschreitet, umso abstruser werden die Dinge, die uns Guillaume de la Croix zu präsentieren hat. Sein Ruhm erreicht bislang unbekannte Grenzen, er kann jede Frau haben, die er sich wünscht und hat trotzdem eine liebende Frau an seiner Seite, die bis zuletzt zu ihm hält. De la Croix wird so berühmt, dass sogar Kaugummi mit dem mutmaßlichen Geschmack seines Spermas produziert wird. Doch zum Ende hin muss der Star erkennen, dass Ruhm und Popularität vielleicht doch nicht alles sind. Besonders bitter fällt Guillaume de la Croix‘ zweites Treffen mit Gott aus, als er erfährt, was eigentlich wirklich gespielt wurde. Mit diesem Ende hatte wohl niemand gerechnet, schon gar nicht de la Croix, der diesen Schlag erst einmal zu verdauen hat …

Als hätte es Guillaume de la Croix geahnt, erscheint seine „Lebensbeichte“ zu einer Zeit, in der Tom Cruise fast ausschließlich negative Schlagzeilen schreibt und kurz vor seinem Rauswurf bei Paramount Pictures steht, denen seine übertriebene Scientology-Werbung zu viel des Guten wurde. Fast könnte man vermuten, de la Croix hätte seine Finger im Spiel gehabt, denn die Sterne scheinen für Cruise im Moment tatsächlich nicht so gut zu stehen, während Guillaume de la Croix mit seinem spitzfindigen Roman aufhorchen lässt.

Spritzig und voller Wortwitz wird uns die wahre Geschichte Hollywoods erzählt, eine Geschichte, die auf den ersten Blick voller Geld und Glamour steckt, die hinter der Fassade allerdings viel mehr offenbart. Hollywood bedeutet nicht nur Erfolgsgeschichten, der Stern eines Stars kann schneller sinken, als es ihm lieb ist, außerdem droht das nahende Alter, das in Hollywood als schwerwiegender als eine Krebserkrankung betrachtet wird. Guillaume de la Croix verrät uns zwar nicht, wie Tom Cruise es geschafft hat, ihm sein Leben zu stehlen, aber er zeigt dafür ganz andere Dinge auf. Völlig schonungslos deckt er die Macken der Hollywoodstars auf und ihre übertriebene Dekadenz; Guillaume de la Croix nimmt kein Blatt vor den Mund und spielt den Prototypen des arroganten Schauspielers, der ohne Ende Geld scheffelt, gleichzeitig aber alle andere Menschen ausnutzt und sich fast ausschließlich von Alkohol und Drogen ernährt. Das makellose Bild Hollywoods beginnt durch Guillaume de la Croix‘ Feder zu bröckeln.

Auch wenn man also mit falschen Erwartungen an dieses Buch herangeht, beschert es einem doch eine vergnügliche Lesezeit, die angesichts des stolzen Taschenbuchpreises von 12 € allerdings sehr gering ausfällt. Das schmale Büchlein umfasst gerade einmal 280 Seiten, von denen etliche leider unbedruckt geblieben sind. Schade, dass dieser überteuerte Preis sicher einige Leser von diesem Buch abhalten wird, denn auch wenn wir wohl niemals erfahren werden, wie Guillaume de la Croix sich den Diebstahl fremden Lebens vorstellen mag, hält dieses Buch doch einige positive Überraschungen bereit und bringt unsere Vorurteile gegenüber Hollywood in amüsanter und lesenswerter Weise auf den Punkt.

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