Kevin Crossley-Holland – Artus – Der magische Spiegel (Band 1)

Wer sich einmal etwas näher mit der Artus-Sage befasst hat und einen der unzähligen Romane zu diesem bereits unzählige Male verarbeiteten Thema gewälzt hat, wird der Geschichte sicherlich kaum noch etwas abgewinnen können. Schließlich unterscheiden sich die verschiedenen Abhandlungen nur in geringen Details voneinander. Warum also jetzt einen weiteren Anlauf starten, gerade wo die hier vorliegende Auflage in erster Linie auf ein eher jugendliches Publikum zugeschnitten ist? Nun, ganz einfach: Autor Kevin Crossley-Holland betrachtet die Sage aus einer ganz anderen Perspektive und kopiert die vielen Vorlagen nicht blindwegs nach. In seiner mittlerweile schon zum dritten Mal aufgelegten Trilogie (hier erstmals im Taschenbuchformat erhältlich) beschreibt er die Geschichte aus der Sicht des jungen Artus. Und dies liest sich im ersten Band „Der magische Spiegel“ wie folgt:

Story

Caldicot, Wales im Jahre 1199: Der erst 13-jährige Artus träumt schon seit langem davon, eines Tages in den Stand der Ritter aufgenommen zu werden. Doch sein Vater, der Graf de Caldicot, scheint von dieser Idee nicht sonderlich begeistert zu sein; lange hält er sich bedeckt, was seine Vorstellungen vom späteren Leben seines Sohnes anbelangt. Dass dieser jedoch ein Ritter werden soll, kann er sich nur schwer vorstellen, schließlich ist sein älterer Bruder schon zu dieser Ehre gekommen. Seine Abenteuerlust lebt Artus deswegen zunächst einmal auf andere Weise aus; sein bester Freund, der Zauberer Merlin, schenkt ihm nämlich eines Tages einen wertvollen Stein, einen spiegelgleichen Obsidian, dessen magische Kraft Artus in ganz andere Welten entführt. Hier stößt er auf eine Geschichte, die ebenfalls von einem jungen Mann namens Artus handelt. Hier erkennt der ‚reale‘ Artus all seine Träume und Visionen wieder; das Spiegelbild aus dem Stein bestreitet nämlich ritterliche Turniere und glorreiche Kämpfe und erlangt durch seine Tapferkeit eines Tages die Position des britischen Königs. Doch zu diesem Zeitpunkt weiß Artus noch nicht, dass die Schicksale der beiden Namensvettern sehr eng miteinander verknüpft ist …

_Meine Meinung_

Ja, „Der magische Spiegel“ ist ein Jugendbuch, und ja, es gibt auch hier zahlreiche Parallelen zur ursprünglichen Fassung der Saga, und dennoch: Die Variante von Kevin Crossley-Holland bietet endlich mal etwas Abwechslung zur andrenorts teilweise nur noch plump aufgearbeiteten Abhandlung der britischen Legende. Die Figuren sind natürlich dieselben und der Verlauf weitestgehend ähnlich, jedoch bekommt die Erzählung durch den Einbezug der Parallelwelt eine ganz andere Perspektive, die aus dem mehrfach gelesene Traditionswerk tatsächlich noch einmal eine echt spannende Abenteuergeschichte macht.

Natürlich könnte man im Bezug auf die handlungstechnische Innovation einiges kritisieren, wenn einem die Story bereits geläufig ist. Ich meine, wen wundert’s, dass der erträumte Artus und der ‚echte‘ im Grunde genommen das gleiche Schicksal verkörpern? Warum soll das Buch spannend sein, wenn sich der wesentliche Verlauf vorab erahnen lässt? Diese Fragen darf man mit Berechtigung stellen, und trotzdem müssen sie nach dem Genuss dieses kurzweiligen Jugendromans sofort abgewiesen werden. In „Der magische Spiegel“ werden nämlich ganz neue Träume geweckt und letztendlich auch ausgelebt. Außerdem lernt man hier nicht nur den Ritter Artus kennen, der Ruhm und Ehre erlangen konnte, sondern auch das Kind, das bei weitem noch nicht mit dem Selbstvertrauen ausgestattet ist wie die spätere Legende. Weiterhin wird hier vermehrt Wert auf eine detailliertere Darstellung des Verhältnisses zwischen Vater und Sohn gelegt und nicht etwa auf die Zeiten von Glanz und Gloria, mit denen die Sage fast ausschließlich in Verbindung gebracht wird.

Diese Aspekte bringen frischen Wind in die leider etwas angestaubte historische Erzählung und machen den ersten Band dieser Trilogie schon einmal zu einem sehr lesenswerten Roman, der trotz der ziemlich einfachen Sprache auch für ältere Generationen bestens geeignet ist – auch wenn die Entwicklung des Plots im Prinzip schon vorab feststeht. Ich freue mich bereits auf die Fortsetzung!

Taschenbuch: 424 Seiten
Originaltitel: Arthur – The Seeing Stone
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