Curley, Marianne – Hüter der Zeit, Die

Die Australierin Marianne Curley verbindet auch in ihrem zweiten Buch der „Zeithüter“-Reihe Geschichtliches mit der Gegenwart, doch stellt sie dem jungen Ethan diesmal eine Mitstreiterin an die Seite.

Ethan wirkt nach außen vielleicht wie ein ganz normaler Junge, doch auf seinen Schultern lastet eine schwere Aufgabe. Er ist ein Zeithüter, das bedeutet, er ist mit magischen Kräften ausgestattet, die es ihm erlauben, zurück in die Zeit zu reißen und dort einzugreifen. Die Gegenspieler der Zeithüter, die Göttin Chaos und ihr Gefolge, versuchen nämlich, Verderben in die Welt zu bringen, indem sie bestimmte historische Ereignisse ändern. Die Auswirkungen auf die Gegenwart wären in jedem Fall enorm, deshalb müssen Ethan und seine Wachen immer auf der Hut sein.

Dieses Jahr wird Ethan eine große Ehre zuteil. In seiner Karriere als Wächter erklimmt er die nächste Stufe und bekommt eine Schülerin an seine Seite gestellt. Erschrocken stellt er fest, dass es sich dabei um Isabel handelt, die Schwester seines einst besten Freundes Matt, der sie wie ein Augapfel hütet. Damals hat ein Mädchen die beiden Freunde auseinander gebracht und natürlich ist es Matt nicht besonders recht, als Ethan plötzlich jeden Tag mit Isabel an einem „Geschichtsprojekt“ arbeitet.

Trotzdem schafft er es, das kluge Mädchen zu einer Heilerin auszubilden und sie auf die Missionen, also die Zeitreisen, vorzubereiten. Am Anfang sind es harmlose, kleine Aufträge, doch plötzlich kommt der Riese Marduke ins Spiel, der vor über zehn Jahren Ethans große Schwester umgebracht hat. Er träumt, wie Marduke Isabel in seine Gewalt bringt, doch Marduke erweist sich als ausgesprochen reale Bedrohung und plötzlich ahnt Ethan, dass es mit dem veränderten Verhalten seines Vaters seit dem Tod seiner Tochter etwas ganz anderes auf sich haben könnte. Schließlich kommt es zur all entscheidenden Schlacht …

„Bildgewaltige Verquickung von Fantasy und Geschichte […]“, behaupten die Westfälischen Nachrichten auf dem Buchumschlag, doch davon ist nicht wirklich viel zu spüren. Aufgrund der spartanischen Beschreibungen von Situationen und Orten verkommt die Geschichte mehr als Mittel zum Zweck und ist zu wenig ausgebaut, um als eigenständige Komponente durchzugehen.

Möglicherweise ist das aber nicht zum Schaden des Buches, denn das Weglassen von Nebenhandlungen und großartigen Ausführungen lässt „Die Hüter der Zeit“ zu einem geradlinigen, spannenden Jugendfantasybuch ohne viel Handlungstiefe werden. Der Verzicht auf kompliziert aufgebaute und durchkomponierte Welten kann zur Abwechslung mal sehr entspannend sein. Abgesehen von einigen Längen am Anfang und dem Fehlen eines wirklichen Höhepunkts, der stattdessen durch nhaltende Spannung auf hohem Niveau ersetzt wird, lassen sich die knapp 400 Seiten flüssig lesen und erfreuen durch Kurzweil.

Ein kleines Manko ist jedoch die Uneigenständigkeit von Curleys Literatur. Sie schreibt zwar auf hohem Niveau, doch ein wirklich eigener Stil möchte sich nicht einstellen. Der fehlende Handlungstiefgang lässt das Buch stellenweise sehr an der Oberfläche schwimmen, obwohl die Autorin anhand der beiden Ich-Erzähler-Perspektiven das Gegenteil bewirken möchte. Der knappe, schön schildernde Erzählstil legt viel Wert auf Gedanken und Gefühle von Isabel und Ethan. Schülerin und Ausbilder für diese Perspektiven zu benutzen, ist sicherlich ein geschickter Schachzug, doch leider fehlt es den beiden an Individualität in Bezug auf Persönlichkeit und Stil. Das ist stellenweise sehr verwirrend und manchmal fällt der Übergang von einer zur anderen Ich-Perspektive schwer.

Die massenhaft benutzte rhetorische Frage zur Auflockerung und Darstellung von extremen Gefühlen nutzt sich schnell ab und stört das Lesevergnügen an einigen Stellen empfindlich. Gleiches gilt für die Dialoge, die seltsam hölzern, manchmal geradezu gekünstelt wirken. Das mag eventuell auch an der Übersetzung liegen, aber sie schwächen das eigentlich positive Gesamtbild.

Doch es gibt nicht nur Negatives zu sagen. In der Summe ist „Die Hüter der Zeit“ ein gutes, aber nicht herausragendes Buch, dessen Handlung sich sehen lassen kann. Die fehlende Eigenständigkeit ist ärgerlich, doch für ein leichtes Lesevergnügen ist das Buch durchaus geeignet. Und zwar nicht nur für Jugendliche.

http://www.dtv.de

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