Clive Cussler/Dirk Cussler – Geheimcode Makaze [Dirk Pitt 18]

Durch die Verbreitung einer Super-Seuche will der Schurkenstaat Nordkorea die US-amerikanische Schutzmacht in die Knie zwingen, doch da seien Dirk Pitt, seine Kinder und die Unterwasser-Fexe der NUMA vor … – Rasanter Thriller (= Band 18 der Dirk-Pitt-Serie), der seine „America-first!“-Plattitüden so naiv präsentiert, dass sie sich kaum störend in die Ablauf dieses nach Schema F zusammengerührten, aber unterhaltsamen Rettet-die-Welt-Spektakels fügen: altmodischer Action-Spaß, der recht gut funktioniert.

Das geschieht:

In den letzten Monaten des II. Weltkriegs wagte die Kaiserliche Japanische Marine einen verzweifelten Versuch, die scheinbar unweigerliche Niederlage zu verhindern: Das Unterseeboot I-403 sollte die Westküste der Vereinigten Staaten ansteuern und dort Pockenviren freisetzen. Die infame Attacke misslang, das U-Boot wurde versenkt, die Bomben mit dem „Schwarzen Wind“ gingen mit ihm unter.

Sechs Jahrzehnte später untersuchen Wissenschaftler ein Seelöwen-Sterben vor der Inselkette der Aleuten. Sie entdecken keine Seuchen oder Umweltgifte. Stattdessen scheinen Wilderer den Tieren mit Blausäure zu Leibe zu rücken. Das Team fällt dem Gift beinahe zum Opfer, wird aber in letzter Sekunde von der Crew eines zufällig seinen Weg kreuzenden Forschungsschiffs der „National Underwater & Marine Agency“ gerettet. Dirk Pitt jr., der für die NUMA Spezialprojekte leitet, entdeckt wenig später das Wrack von I-403 und die Trümmer der tödlichen Fracht. Eine Virenbombe ist verschwunden; sie wurde offensichtlich kürzlich unversehrt geborgen.

Währenddessen fallen in Japan mehrere US-Diplomaten und andere hochrangige Amerikaner diversen Attentaten zum Opfer, was zu Spannungen zwischen beiden Staaten führt. Diese werden inszeniert und heimlich geschürt vom Industriemogul Kang, einem Spion Nordkoreas, der die Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea einleiten will. Da die US-amerikanischen Truppen, die Südkorea vor dem kommunistischen Norden schützen, dies verhindern würden, plant Kang, der zufällig von den japanischen Pocken-Bomben erfahren hatte, diese über die USA zu verstreuen und die Welt damit in einen Aufruhr zu versetzen, der diese Nordkoreas Coup vergessen ließe.

Dirk Pitt und seine Schwester Summer setzen sich auf Kangs Fährte. Der skrupellose Schurke scheint sich alle Gegenmaßnahmen abgeschirmt zu haben, aber er unterschätzt die Findigkeit der NUMA und ihres Leiters: Dirk Pitt sen., der die freie Welt schon öfter im Alleingang retten musste …

Naivität kann charmant sein

Die Welt ist in jeder Beziehung ein komplexer Mechanismus. Das betrifft nicht nur die Natur, sondern schließt die politische, kulturelle oder wirtschaftliche Realität des Menschen ausdrücklich ein. Niemand hat hier den Überblick, niemand kann ihn haben. Was freilich noch nie gewisse Zeitgenossen daran gehindert hat es zu behaupten. Zu ihnen gehören nicht nur aber auch jene US-amerikanischen Eiferer, die davon überzeugt sind, diese Erde zu einem besseren Ort machen zu können, wenn man sie nur hart genug durchgreifen ließe. Namen müssen an dieser Stelle nicht genannt werden, und dass sich entsprechende Träume noch immer zu Schäumen oder Albträumen entwickelt haben, ist ebenso traurige Tatsache.

Das hindert einen alten Kämpen wie Clive Cussler nicht, seine persönliche Version dieser Vision zumindest literarisch unverdrossen in Worte zu fassen. Wenn es nach ihm ginge, wäre die US-Regierung ausführendes Organ einer realen NUMA, denn nur diese weiß, was wirklich gut ist für Mutter Erde. Das Buhlen um Wählerstimmen, die Jagd nach dem Dollar, der Kotau vor den Medien – das ist einer wahren Führung unwürdig, die von Idealisten gelenkt werden sollte, von denen es – der Kreis schließt sich – in der NUMA förmlich wimmelt.

Der erste Schritt ist getan; Ex-NUMA-Chef Admiral Sandecker ist inzwischen zum Vizepräsidenten aufgestiegen und schanzt ‚seiner‘ Agency Geld und Macht zu, damit diese wenigstens auf den Weltmeeren für (amerikanische) Ordnung sorgen kann. So verfügen die Pitts – drei sind es inzwischen – und ihre treuen Paladine stets über die Mittel für tolles Hightech-Spielzeug, mit dem sie den Erdball ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Kosten überfliegen, untertauchen oder anderweitig durchqueren und dabei noch ihrer Abenteuerlust frönen können.

Dr. No – Goldfinger – Kang

Dieses Mal geht es – war es je anders? – gegen einen Super-Schurken, der die Welt an den Rand des Abgrunds treiben will, um ungestört böse sein zu können. Dem Verfasser die Dämlichkeit des Plans vorzuhalten, die Eroberung Südkoreas mit Hilfe einer Super-Seuche in die Wege zu leiten, wäre Energieverschwendung, denn das Pitt-Universum ist ein Märchenland der – scheinbar – reinen Unterhaltung und Dirk Pitt der James Bond dieses Landes; vielleicht sollte man ihn besser als Sean Connery, den Ex-Bond im Ruhestand, betrachten, denn auch Pitt sen. zieht sich allmählich aus dem aktuellen Geschäft der Weltrettung zurück und überlässt diesen Job seiner Brut.

Wie James Bond finden die Pitts ihre Gegner vor allem im russischen und asiatischen Raum. Auch heute noch wimmelt es dort aus Sicht von Joe & Jane von Kommunisten und Fu-Man-Chus, die neuerdings von der Russen-Mafia und Al-Kaida unterstützt werden. Den Nahen Osten meidet Cussler vorsichtshalber, da die Amerikaner dort ihr Versagen täglich allzu offensichtlich unter Beweis stellen. Er erfindet lieber einen Finsterling und stattet ihn mit allem aus, das Hollywood an einschlägigen Klischees bereithält.

Kang ist denn auch eine lächerliche Figur, die den genialen Schurken nur spielt. Das muss er, denn seine Kontrahenten sind nicht weniger unglaubwürdig. Dirk jr. und Summer Pitt benehmen sich wie High-School-Rabauken, wenn sie Kang und seinen Schergen gegenüberstehen; sie reißen dumme Sprüche und reizen Kang mit ihren dümmlichen Sticheleien bis zur Weißglut. Vielleicht vergisst der Leser darüber wenigstens die Frage, wieso weder Kang noch sein Killerknecht Tongju die Pitt-Kids eliminieren. Stattdessen werfen sie die Zwillinge wieder und wieder in narrensichere ‚Todesfallen‘, denen sie prompt entkommen, um ihre Häscher erneut zu piesacken …

Cusslers Traum von der „Lex Americana“

Ja, Dirk und Summer können alles, überstehen alles und sehen auch noch toll aus. Wenn doch einmal brenzlig wird, streicht Papa Pitt sich das leicht silbrig gewordene Haupthaar zurück und stürzt sich wieder ins Getümmel. Welche Lumpen-Organisation könnte dieser geballten Dreifaltigkeit gewachsen sein?

In Clive Cusslers Schwachstrom-Hirnwelt ist es notwendig, dafür die wahre Macht der Welt – die USA – zu lähmen. Dafür bedarf es nur einer relativ kleinen Schar entschlossener Widerstandskämpfer und/oder Terroristen, was allerdings eine Wahrheit ist, die Cussler lieber ignoriert bzw. nur den Faktor Heimtücke übernimmt. Der Kampf gegen Kang ist – da mache man sich nichts vor – die Blaupause der Wunschvorstellung vom US-Krieg gegen den Terror. Hier gelingt, was im realen Leben mit hässlicher Regelmäßigkeit versaubeutelt wird: der quasi chirurgische militärische Eingriff, der die terroristische Pestbeule vollständig und ohne Kollateralschäden entfernt.

Der Traum wird gekrönt von der Vorstellung einer Restwelt, die den USA dankbar zujubelt und auf ihre Linie einschwenkt, weil sie begriffen hat, dass nur auf diese Weise das Heil zu erreichen ist: Exakt diese Weltsicht stellt Cussler in dem entlarvenden Epilog-Kapitel „Abstimmung“ zur Schau. Das ist sogar noch peinlicher geraten als sein üblicher Auftritt im eigenen Roman, den er sich auch dieses Mal nicht verkneifen kann: betrübliche Egozentrik eines alternden Autors, der sich selbst immer noch als Haudegen sehen möchte.

Business as usual

Die Action-Elemente von „Geheimcode Makaze“ funktionieren – mehr oder weniger, denn auch im 18. Roman der Pitt-Serie weicht Cussler keinen Deut von seinem Erfolgsrezept ab. Ein Geheimnis der Vergangenheit wirkt sich nachhaltig auf die Gegenwart aus, wo die Geschichte in eine vielhundertseitige Hetzjagd kreuz und quer über den Globus übergeht und in einem Rettung-in-letzter-Sekunde-Finale der meist explosiven Art gipfelt. Die Elemente werden ausgetauscht, während die Grundstruktur unverändert bleibt. Nur die erstaunliche Fabulierkunst der Cusslers lässt den Leser ihnen immer wieder auf den Leim gehen, obwohl ihre Romane bar jeglicher Originalität sind.

Tatsächlich erwartet das Stammpublikum diese Konformität. Es greift zum aktuellen Pitt-Roman und darf sich darauf verlassen, dass es bekommt, wofür der Kaufpreis entrichtet wurde. Keine Experimente bedeutet zwar keine Überraschungen, aber dafür eben auch keine Enttäuschungen. Spektakel satt und ökologische Weisheiten gratis, und zwischendurch klaut Al Giordano dem Bärbeiß Sandecker wieder seine guten Zigarren. Man mag Cussler nicht einmal böse sein, denn er bedient offensichtlich nur ein Kundenbedürfnis. Umsonst konnte er sein NUMAversum nicht zum Franchise ausbauen, für das (s. u.) gleich mehrere Autoren-Heuerlinge Beiträge produzieren.

So kann es noch geraume Zeit weitergehen, und so ist es wohl auch geplant, denn da Cussler nicht jünger wird, holte er sich Unterstützung an Bord. Die Pitt-Abenteuer verfasst er inzwischen gemeinsam mit Sohn Dirk (!), sodass grundsätzlich kein Anlass besteht, dem lukrative NUMAversum ein Ende zu setzen, auch wenn Cussler sr. oder Dirk Pitt d. Ä. einst in den Ruhestand treten oder gar in die ewigen Schurkenjagdgründe eingehen sollten.

Autor

Geboren 1931 in Alhambra, US-Staat Kalifornien, zog Clive Eric Cussler mit der Airforce in den Koreakrieg (wenn auch als Mechaniker und Bordingenieur, nicht als Kampfpilot, wie uns mancher Klappentext weismachen möchte …). Seinen Hang zur biografischen Ausschmückung sowie die Entwicklung eines lukrativen Franchises konnte Clive Cussler in den Jahrzehnten entwickeln, die er an der Spitze zweier Werbeagenturen verbrachte.

1973 versuchte er sich als Schriftsteller. Fast unbemerkt erlebte Dirk Pitt in „The Mediterranean Caper“ (dt. „Der Todesflieger“) sein erstes Abenteuer. Doch erst Opus Nr. 3 brachte den eigentlichen Durchbruch, nachdem Cussler sich seiner Erfahrungen aus der Werbebranche bediente und Hightech mit Spektakel zum Hochgeschwindigkeits-Thriller mischte: „Hebt die Titanic!“ war 1976 ein Bestseller (der 1980 sogar verfilmt wurde, aber zu Cusslers Kummer einen oberen Rang auf der Liste der schlechtesten Filme aller Zeiten belegt; seit 2005 macht ihm „Sahara“, ebenfalls nach einer Vorlage Cusslers entstanden, diesen Rang streitig); Cussler wurde zum reichen Mann.

Die Dirk-Pitt-Serie baute er zum Franchise aus. Inzwischen liefert Cussler primär ‚Ideen‘ für Thriller-Klone, die von anderen Autoren umgesetzt werden. In der Hauptserie geht ihm Sohn Dirk zur Hand. Die „Numa-Akten“ verfasst (seit 1999) Paul Kemprecos, für die „Oregon-Chroniken“ zeichnen seit 2003 Craig Dirgo bzw. Jack Du Brul. Um die Fans bei der Stange zu halten, gibt es Gastauftritte der jeweiligen Helden in den Serien der ‚Kollegen‘. 2007 gesellte sich Isaac Bell zu den genannten Haudegen; seine Abenteuer finden im frühen 20. Jahrhundert statt und werden seit Band 2 von Justin Scott geschrieben. 2009 ging das Schatzsucher-Paar Sam und Remi Fargo in den Einsatz.

Taschenbuch: 511 Seiten
Originaltitel: Black Wind (New York : G. B. Putnam’s Sons 2004)
Übersetzung: Oswald Olms
http://www.randomhouse.de/blanvalet

eBook: 3269 KB
ISBN-13: 978-3-641-15216-1
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