Arne Dahl – Tiefer Schmerz

Packend und vielschichtig: Angriff der Rachegöttinnen

Ein Zuhälter dient im Tierpark von Stockholm den Vielfraßen als Futter, ein arabischer Handy-Dieb wird auf den Schienen einer U-Bahn-Station zerstückelt und einem ehemaligen KZ-Häftling wird ein Draht in die Schläfe gestoßen … Diese eher privaten Lebensläufe verknüpft der Autor mit globalen Problemen, so dass sich mehr ergibt als „nur“ eine Kriminalgeschichte.

_Der Autor_

Arne Dahl ist das Pseudonym des schwedischen Krimiautors Jan Arnald, der für jene schwedische Akademie arbeitet, die alljährlich die Nobelpreise vergibt. Seine Romane um Inspektor Paul Hjelm werden laut Verlag von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen. 2004 wurde er mit dem wichtigsten dänischen Krimipreis ausgezeichnet, dem „Pelle-Rosenkrantz-Preis“. „Tiefer Schmerz“ erhielt 2005 den Deutschen Krimi-Preis. Mehr Infos unter http://www.arnedahl.net.

Weitere Dahl-Krimis sind:

Misterioso
Böses Blut]ht
Rosenrot
Falsche Opfer
Ungeschoren

_Der Sprecher_

Till Hagen ist die deutsche Stimmbandvertretung für Filmstars wie Kevin Spacey, Billy Bob Thornton und Kevin Kline. Er absolvierte die Schauspielschule in Berlin und war am Theater in Dortmund und Bielefeld engagiert. Seit 1977 ist der professionelle Rundfunksprecher beim RBB und anderen ARD-Sendeanstalten tätig. Er hat bislang alle Krimis von Arne Dahl vorgelesen.

Der Text wurde von Hannelene Limpach gekürzt. Die Aufnahmeleitung hatte Jan Philipp Grobst, die Technik des |Tramp*Studios| in Berlin dirigierte Markus Hofmann.

_Handlung_

Paul Hjelm von der A-Gruppe, der Abteilung des Reichskriminalamtes für Schwerverbrechen mit internationalem Charakter, ist verwundert: Das zehnjährige Mädchen liegt mit einer Schusswunde im Krankenhaus und keiner kann ihm sagen, wie es zu dieser Wunde gekommen ist. Die Kugel kam offenbar aus dem Nichts. Will man ihn verschaukeln? Da ruft ihn sein Kollege Jorge Chavez nach Skansen in ein Wildtiergehege. In dessen Nähe wurde das Mädchen angeschossen.

|Nr. 1|

In dem Freigehege werden Wölfe, Elche, Bären, Luchse und sogar Vielfraße gehalten. An einer Stelle haben Pfleger abgenagte Knochen gefunden, die noch in einem Hosenbein stecken – abgenagt von den großen Mardern, die von den Engländern als „wolverine“ bezeichnen werden. Ein Seilstück, ein Finger – mehr haben die gierigen Vielfraße nicht von dem übrig gelassen, was einmal ein Mensch war. Fünf Buchstaben, die mit Blut auf den Boden geschrieben wurden, liest Hjelm als EPIVU. Keine Ahnung, was das bedeuten soll.

Chavez glaubt an eine Hinrichtung. Oder war es eine Jagd? Zwischen dem Vielfraßgehege und der Stelle, wo das Mädchen angeschossen wurde, liegt das Wolfsgehege. Dort finden sie eine protzige Goldkette, eine Lugerpistole und eine mit Koks vollgeschmierte Pik-Dame-Spielkarte. Alles deutet auf einen bekifften Zuhälter hin. Aber wer war das Vielfraßopfer?

|Nr. 2|

Unterdessen befragen die Ermittlerinnen Kerstin Holm und Sara Svenhagen den Leiter eines als Asylantenheim getarnten Bordells. Vor kurzem seien nicht weniger als acht Frauen verschwunden, allesamt Ukrainerinnen und Weißrussinen. Hängt ihr Verschwinden mit dem Tod des Zuhälters zusammen, fragt man sich? Holm und Svenhagen arbeiten einen Zeitablauf heraus, der diesen Schluss exakt zulässt. Aber warum verschwanden die Frauen, wenn sie hier doch eine Art Arbeit hatten? Wurden sie in einen Zuhälterkrieg hineingezogen? Der Leiter der A-Gruppe Jan-Olof Hultin verteilt Aufgaben.

|Nr. 3|

Der A-Gruppen-Ermittler Viggo Norrlander, ein muskelbepackter Ex-Bodybuilder, betritt mit seinem Kollegen Gunnar Nyberg die U-Bahn-Station. Sie ist abgesperrt, und es wimmelt vor Cops. Es sieht aus, als wäre hier eine ganz üble Schweinerei passiert. Ein junger Araber wurde offenbar von einem einfahrenden Zug erfasst und in drei Teile zerrissen. Das wäre schon schlimm genug, bis auf ein Detail: Der junge Mann wurde von einer unbekannten Frau an die Bahnsteigkante gezerrt und genau dann ins Gleis gestoßen, als der Zug einfuhr. Ganz klar: Mord. Dabei wollte der Mann bloß ihr Handy klauen – und vielleicht noch etwas Spaß mit ihr haben, weshalb er sein Messer zückte.

Sein Bruder Abid steht noch unter Schock. José Chavez nennt die unbekannte Killerin ein wenig flapsig eine „Ninja-Feministin“. Da klingelt ein Handy! Es steckt noch in der Hose eines der Leichenteile. Norrlander schluckt schwer und holt es, drückt den EIN-Knopf, lauscht: „Magda!“ Dann etwas Unverständliches, bis die Anruferin flucht und auflegt. Eine Slawin möglicherweise. Die Ninja-Frau heißt also Magda. Nun können sie mit der Suche beginnen, am besten bei einer Expertin für slawische Sprachen. Ludmilla Lindquist sagt ihnen, dass die Rede von einem Grenzübergang beim polnischen Ort Lublin war. „Sie sind sicher durch.“ Wer ist gemeint? Die verschwundenen acht Frauen? Wurden sie „befreit“? Von wem?

|Nr. 4|

Professor Leonhard Schenkmann ist auf ein Rätsel gestoßen: „EPIVU“. Was soll das bedeuten? Selbst in seinen 88 Jahren ist ihm dieses Wort nicht untergekommen. Er ist Gehirnforscher und hält sein eigenes Gehirn täglich mit Kreuzworträtseln und dergleichen fit. Aber „EPIVU“ – nie gehört. Er befindet sich im jüdischen Teil des südlichen Friedhofs von Stockholm. Neonazis ziehen besoffen über die Gräber und zerstören Grabsteine. Plötzlich hören sie damit auf, als hätten sie eine Gefahr gesehen.

Der Professor hat inzwischen sein Ziel erreicht, den zerbrochenen Grabstein von „Steif, gestorben 7.9.1981“. Er dreht sich um und bemerkt die Schatten, die sich ihm nähern. Er lächelt und versteht, was mit „EPIVU“ gemeint war. Eine Frauenstimme antwortet auf seine fragende Begrüßung. Dann dringt der Schmerz wie ein glühendes Messer in sein Hirn, bevor sie ihn an den Füßen aufhängen …

|Nr. 5|

In der wunderschönen Toskana hat es sich Arto Söderstedt, ein Ermittler der A-Gruppe, mit seiner Familie urlaubsmäßig gemütlich gemacht. Dank sei Onkel Pertti, dem alten Kriegsveteranen, und seinem reichlichen Erbe! Zwischen Chianti und Weingärten lässt es sich leben wie Gott in Frankreich. Dumm nur, dass mal wieder sein Handy klingelt. Es ist die Zentrale, Jan-Olof Hultin in der Leitung. Arto lauscht, was sein Gruppenleiter zu sagen hat, dann legt er auf. Der Urlaub ist für Arto zu Ende. Er soll einen Mailänder Mafioso jagen.

Es ist der Beginn einen langen Reise und vieler schrecklicher Entdeckungen.

_Mein Eindruck_

Die Vergangenheit ist nicht tot, schon gar nicht in Europa. Und deshalb findet Arto am Schluss, dass dieses Paradies, in dem er lebt, ein falsches ist. Unter der schönen Oberfläche brodeln noch immer Verbrechen, Bosheit und Verrat. Das Dumme ist nur, sagt sich Arto, dass viele Menschen es vorziehen, das Vergangene tot und begraben sein zu lassen, statt sich dem tiefen oder vergrabenen Schmerz zu stellen, den die Auseinandersetzung damit bedeutet. Andere hingegen haben den tiefen Schmerz als Mittel der Rache entdeckt und ziehen durch Europa, um die Verbrecher in einer Privatfehde hinzurichten. Sie sind die „Erinnyen“, die Rachegöttinnen.

Bis Paul Hjelm und seine Kollegen begreifen, dass das rätselhafte Wort EPIVU aus griechischen Buchstaben besteht und „eriny“ bedeutet, vergeht eine ganze Weile. Sie kommen erst darauf, weil sich der Zuhälter, der den Vielfraßen zum Opfer fiel, als Grieche herausstellt, Nikos Vourtsos. Er sollte in Stockholm ein neues Netzwerk von Prostituierten übernehmen. Er kam im Auftrag des Mailänder Mafiosos Marco di Spinelli, eines 92-jährigen Patriarchen, der in seinem Palazzo vor jedem Zugriff sicher ist.

Genau diesen Patriarchen soll Arto Söderstedt als Ersten besuchen. Und das Wunder geschieht: Di Spinelli erklärt sich bereit, mit Arto zu sprechen. Arto ist es – zunächst jedenfalls – unerklärlich, warum Di Spinelli bei seinem Anblick zusammenzuckt und bleich wird. Erst sehr viel später kann er sich diese erschreckte Reaktion erklären. Und viel später kann er auch den bei seinem Besuch beobachteten Sicherheitsvorkehrungen die gebührende Beachtung schenken, indem er sie bei seinem Einbruch sorgsam umgeht.

Arto verfolgt, gelenkt aus der Zentrale in Stockholm, weitere Spuren der Erinnyen, die ihn erst nach Odessa am Schwarzen Meer und dann nach Weimar führen. Schließlich landet er wieder in Mailand bei Di Spinelli. Die Erinnyen, so stellt sich heraus, sind die Enkel jener Kriegsgeneration, die in den Konzentrationslagen und „Medizinischen Forschungseinrichtungen“ der Nazis und ihrer Wissenschaftler missbraucht wurde.

|Das KZ-Tagebuch|

Paul Hjelm kramt sein Schuldeutsch hervor, um das KZ-Tagebuch von Leonhard Schenkmann zu lesen, der als „Professor Schenkmann“ mit 88 Jahren auf dem jüdischen Friedhof von Stockholm hingerichtet wurde – mit einem jener Drähte, der ihm wie einer jener Versuchspersonen im KZ ins Schmerzzentrum des Gehirns geschoben wurde. Es ist ein schmerzvoller Tod und eine grausame Rache an einem Verbrecher, denkt Paul zunächst. Aber ein nagender Zweifel sagt ihm, dass etwas an dieser Sache nicht ganz stimmt. Er übersieht etwas, aber was?

Paul liest das Tagebuch weiter. Leonhard Schenkmann war ein in Berlin geborener Jude, der mit seiner Frau Magda und seinem Sohn Franz glücklich war und als Schriftsteller arbeitete. (Wie konnte er dann nach dem Krieg so schnell Hirnforscher werden, fragt sich Hjelm.) Statt auszuwandern wie alle seine Freunde, hoffte Schenkmann, mit seiner Frau den begonnenen Krieg überleben zu können, denn der konnte ja nicht so lange dauern.

Doch die Nazis schnappten die Familie und brachten sie ins KZ Buchenwald bei Weimar. Magda kam wohl dort um; wie es seinem Sohn erging, wusste Schenkmann nicht. Er selbst wurde einer medizinischen Forschungseinrichtung à la Dr. Mengele zugeteilt. Es handelte sich um Schmerzforschung. Drei SS-Offiziere leiteten die Versuche. Dabei wurde den Opfern unter anderem ein dicker Draht in die schmerzempfindliche Hirnrinde geschoben, um herauszufinden, ob man Schmerz maximieren und Menschen dagegen resistent machen konnte. Die Opfer waren nach der „Behandlung“ praktisch nicht mehr ansprechbar und apathisch – lebende Tote.

Schenkmann hat einen Kirchturm äußerst exakt beschrieben. Hjelm findet den Kirchturm auf einem Foto und schlägt nach, dass das KZ Buchenwald erst im April 1945 kurz vor Kriegsende von den Amerikanern befreit wurde, also sehr spät. Doch wer waren diese drei SS-Offiziere? Es gibt keine Fotos von ihnen, sondern nur Schenkmanns ungenaue Beschreibungen. Es hilft nur eines: Arto Söderstadt muss nach Weimar, um den Professor zu treffen, der die historische Forschung des „Schmerzzentrums“, wie es unter der Bevölkerung genannt wurde, leitet. Arto stößt dort auf eine heiße Spur …

|Die Verbindung|

Hjelm und seine Kollegen stellen sich natürlich viele Fragen, so etwa nach der Verbindung zwischen jenen längst vergangenen Tagen Ende des II. Weltkriegs und dem modernen Stockholm. Diese Magda genannte „Ninja-Feministin“ könnte aber vielleicht eine Verwandte sein, eine Enkelin, doch von wem, lässt sich nur vor Ort herausfinden – ein Fall für Arto Söderstedt.

Der Fall nimmt immer groteskere Formen an. Schenkmann war nicht Schenkmann, sondern ein ganz anderer, ebenso der Mann, der im Grab mit der Aufschrift „Steif, gestorben 7.9.1981“ bestattet wurde. Natürlich ist auch Marco di Spinelli nicht derjenige, der er zu sein vorgibt. Und deshalb erschrak er so, als er Arto Söderstedt ins Gesicht blickte. Doch Arto merkt, dass ihm die Zeit knapp wird: Die Erinnyen müssen ebenfalls auf der Spur des Mafiosos sein, denn warum hätten sie sonst den von ihm nach Stockholm geschickten Mafioso hingerichtet?

Das wunderbare letzte Drittel des äußerst spannenden Krimis sieht unseren Arto in klassischer James-Bond-Manier durch die Hintertür in Di Spinellis Palazzo eindringen, allerdings nicht im Smoking und ohne Martini, sondern ganz unfein im Müllcontainer. Hier lässt sich der Autor für meinen Geschmack ein wenig auf das Niveau des Actionthrillers hinab, aber es tut gut, zur Abwechslung auch mal ein paar Aktionen zu sehen. Statt immer nur Informationen zu durchwühlen, gräbt sich Arto nun durch den Müll und erklimmt dann bergsteigermäßig den Müllschacht …

Am Schluss sitzen Paul Hjelm und Kerstin Holm, seine Ex-Geliebte in der A-Gruppe, in ihrem Dienstwagen vor dem Haus von „Professor Schenkmann“. Sollen sie seinem Sohn und den anderen beiden Kindern des „Professors“ wirklich sagen, wer ihr Vater in Wahrheit wahr, fragen sie sich bange. Die Nachricht, das Kind eines Massenmörders und Verbrechers zu sein, könnte sie wie ein Draht ins Hirn treffen und zu tiefem Schmerz führen, überlegt Hjelm laut. Sollen sich die Ermittler wirklich auf die gleiche Stufe wie solche Verbrecher stellen?, fragt er Kerstin.

|Der Sprecher|

Till Hagens Vortrag ist wie immer sehr vielseitig. Seine Stimme verbinde ich immer mit Kevin Spacey. Deshalb erscheint es mir äußerst passend, dass er die komischen und ironischen Elemente im vorliegenden Roman auf seine unnachahmliche Weise herausarbeitet.

Einer der Dauergags des Textes ist die wiederkehrende falsche Aussprache von Arto Söderstedts Namen. In Italien ist er „Saderstad“, in Kiew heißt er wieder anders als in Mailand. Europäisches Polizistenschicksal. Arto, eigentlich ein Finne, trägt es mit Fassung: ein geborener Diplomat. Gut, dass der Sprecher keinerlei Probleme mit der Aussprache ausländischer Namen hat. So kann es vorkommen, dass er unvermittelt ins Englische wechselt.

Doch Hagen verfügt über eine zweite Seite. Mit seiner tiefen Stimme ist er durchaus in der Lage, bedrohliche Stimmlagen und autoritative Stimmen darzustellen, so dass die einem Krimi angemessene Spannung entsteht. Dass Hagen kein Leisetreter ist, belegt seine lautstark erhobene Stimme, als der Leiter des Asyantenwohnheims bzw. Bordells brüllt, er sei kein KZ-Aufseher. Oder als einer der Polizeigewalten hochtrabend die Ermittlungsergebnisse auf einer Pressekonferenz hinausposaunt, und zwar in einem derart gewundenen Stil, dass keiner versteht, was er meint.

Dass die Lesung weder über Geräusche noch über Musik verfügt, macht eigentlich nichts. Denn Till Hagens Stimme ist vielseitig genug, auch ausgefallene Geräusche wie etwa die eines Faxgeräts nachzuahmen!

Zudem muss der Hörer wie ein Luchs aufpassen, die ironischen Untertöne mitzubekommen, die sich immer wieder in den Vortrag einschleichen und die diversen Ermittlungsgespräche so vergnüglich erscheinen lassen. Beispielsweise dann, als sich Kollege Gunnar Nyberg unverhofft und Hals über Kopf in Ludmilla Lindquist, die Sprachwissenschaftlerin, verliebt. Auch die anfängliche Spurensuche im Vielfraßgehege ist ein fortwährendes Geplänkel von Frotzelei und makaberer Ironie zwischen Hjelm und Chavez – herrlich!

_Unterm Strich_

Kann man einer Rachegöttin ins Gesicht sehen? Nicht nur diese Frage muss sich Arto Söderstedt – und wir mit ihm – stellen, sondern auch: Wie kann ich weiterleben, denn das ererbte Gesicht und Geld einem Verbrecher gehörte und an dem Geld Blut klebt? Das sind furchtbare Moment im Leben eines jeden, und ein Ermittler wie Arto Söderstedt muss offenbar ständig darauf gefasst sein.

Das Buch trägt den Originaltitel „Europa Blues“, was ein wenig modisch klingt, die Aussage aber auf den Punkt bringt. Europa, wie wir es heute kennen und es hier gezeigt wird, hat noch viele Altlasten abzutragen, und nun macht sich inzwischen die Enkelgeneration selbstständig an die Arbeit, um Rache und Vergeltung zu üben. Doch darf eine Demokratie, ein Rechtsstaat eine Privatfehde zulassen, selbst wenn sie „die Richtigen“ trifft? Natürlich nicht. Das sagt Arto der Erinnye auch, als sie schließlich vor ihm steht. Sie antwortet, dass es bereits zu spät sei, um umzukehren. Immer ist es die Zeit, die für und gegen Opfer und Täter arbeitet.

„Tiefer Schmerz“ ist ein ungewöhnlich weit gespannter Krimi, der mehrere Zeitebenen umfasst und fast ein halbes Dutzend europäische Länder abdeckt. Es ist eben eine globalisierte Welt, in der wir leben. Und deshalb müssen auch Ermittler, sofern multinational organisiert, global ermitteln können. Arto erlebt, wie es dabei zu Kooperation, Ablehnung und humorvollen zwischenmenschlichen Begegnungen kommen kann.

Der Showdown ist nicht mehr so blutig wie in manch anderem Krimi der A-Gruppe-Serie (Hjelm und Holm werden einmal fast tödlich verwundet), aber das Finale ist doch eine vergnügliche Mischung aus Groteske und Actionabenteuer, wie es nur wenige Autoren gestalten können, ohne lächerlich oder pathetisch zu wirken. Ich fühlte mich jedenfalls durchweg spannend unterhalten und habe sogar noch einiges über Europa gelernt.

|Das Hörbuch|

Der Sprecher Till Hagen bringt die beiden Aspekte der Handlung gut zur Geltung: die Bedrohungen im Job der Ermittler ebenso wie die allzu menschliche Komik und Ironie, die bei den Einsätzen und Ermittlungen durchblitzen. Der Autor bringt seinen Figuren spürbar Sympathie entgegen, und dieses Verständnis gilt auch für manchen zwielichtigen Burschen im Stück, wie man bisweilen hören kann. Aber auch leise Töne sind angebracht, so etwa, wenn es um die zahlreichen Opfer auf den drei Zeitebenen geht. Till Hagen ist die ideale Besetzung für Dahls Krimis, kein Zweifel.

Fazit: ein Volltreffer.

545 Minuten auf 7 CDs
Originaltitel: Europa Blues, 2001
Aus dem Schwedischen übersetzt von Arne Butt
ISBN-13: 978-3-88698-764-1
http://www.sprechendebuecher.de