Daschkowa, Polina – Haus der bösen Mädchen, Das

Polina Daschkowa gehört zu den bekanntesten russischen Autorinnen in Deutschland, und mit schöner Regelmäßigkeit erscheint ein neuer Roman von ihr auf dem hiesigen Büchermarkt. „Das Haus der bösen Mädchen“ ist 2008 an der Reihe, obwohl der Roman im Original schon vor acht Jahren erschienen ist.

Ermittler Ilja Borodin hat es mit einem verzwickten Fall zu tun. Die Spielzeugdesignerin Lilja wird in ihrer Wohnung erstochen aufgefunden, und die Täterin ist der Polizei sozusagen vors Auto gelaufen: Ljussja ist die Nichte der Verstorbenen und behauptet standhaft, ihre Tante umgebracht zu haben. Viel kann man auf ihre Worte jedoch nicht geben, denn Ljussja ist debil. Borodins Vorgesetzter ist deshalb davon überzeugt, dass dieser Fall gelöst wäre, doch Borodin glaubt nicht daran. Das wäre wirklich zu einfach. Außerdem wurde ein Wollkorb aus der Wohnung der Toten gestohlen und wird bei einer Obdachlosen gefunden. Wenig später stirbt auch diese. Das kann kein Zufall sein.

Borodin beginnt in alle Richtungen zu ermitteln. Er sucht nach dem unauffindbaren Kinderheim, in dem Ljussja untergebracht war, sowie nach ihrem unbekannten Vater und gerät dabei schnell in Kreise, aus denen er seine Nase lieber heraushalten sollte …

Ein Daschkowa ist ein Daschkowa. Um das Wichtigste vorwegzunehmen: Die Autorin liefert mit „Das Haus der bösen Mädchen“ nichts ab, was man in dieser Form nicht von ihr erwartet hätte. Es ist ihr Glück, dass die Daschkowa-Standardware anderen Büchern immer noch weit voraus ist. Was diesen Krimi ebenso wie ihre anderen auszeichnet, ist eine dichte, komplexe Handlung. Sie überfordert den Leser an der einen oder anderen Stelle vielleicht, aber alles Ungewisse wird sich im späteren Verlauf klären. Dadurch entsteht sehr viel Spannung, denn die Autorin beweist großes Geschick bei der Zusammenführung der verschiedenen Handlungsstränge. Wer es gerne verworren und spannend mag, mit einem Hauch Moskauer Unterwelt gewürzt, wird in diesem Roman gut bedient.

Eine weitere Spezialität, die Polina Daschkowas literarisches Schaffen auszeichnet, ist ihr Auge fürs Detail. Sie verwendet Kleinigkeiten, um ihre Personen möglichst lebendig und interessant zu schildern. Dazu benutzt sie eine amüsante Sprache, die häufig mit einem Augenzwinkern arbeitet und die Charaktere fast schon komödiantisch darstellt. Jede einzelne Figur ist gut ausgearbeitet und überrascht durch passende und ungewöhnliche Charakterzüge.

Dadurch, dass Borodins Perspektive nicht die einzige ist, erhält man Einblicke in sehr unterschiedliche Biografien und Alltagserlebnisse. Es kommt keine Langeweile auf, denn bevor man sich versehen hat, hat Daschkowa eine weitere Person eingeführt, deren Rolle im Geschehen erst mit der Zeit deutlich wird. Die kleinen Geschichten rund um ihre Personen enthalten auch viel Unwichtiges, aber sie sind sehr schön zu lesen und erklären das Verhalten und die Taten der Charaktere. Zudem erfährt der deutsche Leser, der vielleicht nicht so viel Ahnung von Russland hat, einiges über den Alltag dieses Landes, was häufig amüsant, genauso oft aber auch erschreckend ist. Das Positive daran ist, dass Polina Daschkowas persönliche Meinung dabei nicht zum Tragen zu kommen scheint. Sie wird nie sozialkritisch oder wertend, sondern, wie es ihre Art ist, betrachtet das Ganze eher mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie verklärt es nicht, beschimpft es aber auch nicht, sondern nimmt es vielmehr ein wenig auf die Schippe.

In der Summe ist „Das Haus der bösen Mädchen“ ein weiterer guter Roman in Daschkowas Bibliografie. Fans werden ihn lieben, und wer die Autorin noch nicht kennt, kann sie durch diesen Roman gut kennenlernen. Obwohl er vor einigen ihrer anderen Werke im Original erschienen ist, kann er sich sehr wohl mit diesen messen, und das ist der einzige Ansatzpunkt für Kritik: Auch wenn Polina Daschkowa es schafft, jede ihrer Geschichten eigenständig wirken zu lassen, ähneln sich die Krimis untereinander schon alleine wegen ihres Aufbaus. Der verworrene Kriminalfall, der Stück für Stück entwirrt werden muss, erscheint beinahe in jedem ihrer Werke – allerdings auf so hohem Niveau und so spannend präsentiert, dass man gern darüber hinwegsehen kann.

|Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt
Gebunden, 391 Seiten
ISBN-13: 978-3-351-03241-8|
http://www.aufbau-verlagsgruppe.de

_Polina Daschkowa bei |Buchwurm.info|:_
[„Für Nikita“ 807
[„Keiner wird weinen“ 4224
[„Der falsche Engel“ 4359

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