Davidsen, Leif – Feind im Spiegel, Der

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben sich 2008 zum siebten Mal gejährt. Die Bilder der brennenden Türme des World Trade Centers gingen damals um die ganze Welt und verursachten Schock und Verwirrung. Viel hat sich seitdem verändert. Die Sicherheitsmaßnahmen bei Flugreisen wurden zum Beispiel verstärkt und die Terrorabwehr ist immer stärker in den Fokus der Regierungen gerückt. Doch der normale Bürger hat längst nicht alle Auswirkungen des schon jetzt historischen Ereignisses aus dem Jahr 2001 mitbekommen. Viele Dinge liefen intern ab und betrafen weniger die Bevölkerung als vielmehr die Exekutive. Der Journalist Leif Davidsen verarbeitet in „Der Feind im Spiegel“, dem dritten Band seiner losen Trilogie, die tragischen Vorgänge aus zweierlei Perspektiven: aus der eines Kopenhageners Polizeibeamten und aus der von Vuk, einem untergetauchten früheren Berufskiller, den die CIA zum Zwecke der Terroristenfahndung einsetzt.

Per Toftlund ist ein Ex-Militär, der nun bei der Polizei arbeitet und nach den Terroranschlägen des 11. September eine Sonderermittlungstruppe leitet, die sich mit der Frage befasst, ob al-Qaida auch in Dänemark Fuß gefasst hat. Aus diesem Grund wird die junge Muslime Aischa Hussein mit ins Boot geholt, eine diplomierte Politikwissenschaftlerin, die eine Menge über den Islam weiß. Ausgestattet mit weitreichenden Befugnissen, findet Toftlunds Truppe sehr bald heraus, dass es auch in Kopenhagen entsprechende Strömungen gibt. Den Honighändler Marko Cemal haben sie in Verdacht, Geldgeschäfte für terroristische Vereinigungen zu organisieren, und glauben, dass er ein Doppelleben führt und in England als strenggläubiger Muslim auftritt, während er in Dänemark eher den Lebemann gibt. Außerdem gibt es Indizien dafür, dass er Kontakt zu einem mysteriösen Dänen hat, der in Spanien wohnt und „Thronfolger“ genannt wird. Wer dieser Thronfolger ist, wissen Per und seine Leute nicht, doch sie sind davon überzeugt, dass er eine Bedrohung darstellt …

Zur gleichen Zeit wird der Serbe Vuk, ein früherer Auftragskiller, unruhig. Er lebt mit gefälschten Papieren mit seiner Familie in Amerika und geht dort ganz normal einer Arbeit nach. Im Zuge der Aufregung nach dem 11. September kommt man ihm auf die Spur. Seine Fingerabdrücke sind bei der CIA hinterlegt und er wird festgenommen, als man seine Familie routinemäßig überprüft. Vuk gilt eigentlich als tot, seit er nach einem blutigen Zusammenstoß mit Per Toftlund in seiner früheren Heimat Dänemark verschwunden ist. Damals hat er zwei Freunde von Per getötet und dessen Frau Lise verletzt. Doch anders als erwartet, bedeutet der Zwischenfall mit der CIA keinen Ärger für ihn. Als er anbietet, Informationen über Al-Qaida-Mitglieder herauszurücken, soll er undercover nach Dänemark reisen, um dort zu ermitteln. Als Aussicht winkt ein neuer Satz gefälschter Papiere, mit dem er für immer in Amerika bleiben darf.

Ohne es zu merken, arbeiten die beiden Todfeinde Per und Vuk an dem gleichen Fall, und das auch noch in der gleichen Stadt. Ohne voneinander zu wissen, bewegen sich die beiden immer mehr aufeinander zu, bis sie sich letztendlich in die Augen sehen müssen …

Im Mittelpunkt von „Der Feind im Spiegel“ stehen die beiden Männer Per und Vuk, die aufgrund eines schicksalsträchtigen Ereignis aus dem Vorgängerbuch miteinander verbunden sind. Obwohl sie sich hassen, bemerkt man als Leser auch einige Ähnlichkeiten bei den sehr präzisen Charakterstudien, die Davidsen präsentiert. Beide sind sehr hart und würden alles tun, um ihre Familie zu beschützen. Der Gedanke der Rache ist ihnen nicht fremd und beide verfügen über einen militärischen Hintergrund, der in ihrem Denken und Handeln immer wieder durchschimmert. Der Autor räumt dem Innenleben der beiden Figuren sehr viel Platz ein. Per ist dabei noch wesentlich häufiger vertreten als Vuk – nicht nur bezogen auf seine Arbeit, sondern auch sein Privatleben wird ausgeschöpft.

Je nachdem, was man von diesem Roman erwartet, kann dieser enttäuschen oder erfreuen. Wer eine Geschichte lesen möchte, die sich mehr auf die innerlich zerrissenen Protagonisten konzentriert, dem wird „Der Feind im Spiegel“ gefallen. Wer jedoch einen spannende Thriller lesen möchte, wird vielleicht enttäuscht sein. Die Handlung ist stellenweise nicht besonders schlüssig und folgt vor allem keinem gelungenen Aufbau. Die langen Episoden aus Pers Privatleben machen es an mancher Stelle schwer, zum eigentlichen Geschehen zurückzukehren. Hinzu kommt der vorhersehbare Höhepunkt am Ende der Geschichte, der nicht besonders gut eingeführt wird. Davidsen fällt mit der Tür ins Haus, was den Leser vielleicht nicht überrascht, aber doch stört. Es passt einfach nicht sauber in den Ablauf des Geschehens.

Neben Pers Privatleben und den polizeilichen Ermittlungen legt der Autor einen Fokus auf Gedanken an und um den 11. September, was in dieser Masse nicht besonders gelungen ist. Stellenweise wirkt es wie eine persönliche Auseinandersetzung des Autors mit diesem Thema, was dem Buch wiederum einen merkwürdig subjektiven Anstrich verpasst, der ihm nicht besonders gut steht. Alles in allem kommen die handlungsrelevanten Abschnitte zu kurz, egal wie man Davidsens Ab- und Ansichten nun beurteilt. Selbst wenn man „Der Feind im Spiegel“ unter dem Gesichtspunkt liest, den Charakteren näherzukommen, wirkt die Geschichte häufig etwas überlang.

Der sichere Schreibstil macht zwar einiges wieder wett, aber zaubern kann er nicht. Inhaltliche Längen bleiben Längen, egal in welche Wörter man sie packt. Man merkt dem Autor seinen beruflichen Hintergrund an. Er schöpft aus einem großen Wortschatz und setzt diesen zu einfachen, aber sehr ausdrucksstarken Sätzen zusammen. Ihm reichen wenige Wörter, um einen Sachverhalt darzustellen. Das gilt sowohl für die Beschreibungen von Situationen als auch für die Gefühle der Protagonisten. Letztere ermöglichen einen guten Einblick in die Seelen von Vuk und Per, bleiben dabei aber recht distanziert, was wiederum zu den Persönlichkeiten der beiden passt.

Leif Davidsens „Der Feind im Spiegel“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Auf der einen Seite stehen der tolle Schreibstil und die interessanten Charaktere, auf der anderen die doch etwas zähe Handlung. Sie enthält zwar viele interessante Tatsachen zum 11. September – unter anderem aus der Sicht einer diplomierten Politikwissenschaftlerin mit Migrationshintergrund sowie aus jener der Polizei -, aber auch genügend Dinge, welche die Handlung eher bremsen als voranbringen. Je nachdem, welche Prioritäten man als Leser setzt, kann die Lektüre entweder sehr interessant oder eben etwas unspannend sein.

|Originaltitel: Fjenden i spejlet
Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle
Taschenbuch, 395 Seiten
ISBN-13: 978-3-423-21088-1|
http://www.dtv.de
http://www.leif-davidsen.de

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