Davies, J. D. – goldene Berg, Der (Matthew Quinton 2)

_|Matthew Quinton|:_

Band 1: „Kapitän Seiner Majestät“
Band 2: _“Der goldene Berg“_

_Matthew Quinton ist Captain_ eines englischen Kriegsschiffs. Kein besonders guter Captain, wie er nicht müde wird zu betonen, aber er gibt sich Mühe dazuzulernen und hofft, so einen Fauxpas wie bei seinem ersten Kommando nicht noch einmal hinzulegen – da hat er nämlich aus Versehen das Schiff samt Mannschaft versenkt. Im Moment laufen die Dinge besser. Nicht nur ist sein jetziges Schiff noch nicht untergegangen und er beginnt zu hoffen, dass sie ohne weitere Probleme in den englischen Heimathafen einlaufen können. Darüber hinaus gelingt es ihm nämlich, eine Galeere aufzubringen, doch damit gehen die Probleme erst richtig los.

Der Araber, der die Galeere befehligt, stellt sich nämlich bald als waschechter Ire heraus (rothaarig sogar), der in der geistigen Tradition eines Jack Sparrow steht: Er redet sich um Kopf und Kragen und dreht die Nase immer in den Wind, sodass man nie weiß, wann er lügt und wann er ausnahmsweise die Wahrheit sagt. Um seinen Kopf aus der buchstäblichen Schlinge zu ziehen, faselt er etwas von einem Berg aus Gold, der sich im afrikanischen Busch befinden soll. Quinton hält das für eine glatte Lüge, um dem Henker noch einmal von der Schippe zu springen, doch das Schicksal ist dem Iren O’Dwyer hold – der englische König Charles II. schenkt ihm Glauben und so wird eine Expedition nach Afrika vorbereitet, um diesen ominösen Berg zu finden. Und natürlich kann nur einer diese Expedition führen, nämlich Matthew Quinton! Dieser ist von der Aussicht wenig begeistert. Zunächst einmal ist es nämlich nicht empfehlenswert, im Winter von England aus loszuschippern. Viel schwerer wiegt allerdings, dass der arme Quinton mit einer ausgewachsenen Familienintrige zu kämpfen hat. Sein Bruder nämlich (schwul, wie wiederholt angedeutet wird), soll eine Frau von zweifelhafter Herkunft ehelichen, da Quinton eigene Kinder bisher verwehrt blieben. Seine Mutter besteht aber auf einem Erben, der den Namen der Familie weiterführen kann. Doch niemand außer Mutti findet Positives an dieser Verbindung und so versuchen Quinton und seine Frau mit fast geheimdienstlerischen Methoden, das dunkle Geheimnis der zukünftigen Braut zu ergründen.

_Wer nun aber denkt_, dass „Der goldene Berg“ sich hauptsächlich um Selbigen dreht, der irrt. Der englische Autor J.D. Davies hat an den Ränkespielen des royalen Hofs mindestens genauso viel Spaß wie an der Beschreibung nautischer Details. Er beweist damit, dass er ein unglaublich vielseitiger Schriftsteller ist, etwas, das von jemandem, der bisher Sachbücher zur englischen Marinegeschichte geschrieben hat, ja nicht unbedingt zu erwarten ist. Den Sprung zur schönen Literatur gelingt ihm mit fast schlafwandlerischer Leichtigkeit, vor allem, weil er es schafft, sein Fachwissen gekonnt an den Leser zu bringen, ohne schulmeisterhaft zu wirken. Der Leser lernt sehr viel über die Seefahrt im Allgemeinen und die Periode des 17. Jahrhunderts im Besonderen. Dabei treten unter anderem auch historisch verbürgte Persönlichkeiten auf (unter anderem Samuel Pepys in einer charmant-nerdigen Nebenrolle), die der Geschichte eine gewisse Würze verleihen. Allerdings ist Davies kein großer Kriegsberichterstatter, noch nicht einmal ein Fan blutiger Schlachten. Pro forma fügt er gegen Ende noch ein klitzekleines Gefecht ein, wohl nur, damit Quintons hübsches Schiff all seine Kanonen auch einmal benutzen darf. Viel lieber wirft er sich dagegen in die verworrenen Beziehungskisten am Hof und erklärt dem Leser subtil, wie das königliche Leben damals so vor sich ging.

Nicht viel anders als heute übrigens, wie der Leser bei der Lektüre bald feststellen wird. Denn auch damals lief vieles über Beziehungen und Ränkespiele und auch damals mochte man seine Verwandtschaft nicht. Quintons genauer und scharfsinniger Blick auf seine eigene verschrobene Mischpoke liest sich dabei genauso spannend wie der in Afrika spielende Abenteuerplot. Das ist auch gut so, denn Familiengeschichte und Seefahrergeschichte halten sich im Buch die Waage – bis zur Mitte ist Quinton ja noch nicht mal aus dem Hafen ausgelaufen! Und hier liegt auch der einzige Kritikpunkt: Davies ist voller Ideen, doch scheint er sich für „Der goldene Berg“ ein bisschen viel vorgenommen zu haben. Die Expedition nach Afrika findet ein relativ unspektakuläres Ende (da fehlte definitiv ein Höhepunkt, um diesen Handlungsfaden mit einem Knalleffekt zu beenden) und auch die Familiensituation im heimischen England wird nicht befriedigend gelöst – weder für Quinton noch für den Leser. Bis man aber erstmal zum Schluss gelangt, hat man schon 400 Seiten hinter sich, vollgepackt mit wirklich toller Prosa, interessanten Charakteren und spannender Handlung. Grund zu meckern gibt es also nicht wirklich.

Das liegt – vor allem, aber nicht nur – an Davies‘ Held Matthew Quinton. Er fungiert hier als Ich-Erzähler, der als alter Mann in einem Tagebuch Rückschau auf sein Leben hält. Somit kann er teilweise durchaus ironisch auf seine eigene Vergangenheit blicken und reichlich abgeklärt sowohl seine eigenen Taten als auch die Politik dieser Zeit kommentieren. Dieser Kunstgriff des Autors gepaart mit seiner schriftstellerischen Meisterschaft beschert dem Leser einen echten Lesegenuss. Quinton ist unterhaltsam, spitzfindig, selbstkritisch und vor allem ein genauer Beobachter. Ein wenig erinnert er an Diana Gabaldons [„Lord John Grey“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=87, der es ebenso versteht, seine eigenen Abenteuer mit echtem englischen Humor zu kommentieren – trocken und pointiert. Dass sich das gut liest, versteht sich von selbst.

Und so bleibt zu hoffen, dass J. D. Davies auch weiterhin über Matthew Quintons Abenteuer zur See Romane schreiben wird. Das kann er nämlich wirklich gut!

|Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: The Mountain of Gold
ISBN-13: 978-3499252303|
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