Deflo, Luc – Totenspur

Belgien ist ein kleines Land, das sich zwischen die Niederlande und Frankreich quetscht und literarisch bislang nur wenig Aufsehen erregt hat. Nachdem Skandinavien krimitechnisch bereits ordentlich ausgeschlachtet wurde, möchte Luc Deflo die Spannung nun in sein Heimatland bringen. Der Verlag nennt ihn „Belgiens Thrillerautor Nr. 1“, aber kann er mit „Totenspur“ wirklich überzeugen oder ist und bleiben Belgiens Importschlager die vielleicht besten Pralinen der Welt?

Eines Tages wird eine junge Frau verstümmelt in einer Badewanne gefunden. Es stellt sich heraus, dass sie vorher tiefgefroren war. Wenig später taucht im Hafen von Mechelen eine weitere Leiche auf, ebenfalls von einer jungen Frau und nicht weniger gut erhalten. Für den Polizeipsychologen Dirk Delau ist klar, dass man es hier mit einem Serienmörder zu tun hat, den es mit allen Mitteln zu stoppen gilt. Zu allem Überfluss findet man heraus, dass eine der Toten eigentlich bei einem Hausbrand in Frankreich ums Leben gekommen ist. Was ist hier los? Und wieso ähneln sich die beiden Toten äußerlich so sehr?

Nein, mit einem normalen Mörder haben es Dirk Delau und der Untersuchungsrichter Jos Bosmans hier wirklich nicht zu tun. Ihr Team ermittelt in alle Richtungen, doch sie werden von ganz oben behindert, als sie auf eine Verbindung zu dem Politiker Robert Pardon stoßen. Doch Jos lässt sich davon nicht beirren und setzt alles auf eine Karte. Anscheinend war diese Entscheidung richtig, denn wenig später findet man auch Robert Pardon tot in seinem Wagen. Angeblich ein Herzinfarkt – oder doch das Werk des Mörders?

Luc Deflo hat ein Buch geschrieben, das wie die Folge einer Krimi-TV-Serie wirkt. Er steigt direkt in die Geschichte ein und stellt seine Charaktere kaum vor. Das hat den Nachteil, dass man diese als Leser nicht richtig kennenlernen kann. Da vor „Totenspur“ bereits ein anderer Krimi mit Jos Bosmans und Dirk Delau erschienen ist, hat er sie vielleicht dort vorgestellt. Der Neuleser wird jedenfalls recht unsanft in den belgischen Kosmos geschleudert, und das wirkt sich negativ auf das ganze Buch aus. Jos Bosmans und Dirk Delau sowie die anderen Charaktere wirken wie ein guter Versuch, doch leider bleiben sie meistens recht durchschnittlich in ihrer Wirkung auf den Leser. An der einen oder anderen Stelle greift der Autor auf Klischees zurück, die den Lesegenuss zusätzlich schmälern.

Die Handlung selbst kann ebenfalls nicht punkten. Es fehlt an einem konstanten Spannungsaufbau, und die Geschichte gerät häufig ins Schlingern. Als Leser verliert man leicht den Überblick, und es mangelt an falschen und richtigen Spuren, die letztendlich zur Auflösung des Falls führen. Im Gegenteil ist die Mörderin von Anfang an bekannt, da auch sie in einigen Kapiteln zu Wort kommt. Die Jagd auf sie ist nicht besonders spektakulär, manchmal sogar unrealistisch. Das ist schade, denn an und für sich liefert „Totenspur“ gute Ansatzpunkte für eine wirklich spannende Geschichte. Sie hätte nur anders aufgebaut werden müssen.

Der Schreibstil könnte ausgefeilter sein, lässt sich aber leicht lesen und kommt ohne große Patzer aus. Die Dialoge wirken allerdings oft gekünstelt. Das spürt man besonders bei den Witzeleien zwischen Jos und Dirk, die nur selten zünden, oder auch den Gesprächen zwischen ihren Frauen, die häufig wie aus einer Vorabendserie entlehnt wirken.

Auch wenn sie vielleicht nicht unbedingt schmeichelhaft für die Figur sind, sollte man sich doch lieber an die Belgischen Pralinen halten. „Totenspur“ bemüht sich, ein gutes Buch zu sein, schafft es aber leider nicht, dem gerecht zu werden. Dazu ist die Handlung nicht straff und spannend genug und auch bei den Figuren und dem Schreibstil ist einiges im Argen. Fürs bloße Zwischendurchlesen sicherlich nicht schlecht, aber kein literarisches Feuerwerk.

|Originaltitel: Bevroren Hart
Aus dem Flämischen von Stefanie Schäfer
Taschenbuch, 357 Seiten|

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