Dorn, Rüdiger – Reise zum Mittelpunkt der Erde (Brettspiel)

[„Reise zum Mittelpunkt der Erde“ 2282 – bei diesem Titel wird vor allem jugendlichen Abenteurern ganz warm ums Herz, gehört der Roman von Jules Verne doch nach wie vor zu den wichtigsten Werken der weltlichen Literatur und gilt gemeinhin sogar als eine der besten Arbeiten des legendären Schriftstellers. Ein großer Fan dieser Vorlage ist zweifelsohne auch Rüdiger Dorn, der das Thema für ein neues Brettspiel aufgegriffen hat und sich damit in die Serie der spielerischen Literatur-Adaptionen des |Kosmos|-Verlags einreiht. In drei Etappen reisen Otto Lidenbrock, sein Neffe Axel und der isländische Bergführer Hans hier an besagten Mittelpunkt und bergen auf dem Weg dorthin viele Schätze und wertvolle Fossilien. Doch nicht alle Passagen der Reise sind so angenehm wie die wertvollen Ausgrabungen …

_Spielidee_

„Reise zum Mittelpunkt der Erde“ ist für zwei bis vier Spieler konzipiert, die durch drei wichtige Stationen der Erzählung reisen müssen und sich hierzu der drei Forscher bedienen, die das Abenteuer in der Vorlage miterlebt haben. Dabei erfolgt jedoch keine klare Zuteilung, denn jeder Spieler kann auch jeden Forscher bewegen und seine Ausrüstung dazu nutzen, Hindernisse zu überschreiten und Entdeckungen zu machen, die den Wert seiner Ausbeute kontinuierlich steigern.

So steigen unsere Helden ins Erdinnere ab, navigieren vom Pilzwald über den Lidenbrocksee und erklimmen schließlich den Gipfel des Vulkans von Stromboli, der von zahlreichen Lavaströmen umgeben ist und wo es noch einmal so richtig ans Eingemachte geht. Ziel des Spieles ist es unterdessen, Fossilien von größtmöglichem Wert einzusammeln und auf der Reise nicht wieder zu verlieren. Wer am Zielpunkt, an der Spitze des Vulkans, nämlich die meisten Punkte für Fossilienkarten einheimst, hat das Spiel gewonnen.

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 3 Forscher
• 1 Floß
• 20 Wassersteine
• 10 Meeresabenteuerkarten
• 2 Bonuskarten ‚Pilzwald‘ und ‚Ruinenstadt‘
• 63 Forscherkarten
• 45 Ausrüstungskarten
• 64 Fossilienkarten
• 16 Ereigniskarten

„Reise zum Mittelpunkt der Erde“ ist definitiv ein echter Hingucker: Das Spielmaterial ist optisch eine absolute Wucht; angefangen beim hervorragend nachempfundenen Spielplan über die sehr stimmungsvoll und düster ausgearbeiteten Karten bis hin zu den liebevollen Designs von Spielfiguren und Floß, die in Sachen Individualität erneut klare Maßstäbe setzen. Dennoch verliert man bei der sehr vielseitigen Aufarbeitung der Gesamtausstattung nie die Übersicht, da die Struktur eindeutig ist und auch das Kartenmaterial bei all den Parallelen untereinander gut unterschieden werden kann. Zeichnerisch ist das gesamte Paket dementsprechend erstklassig, spieltechnisch dazu in jedweder Hinsicht optimal. Beste Voraussetzungen also für ein atmosphärisch dichtes, starkes Abenteuerspiel …

_Spielvorbereitung_

Vor jeder Partie wird der Spielplan ausgelegt und mit den Spielfiguren bestückt. Die drei Forscher werden auf das Startfeld gesetzt, das Floß indes positioniert sich schon einmal an den Beginn der zweiten Etappe. Die unterschiedlichen Kartentypen werden getrennt, gemischt und auf die entsprechenden Felder auf dem Spielplan gelegt. Drei Ausrüstungskarten werden dann gezogen und gehen offen in die Auslage. Jeder Spieler erhält nun sechs Forscher- und drei Ausrüstungskarten auf die Hand. Weiterhin erhält jeder einen Wasserstein, der wichtig ist, um die Fossilien später auch in die nächste Welt zu befördern. Die übrigen Wassersteine werden auf den zugehörigen Feldern des ersten Spielabschnitts abgelegt. Nachdem ein Startspieler bestimmt wurde, kann es dann losgehen.

_Spielablauf_

Angesichts des strukturellen Aufbaus des Spiels ist dieses auch in drei unabhängig voneinander aufgebaute Spielabschnitte unterteilt, in denen wiederum individuelle Regelmodifikationen zu beachten sind. Lediglich die Handlungsoptionen für die jeweils aktiven Spieler bleiben immer gleich: Entweder nutzen sie die Bewegungsphase, indem sie Forscherkarten einsetzen und einen der Forscher vorwärts bewegen oder aber ziehen sie drei Karten aus dem Ausrüstungs- oder Forscherstapel nach und füllen somit ihren Vorrat wieder auf.

Das Spiel beginnt dann beim Einstieg ins Erdinnere, den die drei Forscher zunächst noch zusammen vornehmen. Die Spieler bestimmen nun abwechselnd, ob sie einen der Forscher näher an den Pilzwald, das erste Etappenziel, heranführen, oder ob sie für Nachschub auf der Kartenhand sorgen. Die Forscher werden bewegt, indem man die zugehörigen Karten ausspielt. Jedem Forscher ist eine Kartenfarbe zugeordnet, und für jede dieser Karten darf der Forscher nun um ein Feld weitergesetzt werden. Wichtig ist dabei, dass er sich in jedem Zug dem ersten Ziel nähert. Rückwärts zu ziehen, ergibt nämlich nicht nur wenig Sinn, sondern ist auch nicht erlaubt – auch wenn dafür der eine oder andere Schatz schon mal auf der Strecke bleiben muss.

Auf der Reise müssen nun aber auch Hindernisse überwunden werden: Schluchten erfordern ein Seil, Felsengebiete kosten Bewegungspunkte und Granit kann sogar überhaupt nicht überwunden werden. Allerdings gibt es im Rucksack der Ausrüstung auch reichlich Hilfreiches: Ein Zwieback beispielsweise erweitert den Bewegungsspielraum, mit der Spitzhacke lässt sich Geröll beiseite räumen, der Kompass ermöglicht diagonale Züge und mit allen Ausrüstungsgegenständen kann man auf den Entdeckungsfeldern Fossilienkarten im Tausch gewinnen.

So zieht man die Forscher nun bergab ins Innere der Erde, sammelt Fossilien und Wassersteine zur Konservierung der Artefakte und versucht dabei, selbst den ersten Forscher ans Ziel zu bringen. Mit dem Erreichen des Pilzwaldes endet nämlich nicht nur die erste Etappe, sondern derjenige, dem dies zuerst gelungen ist, bekommt auch die Karte des Waldes, die einige Bonuspunkte bedeutet.

Der zweite Abschnitt führt nun durch die Wasserwelten des Lidebrocksees. Hier warten nicht nur weitere Fossilien auf die Forscher, sondern auch Gefahren wie Kugelblitze, die eventuell sogar großen Schaden anrichten können. Die drei Abenteurer reisen nun jedoch wieder zusammen auf einem Floß, können sich aber diesmal auch nur mithilfe der Forscherkarten fortbewegen. Nach jedem Zug steht jedoch ein zusätzliches Meeresabenteuer an, welches sowohl positive (Extra-Ausrüstung) als auch negative Folgen (Kugelblitz) haben kann. Mit dem Erreichen des Vulkaneinstiegs endet jedoch auch dieser Teil der Reise relativ zügig.

Der Lavastrom ist zum Finale der gefährlichste Abschnitt der Reise. Weiterhin reisen die Forscher auf dem Floß, müssen sich nun jedoch ihrem Schicksal fügen. Statt nämlich selbst die Fortbewegung beeinflussen zu können, müssen die Spieler nun Karten vom Forscherstapel ziehen. Das Floß wird anschließend auf das nächste Feld der gezogenen Farbe bewegt; möglicherweise wartet hier auch gleich eine weitere hitzige Bedrohung, die einem eine Fossilienkarte raubt. Mit ein wenig Pech kann man hier sogar noch einen sicher geglaubten Sieg verspielen.

Mit dem Erreichen der Vulkanspitze endet schließlich das Spiel. Die Punkte für Fossilien, gelöste Meeresabenteuer und Bonuskarten werden addiert und mit den überschüssigen Wassersteinen verrechnet. Der Spieler mit der höchsten Gesamtsumme gewinnt das Abenteuer im Inneren der Erde.

_Persönlicher Eindruck_

Bereits beim ersten Einblick in die Spielanleitung manifestierten sich erste Zweifel an der Dynamik des Spielablaufs, die sich leider auch sehr bald bestätigen sollten. Die Einteilung in drei Spielabschnitte nämlich ergibt zwar themenbezogen Sinn, allerdings will das Spiel wegen der etwas holprigen Übergänge nicht so recht in abenteuerliche Fahrt kommen, so dass gerade Strategen sich nach einiger Zeit nicht mehr ganz so wohlfühlen sollten. Zwar sind gezielte Planung und eine gewisse Spieltaktik auch hier das Maß aller Dinge, aber letztendlich hängt auch viel vom Glück beim Nachziehen ab.

Abseits dessen sind die einzelnen Episoden des Spiels nicht sonderlich spannend aufgebaut. Der Auftakt im Bergmassiv ist zwar noch recht ansprechend, da man hier auch noch genügend Einfluss ausüben kann, doch schon das Abenteuer auf dem Meer ist in seinen Aktionsmöglichkeiten recht begrenzt. Die Meeresabenteuer sollen hier noch einiges herausschlagen, wirken aber zuletzt ein wenig aufgesetzt und sind in ihrem Effekt nicht konsequent genug. Es tut jedenfalls nicht wirklich weh, wenn man eines dieser Abenteuer nicht bewältigt, wohingegen der Kugelblitz auch nicht ganz hält, was er verspricht. Die Reise durch den Lavastrom stellt sich schließlich als der liebloseste Abschnitt des Spiels heraus, da man hier regelrecht vom Spiel gespielt wird. Nur noch das Glück entscheidet, und man muss akzeptieren, wie das Schicksal einem mitspielt. Sonderlich einladend ist dies dementsprechend nicht.

Bedauerlich ist somit das nicht ganz so positive Resümee im Hinblick auf die durchweg fantastische Spielatmosphäre. Die Grafiken alleine vermittelt schon ein authentisches Feeling, aber auch die eigentliche Konzeption ist richtig prima auf das Romanwerk abgestimmt. Leider jedoch stimmt der sehr positive Eindruck ob der Aufarbeitung des Spiels nicht so ganz mit den Erfahrungen überein, die man aus dem Spielgeschehen mitnimmt. Als Romanadaption mag „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ sicher toll sein; spieltechnisch indes ist der neueste Titel von Rüdiger Dorn („Jambo“) sehr enttäuschend – insbesondere, wenn man zumindest ein bisschen auf Strategie steht.

http://www.kosmos.de

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