Sara Douglass – Steinwandler, Der (Die Macht der Pyramide 2)

Buch 1: [„Die Glaszauberin“ 1811

Es ist so weit: Die Pyramide ist fertiggestellt! Zur Mittagsstunde wird die Sonne die Kammer der Unendlichkeit mit Licht fluten und das Tor öffnen, das den Magiern den Zugriff auf die Macht der Eins ermöglichen und damit Unsterblichkeit verleihen wird. Aber es kommt alles ganz anders! Die Präsenz, die von der Pyramide und damit von der Macht Besitz ergreift, nennt sich Nzame und unterwirft augenblicklich all jene, die so sehr nach Macht und Unsterblichkeit gegiert haben, allen voran die Magier und Chad Nezzar, den Herrscher von Ashdod.

Nur ein Bruchteil der Menschen, die diese Katastrophe miterlebten, konnte ihr entgehen, darunter Tirzah, Isphet, Yaqob, Boaz‘ Leibwächter Kiamet und Boaz selbst. Nun sind sie unter der Führung von Chad Nezzars Sohn Zabrze auf dem Weg nach Süden. Sie wollen die Heimat von Isphet erreichen, der Glasarbeiterin, in deren Werkstatt Tirzah als Sklavin gearbeitet hat. Von dort erhoffen sie sich Hilfe im Kampf gegen Nzame, der seine Macht täglich ausweitet und alles in seiner Reichweite zu Stein werden lässt. Tatsächlich werden dort einige der Elementisten zu Elementenmeistern ausgebildet, darunter Tirzah. Aber um Nzame zu besiegen, müssen sie die Bedeutung des Lieds der Frösche erkennen, und das ist nur jemandem möglich, der sowohl Elementenmeister als auch Magier ist. Der einzige Elementenmeister, der die Magie der Eins beherrscht, ist Boaz …

Bereits in „Die Glaszauberin“ war der Zwiespalt in Boaz‘ Charakter deutlich spürbar. Die Geschehnisse, die das Einsetzen des Schlusssteins begleiten, brechen schließlich die Herrschaft des Magiers über den Mann und lassen Boaz umkippen. Jetzt kämpft er zusammen mit den rebellischen Sklaven und Teilen von Chad Nezzars Armee gegen Nzame. Schuldgefühle und gelegentliche Andeutungen von Humor sowie seine Liebe zu Tirzah lassen ihn in diesem Band wesentlich menschlicher erscheinen als im ersten.

Der aufbrausende Yaqob will den Seitenwechsel zunächst nicht glauben und rammt Boaz ein Schwert in den Bauch. Tirzahs Entsetzen darüber, ihre Angst und ihr Kampf um Boaz‘ Leben zeigen ihm jedoch nur zu bald, dass er sie längst verloren hat. Dass Tirzah es ihm nicht früher gesagt hat, kränkt ihn tief. Zu meinem Erstaunen jedoch akzeptiert er sowohl Tirzahs Entscheidung als auch Boaz als neuen Verbündeten. Die deutliche spürbare Bitterkeit in seinem Verhalten verhindert dabei, dass die Entwicklung ins Unglaubwürdige abgleitet.

Tirzahs Charakter zeigt eher Stetigkeit als Entwicklung. Der Kampf gegen Nzame setzt Tirzah einer neuerlichen Zerreißprobe aus, denn sie droht nicht nur ihren Mann, sondern auch ihr ungeborenes Kind zu verlieren. Dennoch klammert sie sich an das Leben ihres Babys mit derselben Unbeirrbarkeit, mit der sie sich auch an ihr eigenes Leben geklammert hat. Und an den Mann, der sich hinter der Mauer des Magiers verschanzt hatte.

Obwohl die Macht, gegen die es zu kämpfen gilt, inzwischen einen Namen trägt, wird sie nicht detaillierter ausgearbeitet. Sie bleibt eine vage, fast unbekannte Wesenheit, was im Grunde nur logisch ist, da sie aus einer anderen, fremdartigen Dimension stammt. Es genügt, dass sie unendlich blutgierig und machthungrig ist, grausam und boshaft.

Erstaunlich, dass ein Wesen, dem seine eigene Macht sowie die der Eins zur Verfügung steht, keine wirksameren Waffen als die klobigen Steinkrieger zustande bringt, die von den Soldaten Zabrzes ohne große Schwierigkeiten überwunden werden können, einfach indem man sie umwirft! Zwar bezeichnet Nzame in Tirzahs Träumen die Steinmänner als nur einen Bruchteil seiner Macht, erstaunlicherweise setzt er die Reste derselben aber kaum ein. Lediglich an Zabrzes Kindern vergreift er sich auf grausame Weise, um Zabrze zu zermürben. Wirklich aufhalten aber kann er damit niemanden, weder den König noch Boaz und seine Gefährten.

Überhaupt hatte ich das Gefühl, der Kampf gegen Nzame ginge fast ein wenig zu glatt vonstatten. Nicht nur die Steinmänner wurden relativ problemlos besiegt. Auch Zabrzes Tochter Layla wurde recht schnell befreit. Am erstaunlichsten fand ich jedoch, dass Nzame Boaz die Pyramide betreten ließ! Er hatte solche Angst vor Boaz, dass er Tirzah mit den grausamsten Alpträumen quälte, nur damit sie Boaz davon abhielt, den Kampf gegen Nzame aufzunehmen. Wenn die Gefahr für ihn so groß war, dann hätte ich erwartet, dass er außerdem auch noch ein paar handfestere Maßnahmen ergreifen würde! Dass er versuchen würde, die Elementenmeister und ihr Heer um jeden Preis von der Pyramide fernzuhalten! Aber nichts dergleichen!

Insgesamt gesehen wird Nzame zwar der Bosheit und Grausamkeit gerecht, die von Anfang an angedeutet wird, nicht aber dem Machtumfang, den er eigentlich haben sollte, und blieb damit doch ein wenig hinter den Erwartungen zurück, die beim Bau der Pyramide geweckt wurden.

Sara Douglass‘ Darstellungen von Schlachten und kämpfen wirken generell eher unspektakulär. Hier fällt der Endkampf sogar komplett weg! Die Geschichte ist in der Ich-Form aus Tirzahs Sicht erzählt, den eigentlichen Kampf gegen Nzame jedoch ficht Boaz aus. Da Tirzah nicht dabei ist, erfährt der Leser dazu auch keine Einzelheiten, lediglich die äußerlichen Veränderungen an der Pyramide werden festgestellt. Vielleicht sollten die nachfolgenden Komplikationen für diese doch recht lapidare Beschreibung eines Ereignisses, das eigentlich erwartungsgemäß ein Höhepunkt sein sollte, ein wenig entschädigen. Allerdings geht die Autorin auch hier nicht weiter ins Detail. Wer oder was die magische Froschin Fetizza eigentlich ist, und wie Tirzah eigentlich ihren Boaz aus dem Grenzland zwischen ihrer Welt und der Zuflucht im Jenseits herausgeholt hat, wird nicht erklärt. Auch die Funkionsweise des Froschkelches und des Buches der Soulenai bleibt unscharf.

Das ist durchaus ein Manko. Boaz‘ Zwiespalt, der einen Großteil des Flairs im ersten Band ausmachte, fällt im zweiten Band gleich zu Anfang weg. An innerer Handlung bleibt hauptsächlich Tirzahs Seelenqual angesichts der drohenden Verluste übrig. Somit wird die Geschichte nun vor allem vom Handlungsverlauf getragen. Dadurch fallen die Defizite, die problemlose Lösung der gestellten Aufgaben und die ziemlich nebulöse Ausarbeitung der magischen Elemente, stärker ins Gewicht und lassen diesen Teil der Erzählung schwächeln.

Weit störender als diese Schwachstellen empfand ich allerdings die Tatsache, dass das Buch überhaupt in zwei Teile gehackt wurde. Schon das abrupte Ende des ersten Bandes war ausgesprochen lästig. Der Neueinstieg in die Erzählung dagegen war schlicht unmöglich! Im ganzen Buch gibt es kaum eine ungeeignetere Stelle, um die Handlung zu unterbrechen, als die, die der Verlag gewählt hat! Der Leser wird gleich zu Anfang des zweiten Bandes in ein Chaos hineingeworfen. Die Ereignisse überstürzen sich, Charaktere sind im Umbruch, die Verhältnisse der Charaktere zueinander verschieben sich. Der Leser hat keine Gelegenheit, sich erst einmal wieder in die Situation und die Personen hineinzudenken, die er vor acht(!) Monaten verlassen hat. Er wird einfach überrollt!

Diese ganze Sache war nicht nur überflüssig, sie war kompletter Murks! Ich empfehle deshalb allen Interessenten, die „Glaszauberin“ und den „Steinwandler“ unmittelbar hintereinander zu lesen. Die einzige Alternative dazu ist, die Geschichte im englischen Original zu lesen. Da ist es nämlich nur |ein| Buch! Möglicherweise rettet der Zusammenhang in der Lektüre auch das Flair aus dem ersten Teil ein Stück weit in den zweiten hinüber und schwächt dadurch die kleinen Mankos ein wenig ab. Denn wenn „Tresholder“ (Originaltitel des Gesamtwerkes) auch nicht so akribisch auf- und ausgebaut ist wie der |Weltenbaumzyklus|, so hat er doch seinen ganz eigenen Zauber.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres Weltenbaum-Zyklus stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem Weltenbaumzyklus und „Tresholder“ schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Im März erschien unter dem Titel „Die sterblichen Götter Tencendors“ auch der erste Band der |Wayfarer Redemption|, der Fortsetzung des Weltenbaumzyklus, auf Deutsch. Der zweite Teil „Die Wächter der Zeiten“ ist für September dieses Jahres angekündigt. In der Zwischenzeit schreibt die Autorin an ihrem neuen Zyklus |Darkglass Mountain|.

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