Dünschede, Sandra – Todeswatt

_Inhalt:_

Anfang 2000: Alle sind im Börsenfieber. Menschen, die sich wenig bis gar nicht damit auskennen, stürzen sich mit Begeisterung in den Aktienhandel, und die Kurse steigen höher und höher. Träume von unendlichem Reichtum scheinen in greifbare Nähe gerückt. Doch am 11. März 2000 ist damit Schluss, die Kurse stürzen in den Keller und nehmen reihenweise kleine Anleger mit, die nun oft genug alle Ersparnisse verlieren. Was für eine Katastrophe!

Man sucht verzweifelt nach jemandem, dem man die Schuld geben kann, und in dem kleinen Städtchen Risum-Lindholm ist dieser jemand Arne Lorenzen, der Bankberater. Wie vielen Leuten hatte er nicht das Geld aus den Taschen gezogen – jedenfalls kommt es den Leuten im Nachhinein so vor.
Dummerweise kann man Arne gar keine Vorwürfe mehr machen: Er liegt tot im Watt vor der Insel Pellworm. Hatte da jemand, der durch Lorenzens Beratung seine Ersparnisse verloren hat, Rache genommen? Vielleicht der Fuhrunternehmer Sönke Matthiesen, der nun aller Wahrscheinlichkeit nach Insolvenz anwenden muss? Oder handelt es sich um eine Verwechselung?

Kommissar Thamsen zerreißt sich zwischen den Ermittlungen und seinen Vaterpflichten. Tatsächlich kommt es ihm nicht ganz ungelegen, dass sich die Freunde Tom, Marlene und Haie in den Fall einmischen. Dass sie nicht auf den Kopf gefallen sind, haben sie bereits in früheren Fällen unter Beweis gestellt, und Thamsen profitiert von den Informationen, die die drei ihm liefern. Aber dann scheint es nur eine Möglichkeit zu geben, den Täter zu überführen, und die Beteiligten lassen sich auf eine gefährliche Scharade ein …

_Kritik:_

Sandra Dünschede entführt ihre Leser dahin, wo man das Salz im Wind riechen kann. Sie beschreibt die Orte des Geschehens so plastisch, dass man sie genau vor Augen hat – inklusive der Pensionen und Ferienhäuschen, die einen zurückführen zu Urlaubserinnerungen.

Schön gemacht ist auch die Beschreibung des Mikrokosmos’ Dorf: Wie den Fremden das Misstrauen entgegenschlägt, wie man jederzeit Hilfe finden, aber auch keinen Schritt tun kann, ohne dass es jeder weiß. Das Elend des vielfachen finanziellen Verlusts in so kleiner Gemeinschaft unmittelbar verdeutlicht zu sehen, gibt dem Leser schon zu schlucken. Die Platt schnackenden Einwohner steigen wunderbar authentisch von den Seiten auf, und die Geschichten und Aberglauben der Region sind gekonnt und unaufdringlich mit in den Plot der Kriminalgeschichte mit eingebunden.

Auch die Bürokratie und das Kompetenzgerangel zwischen den einzelnen Polizeistellen sind schön nachgezeichnet und wirken ausgesprochen enervierend. Nur die Auflösung hat mir persönlich nicht so gut gefallen, da mir die Ausarbeitung weniger dezidiert erschien als bei verschiedenen anderen Spuren. Allerdings ist das vermutlich Geschmackssache. Stilistisch gibt es nichts zu beanstanden. Die mundartlichen Stellen der wörtlichen Rede sind interessant gemacht und die Charaktere glaubwürdig gezeichnet. Die möglichen Motive sind glaubwürdig, und die Verwicklungen, die die Ermittlungen ans Tageslicht bringen, sind manchmal nur allzu menschlich.

_Fazit:_

Wer mal auf einer Nordseeinsel gewesen ist, wird so einiges wieder erkennen in Sandra Dünschedes Roman. Wer noch nicht auf einer war, möchte möglicherweise nach der Lektüre hin: Die Einsamkeit, die Weite und die einfachen Strukturen wirken fast meditativ und ausgesprochen verlockend.

Da die Charaktere alle mit ihren eigenen kleinen und größeren Sorgen zu kämpfen haben, erscheinen sie menschlich und natürlich, und man fühlt unwillkürlich mit ihnen. Es ist der dritte Fall, den Kommissar Thamsen, Tom, Marlene und Haie zusammen bearbeiten, und in dieser Zeit können einem die fiktiven Personen schon durchaus sympathisch werden.

Alles in allem handelt es sich bei „Todeswatt“ um einen gut ausgearbeiteten Krimi, der in einer liebevoll detailreich gezeichneten Umwelt angesiedelt ist. Wen also die Sehnsucht nach Nordfriesland packt, wer die Folklore dort mag, wer das Meer rauschen hören und nebenher einen Mordfall knacken möchte, der ist mit der Lektüre dieses Buches gut beraten.

|Broschiert: 327 Seiten
ISBN-13: 978-3839210581|
[www.gmeiner-verlag.de]http://www.gmeiner-verlag.de
[www.sandraduenschede.de]http://www.sandraduenschede.de

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